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Ausgabe:

1952 Nr. 8

Spalte:

475-480

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Zur Auslegung von Röm. 7, 14 ff. 1952

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 8

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Anknüpfungspunkt gibt. „Es ist recht, daß (nur) der Einzige
allein sei (top fiövov dvai uövov); der Einzige aber und (d. h.)
der, der sich selbst gemäß einer ist, ist Gott {fiövog de xai xa&'
avröv dg a>r 6 3-tög), nichts aber ist Gott ähnlich"; „es ist
recht, daß der Seiende allein sei" (fiövov dvai top ovza; § 1).
An dem durch Gen. 2,18 veranlaßten Wortspiel wird sichtbar
, daß für Philon die MONOS-Aussage für Gott nicht nur
eine Erhöhung über andere göttliche Wesen oder auch über
den Kosmos meint, sondern ein gänzliches Fürsichsein, eine
völlige Transzendenz. Wie bei Melissos das (wirklich und
einzig) Seiende Sv fiövov iartv, Eines allein ist, so ist bei
Philon der wahrhaft Seiende einer allein1. Ja, Philon kann
sich hier der philosophischen Aussage im Neutrum nähern:
6 &eög fiövog iari xai iv, ov övyxoifta (§2); denn Gott kann
nichts beigefügt werden (§3; vgl. Anaxagoras) — darum ist
er der (nur) bei sich selbst Seiende. Und nun hilft ein neues
Wortspiel, das sich aus der mehrfachen Bedeutung des Stammes
jxov- ergibt, zu einer noch präziseren Fassung der MONOZ-
QEOE-Aussage: Gott in seinem Fürsichsein und die Einzahl
(fiovdg) stehen in einer strengen Entsprechung zueinander2,
und zwar so, daß nicht die Eins das Ursprüngliche ist (damit
grenzt sich Philon von der Philosophie ab), sondern Gott —
gesetzt ist die Eins nach dem einen Gott (liiayaai . . . rj fioväg
xarä röv iva &eöv3). Ist die Eins zwar (sozusagen aus Gott
heraus) gesetzt, so doch eben unmittelbar aus Gott heraus,
und darum entspricht sie in besonderer Weise dem Wesen
Gottes — daher kann Philon sagen: die Eins (fiovdg) „ist das
körperlose Abbild Gottes", äacofiarog &cov dxcov*. Es wird
deutlich, wie Philon bestrebt ist, in der Begründung der Ab-
soiutheit Gottes die Reinheit des philosophischen Denkens
und die Strenge des biblischen Gottesgedankens miteinander
zu verbinden.

IV.

Im Neuen Testament beherrscht das Bemühen um die
letztere die MONOS-QEOS-Aussagen5. Sieht das ungläubige
Judentum in dem Anspruch Jesu auf das vollmächtige Aussprechen
der Vergebung einen Angriff auf die Souveränität
Gottes6, so betont die synoptische Uberlieferung, daß das
Wirken Jesu im völligen Verzicht auf jeden eigenen Machtwillen
, der sich Gott gleichstellt, und in totaler Anerkennung
der alttestamentlichen Forderung des ausschließlichen Dienstes
gegenüber Gott allein geschieht7. Matth. 24, 36 bedeutet
eine weitere Abgrenzung gegen ein Mißverständnis der

') Vgl. Gig. 64: &.. fiövog a>v &e6g. Dieser fiövog &eög ist der Schöpfer
„des wahren Menschen, der reinster vovg ist" (Fug. Inv. 71).

2) Gott ist als der unvermengte und unvermischte gemäß seiner fiövcoaig
(seinem Einzigsein und Alleinsein) eine fiovdg, Rer. Div. Her. 183.

') Philon begründet das damit, daß die Zahl (wie die Zeit [Plat. Tim.
37d—38a]; beide sind Ordnungsbegriffe) jünger ist als der Kosmos und damit
natürlich auch als dessen Schöpfer (Leg. All. II 3).

