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Ausgabe:

1952 Nr. 7

Spalte:

433-434

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Koch, Günther

Titel/Untertitel:

Die christliche Wahrheit der Barmer theologischen Erklärung 1952

Rezensent:

Althaus, Paul

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Seite 1

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433

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 7

434

Koch, Günther. Die christliche Wahrheit der Barmer Theologischen

Erklärung. München: Chr. Kaiser 1950. 60S. 8° = Theologische Existenz
heute. Eine Schriftenreihe, hrsg. v. K.O.Steck u. G.Eichholz, N.F. Nr.22.
DM 2.40.

Diese Schrift ist veranlaßt durch die Kritik, die ich, vor
allem in meiner „Christlichen Wahrheit", Bd. I, S. 71, 272,
an der Barmer theologischen Erklärung geübt habe. Günther
Koch verteidigt Barmen so, daß er erstens in einer Antikritik
meine Lehre von der Uroffenbarung angreift, durch den Versuch
nachzuweisen, daß ich „schwanke" „in der Feststellung
der wirklichen Erkenntnis der Uroffenbarung", „in der Auffassung
der menschlichen Religion", in der Auffassung des
Glaubens, der Bewertung der Heiligen Schrift, in der Lehre
vom Gesetz. Zweitens sucht er zu zeigen, in welchem Maße die
erste Barmer These in meiner Theologie trotz allem sachlich
anerkannt werde; noch mehr: daß in meiner Lehre ein „Anliegen
" enthalten sei, das „von Barmen aus" erfüllt werden
könne, nämlich „die Möglichkeit eines echten Gesprächs der
Kirche mit der Welt". Dem Texte folgen Anmerkungen, welche
die einschlägige Literatur heranziehen und zu Worte kommen
lassen. Schließlich bringt das Heft eine „Bibliographie zur
Barmer Theologischen Erklärung" (7 Seiten) und druckt eine
Verfügung des Evang. Konsistoriums zu Münster aus dem
Jahre 1944 ab.

Ich muß dem Verf. bezeugen, daß seine Schrift in Würdigung
und Polemik gründlich und ritterlich ist. Semer Kritik
an meinen Gedanken zu antworten ist an dieser Stelle nicht
möglich. Ich behalte mir vor, das an anderem Orte bald nachzuholen
. Nur zu Barmen und seiner Interpretation durch
G. Koch sei hier einiges gesagt.

Der entscheidende positive Satz der ersten Barmer These
lautet: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt
wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören . . .
haben". Auch heute kann ich nur wiederholen, daß dieser Satz,
in seinem schlichten Wortsinn verstanden, jede revelatio generalis
ausschließt. Max Lackmann teilt in seinem neuen
Buche: Vom Geheimnis der Schöpfung (Die Geschichte der
Exegese von Römer 1,18—23; 2,14—16 und Acta 14,15 —17;
17,22—29 vom 2. Jahrhundert bis zum Beginn der Orthodoxie)
1952, S. 277, Anm. mit, „daß die lutherischen Theologen des
These 1 beratenden Ausschusses es in Barmen seinerzeit protokollarisch
abgelehnt haben, mit diesem Verdikt der natürlichen
Theologie eine Absage an die positiv zu wertende .natürliche
Manifestation' Gottes zu verbinden". Ich nehme diese
Reservation gerne zur Kenntnis, glaube aber, daß sie gegenüber
dem Wortlaute der These ohne Bedeutung ist. Der Satz
muß nach klarem hermeneutischen Prinzip im Sinne seines
Hauptverfassers ausgelegt werden. Barths Kirchliche Dogmatil
, II, 1, § 26 über „Die Erkennbarkeit Gottes" ist der
Kommentar zu Barmen Satz 1, auf den der Paragraph denn
auch hinausführt. Von diesem Nein zu der ursprünglichen
Selbstbezeugung Gottes als etwas, das uns heute angeht, muß
ich nach wie vor urteilen, daß es nicht nur mit der theologischen
Uberlieferung im Widerspruche steht (das geben seine
Verteidiger, wie z.B. Heinrich Vogel, offen zu), sondern auch
mit der Heiligen Schrift. Das kann man an den grotesken Um-
deutungen ablesen, die Karl Barth an wichtigen Schriftaussagen
vornehmen muß, etwa durch die textwidrige Beziehung
von Rom. 2, 14t. auf die Heidenchristen statt auf
die Heiden. Auch hierfür sei mit Nachdruck auf das genannte
Buch von Lackmann hingewiesen. Aber es handelt sich gar
nicht nur um diese Stellen, sondern darüber hinaus um die
Tatsache der Heiligen Schrift selbst als eines zweigliedrigen
Korpus, des Alten und des Neuen Testamentes. Die These
„Jesus Christus das eine Wort Gottes" setzt das Wort des
Alten Testamentes mit Jesus Christus als Wort Gottes gleich.
Ich sehe trotz den Bemerkungen von G.Koch (S.31) bis heute
nicht ein, wie man sich zu Barmen These 1 bekennen kann,
ohne Barths Lehre von der inhaltlichen Identität der beiden
Testamente und die neureformierte christologische (statt chri-
stozentrische; s. zu diesem Unterschiede auch H. Bornkamm,
Luther und das Alte Testament, 1948, S. 222U.) Auslegung des
AT zu übernehmen. Das Wort des Alten Testamentes, das
„wir zu hören haben", läßt sich nicht in den Inhalt „Jesus
Christus" fassen, sondern ist ein vorgängiges Wort Gottes an
uns. Wer das eingesehen hat, kann die Formel von Barmen
theologisch nur als unerlaubte Verengerung beurteilen.

