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Ausgabe: | 1952 Nr. 7 |
Spalte: | 436-438 |
Kategorie: | Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft |
Titel/Untertitel: | Missionswissenschaftliche Studien 1952 |
Rezensent: | Rosenkranz, Gerhard |
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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 7
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wald. Bemerkenswert ist dabei, wie sehr die Verfasser von ihrer
praktischen Einstellung her von den traditionellen Fragestellungen
abweichen. Hier ist nicht mehr der Auftrag eines heilserfüllten
Volkes an das heillose, hier wird vielmehr auf alle
mitgebrachten Lieblingsideen verzichtet und gesagt: das Weizenkorn
muß ersterben, wenn es Frucht bringen soll. Daraus
erwachsen eine Reihe völlig neuer, voraussetzungsloser Methoden
für die Jugendarbeit.
Das Heft beginnt mit einer sehr nüchternen Darstellung
der Situation von Lutz Ehrenthal mit statistischen Angaben,
die leider zum größten Teil noch nicht überholt sind. Der Lehrstellenmangel
in Westdeutschland für 1953—54 wird auf je
eine halbe Million geschätzt; das akademische Proletariat, die
Erziehungsmächte, Familie, Wohnraum, Schule, Kirche, Jugendverbände
werden in ihrer Gefährdung und Veränderung
zahlenmäßig dargestellt.
Von den übrigen Aufsätzen sind besonders die des Kinderarztes
Ernst Hermann Maier erwähnenswert, der in vorbildlicher
Weise versucht, Jugendlichen die Funktionen und den
Sinn ihrer Geschlechtswünsche unter dem Ziel der „Geborgenheit
" (der Hauptgesichtspuukt des Buches) darzustellen. Die
von Maier gezogene Konsequenz, Jugendliche beiderlei Geschlechts
in kirchlichen Gruppen zusammenzuführen, sollte die
bisherige kirchliche Praxis umgestalten. Sein Beitrag über die
Glaubwürdigkeit christlicher Verkündigung formuliert die
neue Methode:
„Das Hinausgehen zum andern hin schafft erst die Möglichkeit eines Gesprächs
. Hinausgehen heißt, bescheiden lernen zu wollen, wie es um den andern
steht. Man muß seine Sprache kennenlernen, nicht um seinen Jargon zu benutzen
, wohl um seine Begriffe zu verstehen, was ihm etwa „Hoffnung" sagt
oder „Liebe". Man muß also zuzuhören verstehen, ohne gleich mit dem Appell
an die Einsicht und den guten Willen zu antworten. Das ist nicht leicht. Hier
hilft keine Sentimentalität, hier hilft nur der Glaube an die Aktualität des
Auftrages und die tiefe Überzeugung, daß wir für den andern einzustehen
haben. Er muß sehen, daß es uns um ihn geht. Alfred Delp schrieb kurz vor
seiner Hinrichtung (1945) in das Tagebuch: „Es wird kein Mensch an die Botschaft
vom Heil glauben, solange wir uns nicht blutig geschunden haben im
Dienste des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich oder sonstwie kranken
Menschen!" (S. 54 und 55.)
„Das Mißtrauen bestimmt daher auch weitgehend unser Vorgehen bei der
Verkündigung. Dem Hilflosen hilft nur, wem selbst geholfen ist. Nur wer selbst
auf Gott vertraut, vermag zu helfen und gewinnt Autorität. Autorität erwächst
uns nicht aus irgendeiner Stellung, die wir bekleiden, aus einer Erfahrung,
auf die wir pochen, oder irgend etwas anderem als dem uns entgegengebrachten,
dem uns geschenkten Vertrauen, daß man weiter weiß als die anderen. Weiterhin
dürfen wir uns nicht auf drei Fehler einlassen: Einmal dürfen wir selbst
„glauben" nicht hinstellen als etwas, mit dem man sich alles erklären kann.