4) Spec. Leg. II 176. Philon kann sich dafür einen philosophischen Satz
zunutze machen: die fiovdg ist nicht eine Zahl, sondern atoi%tTov xai dp%T]
dpt9fiov (Rer. Div. Her. 190), Element und Urgrund der Zahl(en).

5) In die Diskussion über die Stellen kann hier nicht im einzelnen eingetreten
werden.

e) Luk. 5, 21 il firj fiövog b &eög; Mark, dg; Matth. —.

7) Matth. 4, 9f.; Luk. 4, 7f. Matth. 4,10 folgt in dem Zitat fast ganz dem
Codex A der LXX, Dt. 6, 13 = 10, 20 (Luk. 4, 8 stellt lediglich um). Im hebr.
Text fehlt eine Entsprechung zu ftövq?, wie auch 1. Kön 18, 37; hier hat
A (bzw. sein[e] Vorgänger) ebenfalls fiövog eingefügt (jüdische oder christliche
Zusätze?).

Anders Nygren hat in seinem Kommentar zum Römerbrief
, 1951, aufs neue die Deutung von Rom. 7,14—25 auf das
Christenleben vertreten und die heute überwiegend geltende
Deutung auf das vorchristliche Leben abgelehnt. Dabei bezieht
er sich besonders auf meine Auslegung des Kapitels, vor
allem in „Paulus und Luther". Darauf möchte ich hier entgegnen
; nicht so, daß ich die Gründe für die vorherrschende
Exegese noch einmal zusammenstelle, sondern nur in der Weise,
daß ich Nygrens Begründung in einigen ihrer Hauptgedanken
kritisch untersuche.

1. Das Verhältnis von Rom. 7, 7f£. zu 7, i4ff.
Einverständnis herrscht darüber, daß der Apostel in 7,5 f.
von dem „früher" und dem „jetzt" des Christen spricht, von

Christologie: die Terminsetzung der Heilsgeschichte ist Gott
allein bekannt. Im Joh.-Ev. wird Gott kund als der einzige,
von dem her die Ehre des Menschen (und also auch die Jesu)
kommt (5,44); seine Erkenntnis als des „einzigen wahren"!
gibt die ewige Lebendigkeit (17,3).

In den Briefen und der Apc. (Ag. fällt aus) gehören die
spezifischen MONOS-Aussagen dem Bekenntnis und dem Lobpreis
zu. Der ersteren Gruppe besonders Jud. 4: die Irrlehrer
heben praktisch das Bekenntnis zu dem fiövog öionöziqg auf2.
Die verbleibenden Wendungen finden sich in doxologischen
bzw. hymnischen Zusammenhängen: offenbar hat die MONOS-
Prädikation ihren besonderen Ort im christlichen Gottesdienst
des 1. Jh.3. Dementsprechend sind die Zusammenhänge
, in denen sie gebraucht wird, von hoher Feierlichkeit.
Es ist möglich, daß die gottesdienstliche Verwendung vom
AT her beeinflußt ist; die gegebenen alttestamentlichen Belege
für die Wendungen mit „Du. . ." gehören Gebeten und
Lobliedern an (ferner 2. Makk. I,3<if usw.). In einer (allerdings
nicht gottesdienstlichen) Berakha findet sich fiövog für
Gott 1. Esr. 8,25: tvloyrfcög fiovog 6 xvoiog*. In einer Berakha
am Ende des Briefes (mithin vielleicht auch mitunter
des Gottesdienstes?) steht die MOAOZ'-Prädikation Jud. 25:
fiövq) ■&e<3 acorijgi (vgl. die Parallelen oben) rjficbv . . . <5d£ä . . .
und Rom. 16,27 ; fiövq? öocpq? &tq>. . . (oj) r bö%a. . . In 1. Tim. begegnet
die MONOS- Formel gleich dreimal, üi 1,17 unmittelbar
einer Doxologie zugehörig,in 6,15 f. ihr nahestehend; die Lobpreisung
in 1,17 soll offenbar einen Abschnitt abrunden, die
in 6,16 ist sichtlich durch die feierliche, hymnische Nennung
des Gottesnamens veranlaßt — anscheinend rufen MONOU-
Formel und Berakha u. U. sich gegenseitig. In rein hymnischem
Zusammenhang lesen wir die AfOArO.£-Prädikation im
Lied des Mose und des Lammes (Apc. 15,4). Inhaltlich sind
die MONOS-Wendungen der Briefe (und der Apc.) verschieden
bestimmt: Gott ist der allein Weise, Mächtige5, Rettende,
„Fromme"6, Unsterbliche (1. Tim. 6,16, in betonter Abhebung
vom griechischen Gedanken allgemeiner Unsterblichkeit
). Nur an einer Stelle im NT findet sich (vermutlich) die
absolute MONOZ-OEOZ-Aussage, 1. Tim. 1,17: Gott ist allein
Gott, schlechthin Gott — das ist (so wenig sie als einziger
Satz der Theologie möglich wäre) die vollkommenste Aussage
über Gott.

