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Ausgabe:

1952

Spalte:

449-458

Autor/Hrsg.:

Oepke, Albrecht

Titel/Untertitel:

Irrwege in der neueren Paulusforschung 1952

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Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. KURT ALAND, HALLE-BERLIN

NUMMER 8

Spalte

Irrwege in der neueren Paulusforschung.

Von Albrecht Oepke................... 449

Das Wirken des Heiligen Geistes in den
Gläubigen nach Paulus. Von Heinz-Dietrich
Wendland....................... 457

MOXOS &EOS. Von Gerhard Delling .. 469

Zur Auslegung von Rom. 7,14ff. Antwort
an Anders Nygren. Von Paul Althaus.... 475

Matth. 5,17—20 — Anmerkungen zum
Gesetzesverständnis des Matthäus.

Von Eduard Schweizer ............... 479

Luther und die Gleichnistheorie von

Mc4,11 f. Von Walther von Loewenich . 483

77. JAHRGANG

Spalte

Grundsätze katholischer Bibelauslegung.

Von Hans Graß........................ 487

Drei Grundfragen zum Probetestament.

Von Erich Fascher.................... 493

Briefe Adolf Harnacks an Theodor Zahn.

Mitgeteilt von Friedrich Hauck ......... 497

Von Personen:

Zum 75. Geburtstag Walter Bauers ...... 501

Bibliographie Walter Bauer (Hunzinger) .. 501

Theologische Arbeit in Mikrokopie:

Bergmann: Das Problem der Gerechtigkeit . 505
Buchrucker: Das evangelische deutsche
Abendmahlslied von Luther bis zur Gegenwart
.................................. 506

AUGUST 1952

Spalte

Graupner: Die Rezitative des Evangelisten
in der Matthäuspasrion von Johann Sebastian

Bach ................................. 507

H i I b u rg: Luthers Frömmigkeit in seiner Vorlesung
über den Römerbrief............. 507

Höß: Die deutschen Stämme in der Zeit des
Investiturstreites....................... 508

Johannessohn: Die Formen der Geschichts-
teleologie des Deutschen Idealismus...... 509

Berichte und Mitteilungen: ,

Preisausschreiben ...................... 512

Zum vorliegenden Heft................. 511

Irrwege in der neu«

Von Albrecht

Wie jede Wissenschaft, so bedarf auch die Bibelwissenschaft
ständiger Selbstkritik. Das gilt auch für die Paulusfor-
schung, für die neuere nicht minder, als für die ältere. Hier
scheint es uns des öfteren daran gefehlt zu haben. Dadurch ist
es zu Irrwegen gekommen. Wenn im folgenden deren einige aufgedeckt
werden sollen, so ist das letzte Ziel dabei positiv. Es
geht uns nicht ums Kritisieren und noch weniger darum, irgendjemand
zu diffamieren, sondern lediglich um das echte Paulusbild
. Dies Ziel ist aber, wie die Dinge liegen, nur durch Metakritik
zu erreichen.

Einer Gefahr sind wir uns dabei von vornherein bewußt,
daß wir uns in Einzelheiten zersplittern, auf Seitenwege verlieren
und in Sackgassen enden. Es ist vielleicht nützlich, nach
einem Generalnenner zu suchen, der in der Mannigfaltigkeit
die Einheit vertritt. Als solcher empfiehlt sich etwa der Begriff
Romantik. Wir verstehen ihn keineswegs im schulmäßigen
Sinne, denken also nicht an die so bezeichnete Geistesbewegung
zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, sondern brauchen
das Wort in der landläufigen Bedeutung und dürfen im
Vorübergehen daran erinnern, daß die Begriffe Romantik und
Roman sich, schon der Etymologie nach, berühren.