Es muß immer ein Rest bleiben; das Unerklärliche aber läßt sich aus dem
Glauben tragen. Zum andern: Verkündigung ist keine Diskussion. Es geht um
eine persönliche Entscheidung zu Gott. Es geht nicht um das Seelenheil gläubiger
Buddhisten, ungetaufter Kinder oder Goethes. Zum Dritten ist Verkündigung
nicht die Gelegenheit, den Bruderkirchen eine Abfuhr zu erteilen. Die
gespaltene Christenheit ist ein Bild unserer aller Schuld, Verkündigung schließt
Bekenntnis zur Gemeinde ein. Christ sein, heißt Christus gehorsam sein. Der
Herr stiftete die Kirche für uns; wir aber sind Glieder der Kirche zur Ehre
Gottes." (S. 56.)
Mit der gleichen Vorsicht stellt Klaus von BismarckBe-
dingungen christlicher Verkündigung an bindungslose Jugend
dar, die ihre Kindheit übersprungen hat und im gestörten
Selbstvertrauen lebt:
„Angesichts des angeschlagenen Selbstvertrauens vieler junger Menschen
habe ich darüber nachgedacht, was für sie das Gebot ,Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst!' bedeutet. Ich bin überzeugt: ein hoher Prozentsatz
dieser jungen Menschen wird viel eher einen anderen lieben können als sich
selbst. Die tiefste Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit dieser bindungslosen
Jugend besteht darin, daß sie nicht mehr an die eigene Heilung glauben kann.
Das Wunder der Auferstehung Christi aus dem Grabe mag noch hingehen. Das
große Wunder aber, daß auch sie Kinder Gottes sind, ist nicht mehr annehmbar
. Man kann vor der Feststellung erschrecken, wie viele junge Menschen
heute kaum noch Angst vor dem Tode spüren, hingegen große Furcht vor dem
Weiterleben." (S. 49.)
v. Bismarck empfiehlt die Verkündigung nicht nur durch
das Wort, sondern durch gewohntes Lied, Gruppe, Heimat,
Wärme, Anlehnungsmöglichkeit im Vertrauen.
Nur diese Namen als Beispiele für die g Vorträge. Das
Buch quillt über von praktischen Vorschlägen und Berichten
über Ansätze christlichen Lebens, tastender neuer Versuche
in Jugendwohnheimen, bei der Flüchtlingsjugend, im Jugenddorf
, ja im Gefängnis.
Das Denkmal, das Walter Herrmann seinem Gefängnispfarrer
setzt, ist vorbildlich für die Zusammenarbeit zwischen
Direktor und Anstaltspfarrer. — Uberall ist es eine Frage der
Bewegtheit und Bereitschaft des Einzelnen, seiner Begabung
und seiner Verbundenheit mit der Gruppe, die ihm auferlegt
ist. „Nur der .Milieuechte' kann ein Milieu ändern." (S. 89.)
Die Zusammenfassung der Aussprache und eines sehr
praktischen Rundgesprächs endet mit der Feststellung: es ist
erstaunlich, wie viele junge Menschen in den Heimen und Baracken
darauf warten und brennen, draußen mitzuarbeiten.
Sie brauchen nur die Chancen. Und es ist Aufgabe der institutionellen
Gemeinde, diese Chancen zu schaffen.
Für die praktische Theologie nicht minder wie für die systematische
erwachsen aus diesem in der 3. Auflage erschienenen
Büchlein einer neuen Kirche eine Fülle von Anregungen.
Berlin Harald Poelchau
MISSIONS WISSENSCHAFT
[Dindinger-Festschrift:] Missionswissenschaftliche Studien. Festgabe
Prof. Dr. Johannes Dindinger O. M. I., Direktor d. Päpstl. Missionsbibliothek
, zum 70. Lebensjahre dargeboten von Freunden u. Schülern.
Hrsg. v. Prof. Dr. Johannes Rommerskirchen O.M.I. u. P. Dr. Nikolaus
Kowalsky O.M.I. Aachen: Metz [1951]. 440 S., 1 Titelb. gr. 8° = Ver-
öffentl. des Instituts für missionswissenschaftl. Forschungen Münster/W.
