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Ausgabe:

1952 Nr. 7

Spalte:

426-427

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

The king's proceedings 1952

Rezensent:

Roth, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 7

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Stilling 1811 die Platostelle in seiner in Erweckungskreisen
weitverbreiteten Schrift „Der graue Mann" übersetzt und als
unbewußte Schilderung des wahren Erlösers bekannt gemacht
hat. Ob es nun wirklich möglich ist, von dieser Platostelle aus
das Verhältnis von hellenischer Antike und Christentum neu
zu sehen, möchte ich nicht entscheiden; daß es aber äußerst
dankenswert ist, daß Benz auf diesen Text aufmerksam gemacht
und seine älteste Geschichte in der Kirche aufgezeigt
hat, leidet keinen Zweifel. Wie geistesgeschichtlich die Schilderung
Piatos auch beurteilt werden mag — daß der Christ
nicht umhin kann, das Zusammentreffen dieses Bildes des verfolgten
Gerechten mit dem wirklichen Bild des gekreuzigten
Jesus als Zeichen einer wie immer zu deutenden inneren Beziehung
von griechischem Denken und christlicher Wahrheit
zu verstehen, ist ebenso sicher. Und es wäre zu wünschen, daß
der hier so glücklich angetönten Problematik weiter nachgegangen
würde.

An zwei Stellen dürfte dem Verf. ein Versehen unterlauten sein. S. 1063
weist er auf den Gedanken in Jak. 5, lOf. hin, daß die Propheten und Miob
Beispiele der xaxond&Eia seien, und fügt hinzu, daß diese Reihe bis auf die
Kreuzigung Jesu fortgeführt werde; es ist aber, wie alle modernen Kommentare
eindeutig feststellen, unmöglich, rd tsXo$ hvqIov in Jak. 5, 11 anders
denn als einen Hinweis auf das dem Hiob vom Herrn geschenkte Ziel zu deuten,
so daß hier vom „Ende des Herrn" im Sinne der Kreuzigung Jesu nicht die
Rede ist. — S. 1067ff. wird angegeben, daß der Märtyrer Apollonius mit dem
Platozitat ein Wort aus Sap. Sal. 2, 12 verbinde; dieselbe Verbindung finde
sich dann auch in dem Zitat des Clemens von Alexandrien, die messianische
Deutung des Spruches aus der Sapientia lasse sich über Justin auf den Barnabasbrief
zurückführen, der das Sapientiazitat mit Jes. 3, 9f. verbinde. Es ist
aber schwerlich nötig, Sap. 2, 12 hier überhaupt heranzuziehen; denn Sap. 2,
12a ist selber ein Zitat aus Jes. 3, 10 Septuaginta, und an allen angeführten
Stellen der Väter ist völlig eindeutig nur Jes. 3, 9f. angeführt. So richtig die
Beobachtung einer exegetischen Tradition ist, so sicher beruht sie nur auf der
Jesaiastelle. — Unter den Zahlen für die angeführten Bibelstellen haben sich
einige Fehler eingeschlichen, die ich nicht aufzähle.

Mainz Werner Georg Kümmel

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMA TIO VSZEIT

PÖhlein, Hubert, Dr.: Wolfgang Seidel 1492—1562. Benediktiner aus
Tegernsee, Prediger zu München. Sein Leben und sein Werk. München:
Zink 1951. XXVIII, 248 S., 10 Taf. gr. 8° - Münchener Theologische
Studien I. Hist. Abt. 2. Bd. DM 22.—.

Die Geschichtsforschung des 16. Jahrhunderts befaßte
sich viele Jahre vor allem mit dem Werk der Reformation,
deren Förderern und Vorkämpfern. Die Gegenseite blieb lange
Zeit unverdienterweise so ziemlich unbeachtet. Erst in den
letzten Jahrzehnten ist das Versäumnis einigermaßen nachgeholt
worden und auch ihren Vorkämpfern mehr Beachtung
geschenkt worden. In diese Reihe gehört die vorliegende fleißige
Studie. Sie ist um so wertvoller, als sie sich nicht mit den
prominenten Verteidigern des alten Glaubens beschäftigt,
sondern einen Einblick in das Denken und Wollen der großen
Masse ermöglicht.

Wolfgang Seidel war keine kämpferische Natur. Der Mann,
der einen weiten Blick und ein vielseitiges Interesse hatte —
man denke an seine astronomischen und naturwissenschaftlichen
Bestrebungen —, war mehr ein Mann der praktischen Betätigung
. Im Besitz einer gründlichen humanistischen Bildung
widmete er sich der Erziehung der jungen Mönche, der religiösen
und ethischen Bildung der Gemeinden sowohl wie der
Oberen. Man erkennt seine Treue, er muß im Auftrag der geistlichen
Obrigkeit sogar den großen Aktionen wie dem Konzil von
Trient beiwohnen, aber auch da bleibt er der treue Diener
seiner Auftraggeber, führend tritt er nicht hervor.