Was gemeint ist, wird sogleich deutlich werden, wenn wir
bei einem zwar peripherischen, aber bezeichnenden Punkt einsetzen
, der Frage nach den Syneisakten bei Paulus. Daß das
Syneisakteuwesen in der alten Kirche zeitweilig stark verbreitet
gewesen und von zahlreichen Synoden als gefährliche Unsitte
gebrandmarkt worden ist, hat besonders Hans Achelis mit
großer Sorgfalt nachgewiesen. Anfänge dieser Institution hat
man vielfach schon bei Paulus finden wollen. Man könnte zwar
meinen, diese Anschauung sei heute überwunden. Die neuesten
Ausleger des i. Kor., Adolf Schlatter („freie Dichtung") und
Heinz Dietrich Wendland, rücken, wie früher schon Bachmann
, von ihr ab. Aber so lange sie durch das weitverbreitete
Lietzmannsche Handbuch mit Emphase, durch den noch maßgebenden
Bearbeiter in Meyers Kommentar, Job. Weiß, mit
minuziöser Ausdeutung vertreten wird, solange W. Bauer in
seinem trefflichen Wörterbuch für sie eintritt und E. Stauffer
im ThW schreiben kann, es spreche,.alles" für sie, kann von
Uberwindung dieser romantischen Hypothese keine Rede sein.

Ihr einziger Stützpunkt im NT ist bekanntlich das 7. Kapitel
des 1. Kor., in dem Paulus auf Ehefragen der Korinther
eingeht. Das Stichwort itegi Jiag&evcov tritt 7,25 zuerst auf,

449

Ten Paulusforschung

Oepke, Leipzig

Hermann Strathmann zum 70.Gämrtstag

nochmals in v 28, um dann bis v 34 auszusetzen, wo es sporadisch
wieder vorkommt. Gehäuft findet es sich erst wieder in
7, 36—38. Dazu eine methodische Vorbemerkung. Die ältesten
Vertreter der Syneisaktenhypothese — Lietzmann sagt reichlich
enthusiastisch: „desRätsels Lösung" —Eduard Gräfe, Hans
Achelis, Adolf Jülicher gründen und beziehen sie ausschließlich
auf v 36—38. Vorher verstehen sie jtciQ&evoi im landläufigen
Sinn. Neuere fanden hier einen Schönheitsfehler. Der Abschnitt
V 25—38 bildet doch wohl ein Ganzes. Nach J. Weiß wäre er
aufgebaut nach dem im 1. Kor. häufigen Schema a—b—a:
Thema, Zwischenstück, Rückkehr zum Thema. Daraus ergibt
sich — völlig konsequent! — die Folgerung: auch v 25—28
müssen schon von den Syneisakten handeln (J. Weiß, Karl
Müller), v 29—35 seien eine Einlage, in der Paulus in das zu
Anfang des Kapitels schon abgehandelte Eheproblem „zurückgleite
". Die letzte Konsequenz hat, wohl als einziger, Lietzmann
gezogen: auch das Mittelstück handle von den Syneisakten
. Wie von diesen folgerichtig gezogenen Konsequenzen
aus die Syneisaktenhypothese zu beurteilen ist, bleibt zu fragen
. Den Vorzug verdient jedenfalls diejenige Auslegung, welche
die beiden Ecksätze möglichst zur Deckung bringt und
das Mittelstück in engster Beziehung zum Hauptthema erfaßt.

Worauf bezog sich die Anfrage ? Die Korinther wußten es,
wir wissen es nicht. Daraus entnimmt J. Weiß das Recht,
zwischen den Zeilen zu lesen. Er tut es in weitem Umfange.
Um die Verheiratung jungfräulicher Töchter könne es sich
nicht handeln, da in v 27 und v 28a ein Mann angeredet sei.
Die Versicherung: „Wer heiratet, sündigt nicht" sei unverständlich
, wenn eine einfache Eheschließung zur Diskussion
stehe. Es handle sich vielmehr um eine Eheschließung unter
Bruch des Keuschheitsgelübdes, um die Heirat geistlich Verlobter
. jtaQ&ivoi beziehe sich auf Asketen beiderlei Geschlechts
(vgl. Off. 14,4). Der Singular rj 7iaQ&ivos aber deute
auf einen konkreten Fall, eben die geistlich Verlobte oder ihren
Partner. Endlich das imxaykv xvglov ovx l%a>, so könnte man
hinzufügen, verstehe sich am besten, wenn man an Syneisakten
denke, da Jesus diese Einrichtung selbstverständlich
noch nicht gekannt habe. Allein über die Verheiratung der
Jungfrauen hat Jesus sich wohl auch nicht ausgesprochen. Die
anderen Gründe hat schon Jülicher scharfsinnig bestritten.
nag&ivog bezeichnet v 34 und v 36—38 sicher ein weibliches
Wesen. Dadurch ist die Einbeziehung der Männer in v 26 un-

450