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Ausgabe:

1952 Nr. 6

Spalte:

366-367

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Petzelt, Alfred

Titel/Untertitel:

Grundfragen des akademischen Studiums 1952

Rezensent:

Köhler, Hans

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865

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 6

366

theologischen Diskussion besteht unter den knapp umrissenen
Umständen mehr in dem Aufweis, wie schwer es ist, Barth
in die Kategorien römisch-katholischer Theologie einleuchtend
einzuordnen, als in einer inhaltreichen Weiterführung.

Göttingen Otto Weber

Mitterer, Albert, Prof. Dr.: Die Zeugung der Organismen, insbesondere

des Menschen. Nach dem Weltbild des hl. Thomas von Aquin und dem der
Gegenwart. Wien: Herder 1947. 240 S., 17 Abb. gr. 8°. Hlw. DM 15.—.

Der Verfasser darf für sich das große Verdienst in Anspruch
nehmen, mit großem Nachdruck auf den Unterschied
zwischen dem Weltbild des hl. Thomas von Aquin und dem
heutigen hingewiesen zu haben. Seit bald 20 Jahren hat er die
verschiedensten hier in Frage kommenden Probleme behandelt
. Dabei ist sein Anliegen das, ob und inwieweit die Ergebnisse
des Aquinaten noch neben denjenigen der exakten Naturforschung
der heutigen Zeit bestehen können. Ist es so, daß
Thomas nur weniger weiß als die Heutigen, und dieses wenige
richtig ist, oder ist es so, daß ihn die Ergebnisse der heutigen
Zeit des Irrtums überführen ?

Um hier zu einem gesicherten Urteil zu kommen, ist nicht
bloß der eine oder andere Ausspruch des heiligen Thomas,
sondern sein ganzes Weltbild zu prüfen. Im vorliegenden Werk
untersucht nun der wirklich kompetente Verf. die Lehre des
Aquinaten nach der Erzeugungs- bzw. Entwicklungsgeschichte
des Menschen im Rahmen des allgemeinen Weltbildes, von
dem sie ein Ausschnitt ist, aber auch auf dem Hintergrund
der Entwicklungsgeschichte der Organismen. Dabei findet er,
daß z.B. der Entwicklungsgedanke bei Thomas, der eine Erzeugung
der Organismen bloß durch äußere Ursachen kennt,
keinen Raum hat. Aber dies ist nur eines von den vielen Problemen
, die angefaßt werden.

Verf. sieht die heutige Naturphilosophie vor Aufgaben
gestellt, die sich nicht mehr mit Hilfe der thomistischen Lehre
bewältigen lassen. Das Buch selber aber weist auch den Historikern
die Aufgabe zu, zu erforschen, wie denn das Weltbild
des hl. Thomas entstanden ist und wie man es bis heute innerhalb
der Scholastik weiterentwickelt bzw. mit den Ergebnissen
der neueren Naturforschung in Einklang zu bringen versucht
hat. Man wird dann auch sehen, daß Thomas trotz der Mängel,
die wir Heutigen an semer Lehre sehen, doch mit großer Geisteskraft
das Wissen des 13. Jahrhunderts zu einem staunenswert
einheitlichen Weltbild zusammenzufassen verstanden hat.

Bamberg A.M.Landgraf

Grabs, Rudolf: Sinngebung des Lebens. Aus Geist und Gedankenwelt
Albert Schweitzers. Hamburg: Richard Meiner [1950]. 157 S, 1 Titelb. 8°.
Lw. DM 7.50.