Sein Leben und sein Werk zu schildern hatte bisher nur
N. Paulus in einer kurzen Skizze unternommen. Und doch ist
gerade über ihn reichhaltiges Material vorhanden. Seinen reichhaltigen
Nachlaß birgt heutzutage die Münchener Staatsbibliothek
. Aber eben diese Reichhaltigkeit erschwerte gewissermaßen
die Aufgabe. Der Verf. gibt daher zunächst eine gedrängte
Darstellung seines Lebenslaufes. Geboren in Mauerkirchen
gewinnt auf ihn entscheidenden Einfluß Wolfgang
Mayer, Mönch in Aldersbach; nach Studien in Landshut und
Ingolstadt tritt er 1516 in den Benediktinerorden zu Tegernsee
ein, dem er bis zum Tode 1562 treu blieb. Dissidien im Kloster
zwingen ihn seine Tätigkeit auswärts zu entfalten. Er wird
Prediger vor allem in München, wird vom Bischof nach Trient
abgeordnet, lehrt kurze Zeit in Salzburg. In einem zweiten Teil
gibt uns nun der Verf. Einblick in sein Wirken und seine Persönlichkeit
. Er beschreibt seine astronomische und naturwissenschaftliche
, dann seine paränetische und homiletische Tätigkeit
. Dabei hat der Verf. nicht vergessen, die einschlägige
Literatur heranzuziehen. Er benützt sie im weitesten Umfange
, um das Lebensbild zu vervollständigen. Nur scheint er
die protestantische Literatur weniger zu kennen. Bei der Angabe
von Luthers Briefwechsel vermißt man den Hinweis auf die
Ausgabe von Enders bzw. W. A. Bei andern wäre - es handelt sich
nur um Kompilationen — auf die einschlägigen Werke zurückzugehen
gewesen — wohl nicht ohne Gewinn. (N 77) Zu Balthasar
Hubmaier s. den abschließenden Aufsatz von Leonh.
Theobald, Zeitschr. f. bayr. K.G., 16, 153ff. Neben den genauen
Übersichten über die archiv. Quellen verdienen die beiden
Werkkataloge besondere Beachtung. Eine besonders mühevolle
Arbeit. Das Register bezieht sich leider nicht auf die soviel
Stoff enthaltenden Anmerkungen. Den Abschluß bilden
10 sehr gut gelungene Abbildungen, die uns einen guten Einblick
in seine Schreibweise und seine mathematischen Arbeiten
geben.

Nürnberg Karl Schornbaum

Hughes, Philip: The Reformation in England. I. "The King's Procee-

dings". London: Hollis and Carter 1950. XXI, 404 S. 8°.

Verf. ist einer der recht fruchtbaren englischen Gelehrten
auf römisch-katholischer Seite. Mit dem Gebiet der Reformation
hat er sich bisher mehr oder minder eingehend beschäftigt
durch die Herausgabe von 'The Earliest Life of
St. John Fisher', London 1935, ferner im dritten und bislang
letzten Band seiner 'History of the Church', London 1947,
schließlich in dem gediegenen, neue Quellen aus der Vaticana
erschließenden Werk 'Rome and the Counter-Reformation in
England', London 1942. Nachdem er in diesem den Satz beherzigt
hat, den ihm einst Kardinal Ehrle sagte: .Wenn Sie
die Dinge erzählen, lassen Sie nichts aus und drucken Sie die
Dokumente voll ab, sonst werden Sie verantwortlich sein für
den noch größeren Anstoß,"dem antikatholischen Vorurteil
neue Nahrung gegeben zu haben, daß kein Katholik die Wahrheit
zu sagen wagt, wo katholische Interessen berührt werden'
a. a. O. S. 8), konnte man darauf gespannt sein, wie er das
reilich heiklere neue Thema meistern würde. Leider muß man
sagen, daß es auf den Kern gesehen nur ein Gesellenstück geworden
ist.

Das Buch schildert in solider, aus den Quellen schöpfender
, aber doch nicht eigentlich kritischer Darstellung die Ereignisse
der englischen Reformation von den Anfängen bis 1540.
Der Rest soll folgen. So umfassend das Material auch ausgebreitet
und durch Statistiken, Ubersichten und Abbildungen
veranschaulicht wird, es geschieht ohne eindringende Auseinandersetzung
mit der Literatur, die eben nur .herangezogen'
wird. Es fehlt dem Buch das Salz der forschenden und weiterführenden
kritischen Fragestellung. So ist es in der Tat "but
an outline history" geworden (S. 139), wenn es auch in seinen
drei Teilen eine Fülle von Einzelheiten zu einer satten Schilderung
der "English Scene 1517" (S. 1—106), der "Last Years
of Catholic England" (S. 107—191) und der 'King's Procee-
dings' (S. 193—369) vereinigt, wobei über zwei Drittel dieses
letzten Teiles sich mit der königlichen Suprematie befassen.

Wichtiger als die Verzeichnung der Einzelvorgänge ist des
Verf.s Bewertung der Reformation als solcher, weil daran
die Generallinie des Buches sichtbar wird. Und hier ist
zu bemerken, daß Verf. im Verständnis des Anliegens der
Reformation etwa hinter dem ihm unbekannten Lortz merklich
zurückbleibt. Seine These ist nicht, daß "Luthers dis-
covery", ihm unbewußt, im Grunde gut katholisch sei, sondern
"nothing less than catastrophic" (S. 122). Wie um der
Reformation gerecht zu werden, wird zugegeben, sie sei "a
reaction against decadence" gewesen und dann mit einer besonderen
Art von Scharfsinn daraus gefolgert, daß sie eben
dadurch "a part. . .a product of that decadence" geworden
sei (ib.). Noch bedauerlicher ist es, bei einem Verf. von bemerkenswerten
wissenschaftlichen Meriten feststellen zu müssen,
daß er wegen seines unzulänglichen theologischen Rüstzeuges
Luthers Rechtfertigungslehre hoffnungslos verzeichnet, Tyn-
dales Auffassung vom tätigen Glauben als eine Abweichung
von Luther entdeckt, bei Zwingiis Erbsündenlehre einen großen
Schnitzer macht und in andern Einzelheiten mehrere
kleine.

Von der Zeit der Reformation wird gesagt, sie sei "an age that is spiri-
tually very Sick indeed, and whose sickness seems not to be perceived by the
official physicians" (S. 122). Die logische Folgerung aus diesem Satz kann
nur lauten, daß es also die Reformatoren als die inoffiziellen Ärzte waren,

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