Ich habe die erste Barmer These wegen ihrer Enge bestritten
. Koch meint nun, dabei sei die „Weite der Barmer
Theologischen Erklärung" übersehen (S.33). Diese bestehe
darin, daß mit „Jesus Christus" der „fleischgewordene Logos"
gemeint ist; die Wendung von ihm als dem einen Worte Gottes
sei also im Zusammenhange mit dem Bekenntnis zum „ewigen

Christus", also zur Logoschristologie zu verstehen. Insofern
ist „der Gott der Uroffenbarung wirklich kein andrer Gott
als Jesus Christus", Jesus Christus also das eine Wort Gottes.
Warum also meine unverständliche Polemik gegen diesen
Satz ? — Nun, daß wir die Lehre vom Logos Gottes neu betonen
müssen, habe ich selber (Christi. Wahrheit I, S.53) ausgesprochen
. Es ist klar, daß es keine Selbstbezeugung Gottes
und keine Gotteserkenntnis gibt außer in ihm. Das heißt aber
nicht: außer in dem geschichtlichen Jesus Christus des biblischen
Zeugnisses, wie die Barmer These doch verstanden
werden muß. Der Logos ist nach Joh.1,4 das Licht der Menschen
schon ehe er in Jesus Christus Fleisch wird. Joh. 1 gehört
also mit zu dem Schriftgrunde für die Lehre von der Uroffenbarung
. Denn hier ist davon die Rede, daß man erleuchtet
werden kann, nämlich zum Wissen um Gott, schon ehe der
Logos Fleisch ward. Will die Barmer erste These wirklich in
dieser Weite verstanden werden, d.h. soll „Jesus Christus"
auch den ewigen Logos und sein vor- und außerchristliches
Wirken und Erleuchten einschließen, dann ist ja zwischen uns
kein Streit mehr. Dann kann gegen die Lehre von der Uroffenbarung
kein Einwand erhoben werden. Dann ist auch
meiner Kritik an Barmen aller Grund entzogen. Wir haben uns
dann von beiden Seiten nur mißverstanden. G. Koch sagt S. 32:
„Christliche Wahrheit hat also die Uroffenbarung nur insoweit,
als auch sie es mit Christus zu tun hat". Ich könnte mir diesen
Satz aneignen, wenn „Christus" den Logos bedeutet und
dessen „vorchristliches" und außerbiblisches Wirken zugestanden
wird. Aber das ist schwerlich die Meinung von Barmen
gewesen. Denn es wollte doch keine theologische Selbstverständlichkeit
aussprechen, nämlich daß alles Wort Gottes —
nun eben in dem „Worte", dem Logos gegeben sei! Vielmehr
sollte im Kampfe mit den „Deutschen Christen" ein hörbares
„Wort" außer der geschichtlichen Offenbarung in Jesus Christus
ausgeschlossen werden. Günther Kochs Versuch, durch
die Gleichsetzung von „Jesus Christus" und Logos die „Weite"
von Barmen nachzuweisen, überzeugt mich nicht.

Erlangen Paul Alt haus

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Colonat*. Die Kanzelsprache. Homiletische Plaudereien. Würzburg: Ech-
ter-Verlag 1949. 40 S. 8°. DM 1.20.

Hinter dem Namen „Colonat" verbirgt sich offenbar ein
gewiegter Homiletiker. Was er in dem Hefte darbietet, ist denn
ein gewichtiger Tractatus über die „Anschaulichkeit" der
Kanzelsprache, und dieser Tractatus selbst ist ein gutes Beispiel
der „Anschaulichkeit" überhaupt. Es ist jedem Prediger
nur zu wünschen, daß er den Lehrgang Colonats durchmache;
ja vielleicht könnte dieser Lehrgang auch einigen anderen
Reihen von Rednern ein Licht aufstecken. Die gute Rede ist
selten, trotz der vielen Redner und der vielen Reden.

Motto für Colonats Ausführungen könnte sein: „Der Begriff
enthält keine Wahrheit, er bezeichnet nur eine Wahrheit
"! Er ist „ein Backrezept", aber nicht Brot! Laß die Gemeinde
„nicht hören, sondern sehen". „Ein Sämann ging aus
und säte — Kapitelüberschriften aus der Dogmatik." Der
eigentliche Inhalt des Heftes ist eine erschöpfende Sammlung
der Ratschläge zur „Anschaulichkeit", immer interessant, oft
geradezu entzückend. Man wird auch (in Nebenpunkten)
Widerspruch erheben dürfen; z. B. was die Benützung der
Zeitung, der Tierfabel, oder was die Lenkung der Phantasie
anlangt — aber auch solcher Widerspruch kann Frucht
bringen. Bloß eine Gefahr, welche Colonat nennt, ist einfach
ausgeschlossen, und zwar durch die lateinische Grammatik,
nämlich, daß ein Prediger etwa „auf einer altrömischen
Rostra" zu stehen wähnte!

Bad Liebenzell Leonhard Fendt

Heilfurth, Gerhard: Jugend ohne Geborgenheit. Not und Hilfe. Ertrag

einer Studienkonferenz, hrsg. Berlin-Spandau: Wichern-Verlag 1951. 116 S.

8° = Friedewalder Beiträge zur sozialen Frage hrsg. v. G. Heilfurth, C. G.

Schweitzer, S. Wendt. H. 2. DM 2.80.

Ein Buch für die praktische Arbeit. Eine Menge grundsätzlicher
Erkenntnisse sozialer, soziologischer und psychologischer
Art, aus der Praxis gewonnen, wird dabei mitgeteilt.
Der Akzent liegt dabei auf dem Auftrag an der modernen
Jugend und ihrer Hinwendung zu Christus.

Das Heft enthält das Ergebnis einer Studienkonferenz
vom Februar 1951 in der Evangelischen Sozialschule Friede-