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Ausgabe:

1952

Spalte:

363

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Grundriss der Dogmatik 1952

Rezensent:

Doerne, Martin

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863

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 6

nur wünschen, daß es bei diesem einen Versuch nicht bleibt.
Schließlich kann man nicht alle Sprachen beherrschen und
unser einer muß für jede gute Ubersetzung dankbar sein, besonders
wenn sie mit den Arbeiten eines Landes bekannt
macht, wo byzantinische Studien seit langem gepflegt werden.
Es handelt sich hier um den byzanthiischen „Nomos georgi-
kos", der sich mit dem Grundbesitz der Kleinbauern befaßt.
Der Verf. schreibt diese Gesetzsammlung mit Recht nicht Ju-
stiniaull. zu, sondern setzt sie ins spätere 8. Jahrhundert.
Während aber z.B. Dölger (Festschrift Wenger 2, 1945, 46L)
darin eine private, auf dem Codex iuris Justinianl. und bäuerlichen
Gewohnheiten beruhende Kompilation sieht, die rem
griechische Zustände widerspiegle, will L. darin ehie Kodifikation
slavischen Gewohnheitsrechts (Mir) erblicken, ohne
byzantinische Beimengungen ganz auszuschließen. Wie die
reichhaltige neue Literatur zu diesem Thema zeigt — auf die
L. leider nicht eingeht — liegen die Dinge aber nicht so ganz
einfach. Die Ubersetzung von E. Langer ist flüssig und sachverständig
, gelegentliche Akzent- und Druckfehler griechischer
Worte kann der Leser leicht selbst verbessern. Willkommen
ist die durch Abbildungen ergänzte Beschreibung des by-
zantischen Ackergeräts.

Güttingen A.M.Schneider

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Alt haus, Paul: Grundriß der Dogmatik. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt
[1951]. (Lizenzausgabe der 3. Aufl. des C. Bertelsmann Verlages, Gütersloh
). 276 S. 8° = Grundrisse zur evang. Theologie, hrsg. v. P. Althaus,
F. Baumgärtel, C. H. Ratschow. Hlw. DM 8.70.

Die 3. Auflage dieses Buches, mit dem P. Althaus der
theologischen Lehre, in erster Linie an unseren Fakultäten,
einen seit zwanzig Jahren erprobten unersetzbaren Dienst geleistet
hat, wurde von uns mit der großen Dogmatik des Autors
(Die christliche Wahrheit, 2 Bde.) gemeinsam in dieser Zeitschrift
1949, Sp. 449—458, besprochen. Die zu unserer Freude
jetzt vorliegende Lizenzausgabe für die DDR faßt die beiden
Teile des „Grundrisses", die Grundlegung (I) und die siebenteilige
spezielle Dogmatik (II) ansprechend in einem Bande zusammen
. — A.s „Grundriß" behält neben seiner „Christlichen
Wahrheit" unvermindert selbständiges Gewicht, für den Studenten
schon dank der ausgezeichneten, zwischen Ubermaß
und Kargheit die rechte Mitte haltenden Literaturangaben und
die durchlaufende lehrgeschichtliche Orientierung, darüber
hinaus, wie wir meinen, auch sachlich dank der stärkeren Betonung
des „apologetischen" Horizontes der Dogmatik in der
Komposition des I. Teiles.

Sagen wir es deutlich: wer nicht zufrieden sein sollte, daß
Althaus' „Grundriß" heute für die theologische Jugend das
Elementar- und Normalbuch des dogmatischen Studiums ist,
der müßte auf gleich begrenztem Räume schon Gleichwertiges
zu bieten haben, sowohl an umfassender sachlicher Bestandsaufnahme
wie an Exaktheit und Durchsichtigkeit der eigenen
Positionsbestimmung. Ein solcher Autor scheint nicht so bald
kommen zu sollen. Dies alles ist mit doppeltem Nachdruck
geltend zu machen, solange eine für die heutige Lage irgend
taugliche Neugestaltung des alten Luthardtschen Kompendiums
und des Nitzsch-Stephanschen Lehrbuches der Dogmatik
fehlt.

Rostock Martin Doerne

Hamer, Jeröme, O.P.: Karl Barth. L'Occasionalisme th£ologique de Karl
Barth. Etüde sur sa m6thode dogmatique. Paris: Desclee de Brouwer
[1949]. 297 S. gr. 8°.

Monographien über Karl Barth sind in jüngster Zeit mehr
und mehr, so scheint es, zu einer Prärogative römisch-katholischer
Theologie geworden: seit 1945 folgt hier, bis hin zu der
neuesten großen Arbeit von Hans Urs von Balthasar, eine bedeutende
Veröffentlichung auf die andere, während auf evangelischer
Seite vielfach ein bemerkenswertes Schweigen
herrscht, das zumeist schwerlich ein Einverständnis und ganz
gewiß nicht einen erreichten Abschluß der Diskussion bekundet
. Wenn die vorliegende Auseinandersetzung mit Barth
den Satz enthält, Barths Werk „eröffne für die protestantische
Theologie eine neue Periode" (S. 234), so werden nicht
wenige evangelische Zeitgenossen diesem Urteil nur widerwillig
ihr Ohr leihen. Aber der kontrovers-theologische Gegner
hört hier wie anderwärts genauer, und schon die Tatsache der

sorgfältigen Aufmerksamkeit, die Barth von römisch-katholischer
Seite zugewendet wird, könnte auf der evangelischen
vor der Täuschung warnen, als ließe sich Barths Theologie mit
dem verbreiteten altum silentium übergehen. Ja, es könnte"
vielleicht die Gestalt des Nein, die von der römisch-katholischen
Seite her sich abzeichnet, manches scheinbar evangelische
Nein als ein in Wahrheit römisch-katholisches erkennbar
machen, aber auch manches gar zu unbefangene Ja
fruchtbar in Frage stellen.

