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Ausgabe:

1952 Nr. 7

Spalte:

420-422

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hartke, Werner

Titel/Untertitel:

Römische Kinderkaiser 1952

Rezensent:

Koch, Carl

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419

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 7

420

Jahrhundert später, um 1365 v. Chr., den Vorderen Orient
heimsuchende Erschütterung ist nach Ausweis des Ausgrabungsbefundes
syrischer und kleinasiatischer Stätten sicher
durch Erdbeben veranlaßt. Seit 1250 oder 1225 v. Chr. wird
dann der Vordere Orient wiederum von einer schweren Erschütterung
, dem „Seevölker-Sturm", betroffen, der die glänzende
Zivilisation der Bronzezeit endgültig vernichtet.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

KIRCHENGESCHICHTE: SPÄTANTIKE

Steidle, Wolf: Sueton und die antike Biographie. München: c. H. Beck
1951. VIII, 188 S. gr. 8° = Zetemata. Monographien zur klassischen Altertumswissenschaft
. In Gemeinschaft mit K-Büchner, H.Dahlmann, A.Heuß
hrsg. v. E. Burck u. H. Diller. H. 1. DM 16.—.

Daß es endlich gelungen ist, auf dem Gebiet der klassischen
Altertumswissenschaft wieder eine Schriftenreihe zu eröffnen
, kann den verdienstvollen Herausgebern (E. Burck und
H. Diller in Gemeinschaft mit K. Büchner, H. Dahlmann,
A. Heuß) nicht hoch genug angerechnet werden. Ihrer Initiative
ist es offenbar auch zu verdanken, daß die Notgemeinschaft
namhafte Druckkostenzuschüsse bewilligt; ohne die
großzügigste Unterstützung durch offizielle Stellen ist es einfach
heute immer noch fast unmöglich, die Ergebnisse wissenschaftlicher
Arbeit zu veröffentlichen und damit wieder an der
internationalen Diskussion der gelehrten Welt teilzunehmen.

Steidles Buch, mit dem die neue Reihe verheißungsvoll
beginnt, verdient in der Tat allgemeine Beachtung. Mit der
angezeigten Schrift wird uns der „erste in sich selbständige
Teil von Untersuchungen zur antiken Biographie" geboten,
der sich um eine angemessene Würdigung der „heutzutage
sehr gering eingeschätzten Leistung Suetons" mit Erfolg bemüht
. In der Einleitung umreißt der Verf. bereits die Position,
von der aus ein neues und, wie man wohl sagen darf, zutreffendes
Verständnis der Kaiserbiographien Suetons zvf gewinnen
ist. Die scharfsinnige und von sicherer Kenntnis der Quellen
und der modernen Literatur bestimmte Kritik an F. Leos
„bis heute maßgebender Betrachtung der griechisch-römischen
Biographie" darf geltend machen, daß von einer scharfen
Scheidung der einzelnen — unleugbar unter bestimmten Formgesetzen
stehenden — Gattungen nicht die Rede sein könne.
„Gerade die antike Geschichtsschreibung zeigt vielleicht am
besten, und schon vom Beginn ihrer Existenz an, daß die verschiedensten
Formen, Tendenzen, Gehalte und Stile unter
demselben Namen Geschichtsschreibung gehen können."
Wenn St. verlangt, daß auch Sueton, in dem man nicht einfach
einen antiquarischen Sammler erblicken dürfe, aus der
eigenen geschichtlichen Situation heraus in seiner Eigenart bewertet
werden müsse, knüpft er an einen schon von D. R.
Stuart in seinem Buch „Epochs of Greek and Roman Biographie
" (Sather Lectures 4, 1928) unternommenen Versuch
an, „eine Einwirkung der römischen Tradition, insbesondere
des Elogium und der Laudatio funebris zu erweisen". DieKap.I
und II bringen in eingehenden und sehr ausführlichen Interpretationen
der einzelnen Viten, vor allem derjenigen Caesars,
den Beweis, daß auch „bei Sueton gestaltende und charakterisierende
Absichten vorhanden sind; — Sueton will nicht
durch Reflexionen und allgemeine Aspekte, wie sie Plutarch
liebt, sondern allein durch die Gestaltung des Faktischen
wirken". Der Autor braucht sich um so weniger um eine
streng chronologische Ordnung zu kümmern, als er bei den
römischen Lesern eine allgemeine Kenntnis der Geschichte in
ihren Grundzügen wenigstens voraussetzen darf. Die Gliederung
nach sachlichen Gesichtspunkten darf sich an eine Tradition
anlehnen, die uns in den Leichen- und Festreden sowohl
wie in den Ehreninschriften faßbar ist: das römische
Interesse gilt eben „nicht in erster Linie dem Menschen an
sich oder seinen Aretai, sondern vielmehr der politischen und
militärischen Laufbahn und Rangstufe". Von diesen beinahe
selbstverständlichen, aber vor allem wohl für den an den
literarischen Gattungsformen interessierten Philologen entscheidenden
Beobachtung gelingt dem Verf. (im Kap. III) die
„historische Einordnung" des suetonischen Werks in die
römische Erlebniswelt, in der die Familientradition, der cursus
honorum, die Angleichung an die exempla maiorum, die Eingliederung
des Einzelnen, besonders der im politischen Leben
stehenden Persönlichkeit, in das feste Gefüge der allgemeingültigen
Normen eine so bedeutsame Rolle spielen. „Zugespitzt
formuliert könnte man sagen: Suetons Originalität
beruht auf seinem Römertum, während sie da, wo Leo sie

suchte, in der Disposition nicht zu finden ist"; in der Disposition
konnte Sueton unleugbar auf einen großen Vorrat fester
Gestaltungsprinzipien zurückgreifen, die bereits in der hellenistischen
Historiographie entwickelt worden sind; diese sind
aber nur „Hilfsmittel, die das Schaffen erleichtern, keine Gesetze
, von deren Innehaltung die literarische Artung und Beurteilung
des Werks abhängig ist".