Es sei verwiesen auf meine Anzeige in ThLZ 1951, Sp. 171.
In ihr war der Name von Grabs bereits mehrfach genannt
worden. Das nunmehr vorliegende Buch desselben Autors
stellt eine Art systematischen Durchblicks durch die Philosophie
Schweitzers dar, wobei sich Gr. fast total auf dem Standpunkt
seines „Helden" befindet. Kritik wird beinahe gar nicht
geübt, auch da nicht, wo sie unvermeidlich zu sein scheint;
so z.B. bei der unzulänglichen Würdigung Kants (S.74), der
Uberschätzung Nietzsches (S. 79), der Ignorierung des philosophischen
Sozialismus (S. 131 u.ö.). Anderseits ist die Darstellung
nicht frei von Überspitzungen, so wenn mehr eindrücklich
als richtig postuliert wird: „Der Gegentypus zu
Barth ist Schweitzer" (S. 40). Die Herausarbeitung der Kerngedanken
Schweitzers dagegen gelingt vorzüglich; alles kreist
um die Grundthese: „Zwei Begriffe sind bestimmend für die
Gesamtphilosophie Schweitzers": das denknotwendige absolute
Grundprinzip des Sittlichen und der Begriff der Ehrfurcht
vor dem Leben (S. 108). Besonders fein ist die Bloßlegung der
Fäden, die bei Schweitzer zwischen Religion und Theologie
einerseits und philosophischer Ethik anderseits hin und her
gehen. Man möchte nur wünschen, daß namentlich die theologische
Jugend sich mit diesen tiefdringenden Erwägungen
recht gründlich beschäftige.

Zwei Einzelheiten zum Schluß! Das Buch ist geschmückt
mit ehier Wiedergabe des Schweitzer-Reliefs, das der damals
80jährige Louis Mayer geschaffen hat. — Die in Theologen-
k'reisen sehr beliebte Ableitung des Wortes „Sünde" von dem
Verbum „sondern" (S. 63) sollte endlich einmal verschwinden;
sie ist germanistisch unhaltbar.

Potsdam Hans Schlemmer

STUDIENFRAGEN

Kegel, Martin, Lic. Dr.: Das Studium der evangelischen Theologie und

die theologischen Prüfungen. Ratschläge und Winke. Berlin: Christi.
Zeitschriftenverlag [1951]. 47 S. 8°. Kart. DM 1.60.

Oberkonsistorialrat Lic. Dr. Kegel ist seit Jahrzehnten
hi Berlin-Brandenburg als ein selbständiger Theologe und als
ein Freund und Berater (freilich auch Examinator!) der Aspiranten
des evangelischen Pfarramts rühmlich bekannt. Wenn
er nun auf 47 Seiten „Ratschläge und Winke" sowohl für das
Theologiestudium als auch für die theologischen Examina als
auch für das Lehrvikariat gibt, so hat das als Summa seiner
langen Erfahrung und als sein in Jahrzehnten gereiftes pädagogisches
und theologisches Urteil Anspruch auf extensive und
intensive Beachtung. Das gilt besonders von der Einleitung und
dem I. Teil (die theologischen Einzelfächer betreffend), da der
II. Teil (Examina)rite an die vorhandenen Kirchengesetze erinnern
muß. In diesem interessanten I. Teil beschränkt sich
Kegel absichtlich auf kurz angebundene Hinweise; aber 1. sind
diese Hinweise zielsicher, und 2. wirkt gerade ihre Kürze
monumental, 3. aber wird so die bei noch näherem Eingehen
sicher zu erwartende Polemik der „Richtungen" abgebogen.
Was jetzt dasteht, steht für alle da. So bleibt zu hoffen, daß
das Kegeische Heft jedem angehenden stud. theol. von
seinem Pfarrer oder seinem Superintendenten gratis ausgehändigt
wird, kraft der „speziellen Seelsorge" an Theologiestudenten
. Sie kommen ja frisch aus dem Umkreis der Aporie:
,,Wozu heute Theologie studieren ?''