Dieser stattliche Band mit seinen 25 Beiträgen in deutscher
, französischer, englischer, italienischer, spanischer bzw.
holländischer Sprache — außer Glückwünschen des päpstlichen
Staatssekretariats, der „Propaganda fide", des Bischofs
von Aachen u. a. zum 70. Geburtstag des hochverdienten Herausgebers
der „Bibliotheca Missionum" — ist eine wahrhaft
würdige Dankesgabe für J. Dindinger. R. Becker hat einleitend
die gewaltige wissenschaftliche Arbeit des Jubilars dargestellt.
Die Beiträge behandeln „La primacia de Christo y las missio-
nes segün la teologia del Angelico" (O. Dominguez); „El Cu-
erpo Mistico de Christo en la Dogmätica misionera en Espana
desde el .Maximum illud' (1919)" (J. Zameza); „Mission und
Naturrecht" (M. Bierbaum); „Jus Missionarium in Systemate
Codicis Juris Canonici" (I. Ting Pong Lee); „Die Bußdisziplin
in den katholischen Missionen der Gegenwart" (Th. Ohm);
„Die Beichtbücher (Confessionaria) als Quelle der Missions-
pastoral" (J. Beckmann); „Rinascimento dell'arte Missiona-
ria" (C. Constantini); „L'azione missionaria delle diocesi"
(S. Paventi); „Le Laicat Missionaire" (J. Champagne); „Ideales
Missioneros de los Reyes Catölicos" (M. de Mondreganes)
„Der Stifter der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria und
das Werk der Glaubensverbreitung" (N. Kowalsky); „Essai
sur la Crise religieuse actuelle de 1'Islam" (A. Perbai); „Some
results of East-West Contacts in Ceylon" (S. T. Balasuriya);
„Anamitische Xaveriusliteratur" (G. Schurhammer); „L'At-
tegiamento della Congregazione di Propaganda Fide nello
scisma di Pechino" (R. Primon); „Nouveaux documents sur
le soi-disant Schisme de Pekin" (G. Mensaert); „II mancato
Concilio di Hongkong del 1850" (G. B. Tragella); „L'Acetica
confuciana" (St. Lokuang); „Fundaciön y principios de la
Prefectura Apostölica de Marruecos (1622—1635)" (D. R. Ran-
cano); „Afrikanische Bischofskonferenzen" (J. Rommerskirchen
); „Die erste Dominikanermission auf dem südamerikanischen
Festland" (B. Biermann); „Kirchliche und staatliche
Siedlungspolitik in Spanisch-Amerika im 16. Jahrhundert"
(J. Specker).
Drei Beiträge, die dem Rezensenten von besonderer Bedeutung
zu sein scheinen, seien ihrem Inhalt nach kurz wiedergegeben
. Der erste trägt die Uberschrift „La Mission 'Im-
platation del'Eglise' dans les documents ecclesiasti-
ques". Sein Verfasser, A. Seumois, geht davon aus, daßmitdem
Apostolischen Brief Benedikts V. „Maximum illud" (1919)
und seiner Forderung der „Einpflanzung der Kirche" bei fremden
Völkern eine neue Epoche der römisch-katholischen Missionsgeschichte
angebrochen sei, die sich bewußt zu den Missionsmethoden
des apostolischen Zeitalters zurückwendet.
„Einpflanzung" bedeutete in jenem Schreiben des Papstes die
Heranbildung eines eingeborenen Klerus. Schon 1923 wurde
der Begriff erweitert; „Einpflanzung" wurde fortan als Gründung
einer aus eigenen Mitteln lebenden, autonomen Kirche
verstanden. Noch weiter ging Pius XI. 1926 (Rerum eccl-
siae") mit seiner Erkfärung, daß „ad ordinandam in populis
vestris Ecclesiam Christi omnia, ex quibus ipsa divino consilio
confiatur, elementa adhiberi necesse est". Abschließend stellte
1944 Pius XII. in einer Ansprache fest, alle missionarische
Arbeit habe die Aufgabe, die Kirche örtlich derart zu verwurzeln
, daß sie dort autonom leben und sich entwickeln kann;
sie habe aufzuhören, wenn das erreicht sei. Der Begriff „Einpflanzung
" existierte schon früher in der Missionswissenschaft,
wurde aber nicht einheitlich verstanden. Gegenüber dem auch