Steidles mutiger und wohl gelungener Versuch, die Philologen
von dem „fast unheimlichen Eindruck der Umklammerung
durch Leos Argumente" (Theiler, Gnomon 1929, 286) zu
befreien, eröffnet auch den Historikern, die bisher vielleicht
allzu pragmatisch an der Materialsammlung interessiert waren,
neue Perspektiven; ja der Historiker ist geradezu aufgefordert,
die dargebotenen Anregungen zu erweitern und zu vertiefen.
Sobald man sich von Steidle, der Ausdruck möge erlaubt sein,
den Star stechen läßt, erkennt man in ungetrübter Klarheit,
wie unhaltbar die moderne Auffassung ist, sofern sie glaubt,
es komme Sueton nur auf eine äußerliche, mechanische Ordnung
von Fragmenten an, als ob er nur Züge zu einem Bild,
aber kein Bild zeichnen wolle. Es würde zu weit führen, wenn
man hier auf Einzelnes näher eingehen möchte, um an manchem
Beispiel noch eindringlicher, als der Verf. es selbst tut,
die einheitliche Grundauffassung nachzuweisen, von der aus
das Bild eines jeden Kaisers gestaltet ist (man denke nur an
die Einleitungskapitel der Tiberius-Vita mit ihren für das Verständnis
des Herrschers ungemein charakteristischen Szenen
aus dem Leben seiner claudischen Vorfahren). Die einheitliche
Grundauffassung ist aber auch im Gesamtwerk, in der Beurteilung
des Prinzipats und seiner machtpolitischen, soziologischen
, ideologischen Voraussetzungen sowie seiner historischen
Entwicklung greifbar; es wäre gewiß eine lohnende
Aufgabe, wenn man Sueton neben Tacitus und den jüngeren
Plinius stellen und vergleichen wollte, wie diese drei Zeitgenossen
der traianischen temporum felicitas, des beatior
laetiorque rei publicae Status den Principat und seine Repräsentanten
beurteilt haben. Es kann nicht als abschwächende
Kritik an Steidles bahnbrechendem Werk aufgefaßt werden,
wenn behauptet wird, daß diese Aufgabe nur in engster Verbindung
von Philologie und Historie zu meistern ist. Wenn vor
kurzem Fr. Altheim (Lit. u. Gesellschaft im ausg. Altertum I,
1948, S. 5) besorgt darauf hinwies, daß „gerade die Altertumswissenschaft
die Neigung habe, sich zusehends in ein verfeinertes
Spiel zu verwandeln, das — zuletzt Selbstzweck zu
werden scheint", so darf getrost bemerkt werden, daß es
Steidle gelungen ist, „die allzueng gewordenen Grenzen" der
formalen Literaturkritik aufzustoßen und zu umfassenderer
Sicht zu gelangen.

Erlangen Johannes Straub

Hartke, Werner, Prof. Dr.: Römische Kinderkaiser. Eine Strukturanalyse
römischen Denkens und Daseins. Berlin: Akademie-Verlag 1951. XI,
487 S. gr. 8°. DM 49.—; geb. DM 52.—.

Wer an Eduard Nordens Arbeits- und Darstellungsweise
Gefallen hatte, wer bereit war, ihm zu folgen, wenn er mit profunder
Gelehrsamkeit, Observationen über Observationen einholend
, seinen Gegenstand umkreiste, dem Minutiös-Sprachlichen
genau so zugetan wie den umfassendsten Denk- und
Formstrukturen, jeder Disziplin und jedem Buch, jedem
Freunde, Kollegen und Schüler, der einen Gedanken beisteuerte
, dankbar verbunden, ungezählte Anregungen austeilend
, Material für die verschiedensten Themen bereitstellend,
den Blick stets gerichtet auf die lebendige Zusammenarbeit
der Altertumskunde, wem solche Methode etwas bedeutete, der
wird auch diesem Buch, das sein Vorbild weder verleugnen kann
noch will, Beachtung schenken und über das Thematisch-Althistorische
hinaus in ihm eine Fundgrube für Philologica entdecken
, die die Latinistik im ganzen, weiterhin die allgemeine
Religions- und Geistesgeschichte angehen. Der Gegenstand ist
in H.s Forschung nicht neu. Bereits 1940 unternahm er in dem
Buch „Geschichte und Politik im spätantiken Rom" (Klio
N. F. Beiheft 32) den Nachweis, die unter dem Namen Historia
Augusta laufende, als Werk von sechs verschiedenen Verfassern
aus der diokletianisch-konstantinischen Zeit sich gebende,
aber seit einem Menschenalter als tendenziöses, mit Fälschungen
gespicktes Elaborat eines Einzelnen aus späterer Zeit entlarvte
Kaisergeschichte in Biographien (Hadrian bis Carus)
sei ein Erzeugnis des jüngeren Nicomachus Flavianus aus dem
letzten Viertel des Jahres 394 n. Chr. und dazu bestimmt gewesen
, den Kaiser Theodosius I. nach seinem Sieg über den
letzten heidnischen Usurpator Eugenius zu einer milden, womöglich
toleranten Haltung gegenüber den Altgläubigen zu
bewegen. Die neue Arbeit bildet eine Verteidigung dieses Zeit-