') Die Ausdrücke sind hier offenbar identisch. — Josephus gebraucht gern
die Zusammenstellung fiövog dXr/d'^g in Gottesaussagen, Ant. VIII 337. 343;
X 263; Bell. VII 323.

*) Gott? So Windisch-Preisker z. St. Jesus? So Schlier Theol. Wort. I
469f.; Rengstorf ebd. II 47f. Jedenfalls würde durch die Deutung auf den Erhöhten
der Monotheismus lür das NT nicht aufgehoben, vgl. l.Kor. 8, 6 usf. —
Die Wendung fiövog ScaTtörrjg ist gut jüdisch, Josephus Bell. VII 323. 410;
Ant. XVIII 23, an den beiden letzten Stellen sozusagen im Munde der Zeloten!
Josephus weiß, daß der Kampf gegen die römische Herrschaft von den Aufrührern
mit der Monarchie Gottes begründet wird.

3) Ein Zeitpunkt ist schwer festzulegen; sie findet sich an keiner unbestritten
dem apostolischen Zeitalter zugehörigen Stelle.

4) Freie Wiedergabe von Esr. 7, 27; hier steht „Jahwe, der Gott unserer
Väter"! — Auf den Gottesdienst weisen auch gelegentliche Wendungen bei
Josephus, Ant. I 156 fiövq? t7]v rifiijv xai xrv tvyapioTtav dnovifieiv)
VIII 343 Tigooexvvovv Iva ftcöv xai fiiyiorov xai d/.rj&ij fiövov drro-
xaXovvreg ([laut] nennen).

5) l.Tim. 6, 15 (zu Svvdovqg im heidnischen religiösen Gebrauch vgl.
Grundmann, Theol. Wort. II 288). Vgl. Orac. Sibyll. III 718.

6) Zu dem auch in Apc. 15, 4 komplexen Begriff vgl. Hauck, Theol. Wort.
V 491: gerecht, fromm, tadellos, treu.

Hermann Strathmann zum 70.Geburtstag

seiner Vergangenheit und seiner Gegenwart (N. 202f.). Aber
Nygren findet darin zugleich „das Schema" für den weiteren
Gedankengang in Kap. 7: 7,7—13 rede von der Vergangenheit
des Christen, von dem, was er ohne Christus war; 7, 14—25 dagegen
stelle die Gegenwart des Christen dar, „das, was wir
sind". Der erste Abschnitt biete seine Aussagen im Präteritum
, der zweite gehe zum Präsens über, mit V. 14. In beiden
Stücken handle es sich um die Stellung und Bedeutung des
Gesetzes. Für den vorchristlichen Stand ist bezeichnend „die
Macht des Gesetzes, die Sünde hervorzurufen und zu steigern",
für den Christenstand dagegen „die Ohnmacht des Gesetzes,
das Gute hervorzurufen" (203. 208). Jenes gilt im alten Aon,
dieses im neuen.

Gegen dieses Verständnis des Aufbaus von Kap. 7 er-

Zur Auslegung von Rom. 7,14 ff.

Antwort an Anders Nygren

Von Paul Alt haus, Erlangen