Der Verf. des vorliegenden Buches sagt in der Tat nein.
Man wird auch nicht leugnen können, daß er dies in der von
seinem Standort aus sachgemäßen Richtung tut. Für ihn ist
Barths Lehre von der Aktualität und Nichtkontinuierlichkcit
des Wortes Gottes, Barths Ablehnung der analogia entis und
einer darauf aufbauenden natürlichen Theologie „Okkasiona-
lismus", unzulässige Reduktion der Offenbarung auf das hie
et nunc, auf den „Augenblick", damit aber auf das sich selber
überlassene Subjekt und damit letztlich Leugnung wirklicher
Offenbarung, Rückgang auf das alte credo quia absurdum,
Verweisung der Offenbarung in das schlechthinnige Geheimnis
bzw. in das alles umgreifende Paradox. Die so gekennzeichnete
Position Barths führt er auf Kierkegaard zurück; nur sei
es so, daß bei diesem der Hegeischen Philosophie zugleich
mit dem Paradox em pietistisches Erbstück, nämlich die
„mystische Intuition", entgegengesetzt werde (S. 210), während
bei Barth nur das Paradox übrig bleibe, damit aber eine
mittelbare Wiederannäherung an Hegel eintrete ^S. 212).

Bei aller sorgsamen Bemühung des Verf.s, Barths Gedankenwelt
richtig in den Blick zu bekommen, muß die Frage,
ob ihm das gelungen ist, doch im wesentlichen verneint werden
. Man braucht zum Vergleich nur die neue Arbeit von
Hans Urs von Balthasar (Karl Barth, Darstellung und Deutung
seiner Theologie, 1951) zur Hand zu nehmen, um zu bemerken
, daß auch die Kontroverstheologie inzwischen eine
andere und richtigere Sicht der Position Barths gewonnen hat,
als sie Hamer gelungen ist. Hamer sieht Barth wesentlich
dualistisch. Das könnte bis zu einem gewissen Maße daraus
erklärt werden, daß ihm die Bände III, 3 und III, 4 der
Kirchlichen Dogmatik noch nicht vorlagen und er aus dem
ihm bekannten Material fast ausschließlich I, 1 und I, 2 heranzieht
. Der eigentliche Grund dürfte jedoch darin liegen, daß
Hamer nur die Alternative Kontinuität oder Dualismus
kennt und deshalb das Verhältnis zwischen Gott und Mensch
ausschließlich unter outologischen Kategorien zu sehen vermag
. Dadurch entgeht es ihm, daß Barth in Wahrheit
christologisch denkt und eben im Blick auf Jesus Christus jene
Alternative nicht gelten läßt. Es ist ihm aus dem gleichen
Grunde entgangen, welche ausschlaggebende Bedeutung der
Gedanke des „Bundes" bei Barth gewonnen hat und wie
nachdrücklich er von da aus jenen Dualismus überwindet, den
man einstmals bei ihm zu finden glaubte. Mau wirft heute bekanntlich
Barth eher das Gegenteil dessen vor, was Hamer
bei ihm findet, nämlich einen christologisch begründeten
Monismus. Das ist nun gewiß ebenfalls ein Mißverständnis,
aber es beleuchtet die seit 1938 sich ankündigende Veränderung
der Lage. Bekanntlich hat Barth auch dem Begriff der
Analogie inzwischen erheblichen Raum gegeben (analogia
relationis, analogia operationis) — von einem Dualismus kann
man jetzt wirklich in keinem Sinne mehr sprechen, und das
credo quia absurdum ist wahrlich keine These Barths. Auch
die Ableitung der Position Barths aus derjenigen Kierkegaards
ist mehr als problematisch. Hamer selbst hebt verwundert
hervor, wie selten Kierkegaard in der Kirchlichen Dogmatik
zitiert ist. Er meint, Barth sei durch die „eindringende Studie"
von Th. Siegfried zur Vorsicht veranlaßt worden, ist aber, wie
sich dann weiter (S. 174ff.) zeigt, völlig unzugänglich für die
Einsicht, daß die vorher gelegentlich auftretenden Berührungen
mit dem großen Dänen inzwischen einer neuen
Grundkonzeption erlegen sind.

Auf Einzelheiten kann hier nicht weiter eingegangen werden
. Nicht selten wundert man sich, Begriffe scharf betont
zu finden, die bei Barth keine beherrschende Rolle spielen (so
z. B. den der fiducia). Andererseits fehlt, wie erwähnt, der
entsprechende Hinweis auf die mehr und mehr tragenden Elemente
des Barthschen „Systems". Dagegen ist es wichtig und
gerechtfertigt, Barth nicht nur mit den Reformatoren zu konfrontieren
, sondern im gleichen Maße mit der nachkautischen
Theologie; die Analyse der letzteren ist Hamer übrigens beträchtlich
besser gelungen als die Kennzeichnung der reformatorischen
Position.

Der Ertrag dieser sorgfältigen, kenntnisreichen und offenbar
von bestem Willen getragenen Arbeit zur kontrovers-