Eine Frage bedrängt den Rezensenten: Warum findet sich In dem Kegel-
schen Heft für die Praktische Theologie kein so kurzangebundener und
monumentaler Hinweis wie für die übrigen theologischen Fächer? Ist ein
solcher hier vielleicht gar nicht möglich, so daß man nur auf gute Bücher
anderer verweisen kann? Oder aber interessiert man sich kirchenamtlich mehr
für die „Praxis", etwa noch für „Einübung der Praxis", als für Praktische
Theologie? Nun: kein angehender stud. theol. (er sei denn von vornherein
darauf aus, ein Gelehrter zu werden!) weiß normalerweise, wozu man plötzlich
alle diese theologischen Fächer auf ihn losläßtl Böte man ihm zuvörderst
Praktische Theologie (aber Praktische Theologie, nicht eine ihrer Töchter
wie Homiletik, Katechetik usw.!), so verstünde es diese Praktische Theologie,
dem Neuling den schlüssigen Beweis zu geben für die sachliche Notwendigkeit
der theologischen Einzelfächer auf die vom stud. theol. erstrebte kommende
Praxis hin, und in ihm das vitale Verlangen nach diesen Einzelfächern zu erwecken
. So erreichte man den Hügel, auf welchem gilt: Pectus est, quod facit
theologum, non ratio studiorum. Eine solche ratio studiorum ist nämlich auch
unseres großen Schleiermacher „Enzyklopädie", in welcher die Praktische
Theologie als „die Krone des theologischen Studiums" erscheint. Wir aber
reden hier von Pädagogik! Darum ist u.isere Forderung einer Anfangsstellung
der Praktischen Theologie keine Instanz gegen die These von der „Krone
des theologischen Studiums". (Die Paladine dieser „Krone" müßten bloß auch
Schleiermachers Einteilung der Theologie sonst haben!) Pädagogisch ist aber
klar: Der stud. theol. hat bisher die Praxis der Kirche mitgemacht, nicht die
Theologie, und er will ein Amt in der kirchlichen Praxis — so deute ihm Praktische
Theologie diese ihm bekannte Praxis theologisch (vom Bibellesen bis
zum Casuale) und demonstriere ihm so die für alle kirchliche Praxis sich
praktisch ergebende Notwendigkeit des ganzen verwickelten theologischen
Studiums! In dieser Weise könnte auch die Philosophie (aber nicht bloß die
Geschichte der Philosophie), auch die Pädagogik (aber nicht bloß die Geschichte
der Pädagogik) als Forderung der kirchlichen Praxis ebenso einleuchtend
gemacht werden, wie anderseits Missionswissenschaft, Kirchenrechtswissenschaft
, Studium der kirchlichen Kunst, auch des Pressewesens — um
des künftigen praktischen Amtes willen! Kegel hat hier zweifellos Gedanken
und Pläne, die er in einer sicherlich kommenden 2. Auflage de scrinio pectoris
sui hervorholen und ausbreiten wolle.

Bad Liebenzell Leonhard Fendt

Petzelt, Alfred: Grundfragen des akademischen Studiums. Münster:

Aschendorff 1951. 38 S. 8°. = Schriften der Gesellschaft zur Förderung der
westfälischen Landesuniversität Münster. H. 28. Kart. DM 1.20.

Die Schrift ist der Niederschlag eines Vortrags, den Petzelt
am 17.11.1950 gehalten hat. Sie besitzt den großen Vorzug,
daß P. sich nicht allein mit der innerhalb der Hochschulen viel
diskutierten Frage des Studium generale befaßt, sondern daß
er dieses Thema zu einer Erörterung über das Problem wissenschaftlicher
Bildung überhaupt ausweitet.

Es geht ihm zuerst darum, eine unsachgemäße Vermengung der einzelnen
Fachgebiete auszuschalten. Nicht das ist Allgemeinbildung, daß man
aus jeder Disziplin einiges oberflächliche Wissen sammelt, sondern das, daß man
»ich gründlich in die einzelnen Sachgebiete vertieft. Diese Vertiefung wird
uns dann von der Sache der Wissenschaft selbst her deutlich werden lassen,