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Ausgabe:

1952

Spalte:

362-363

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lipšic, Elena Ė.

Titel/Untertitel:

Byzanz und die Slaven 1952

Rezensent:

Schneider, Alfons Maria

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 6

362

lieiten abzuleiten (S. 71). Diese ,,Glaubenstheologie" Favaro-
nis deckt sich mit dem damals herrschenden Theologiebegriff.
Da Favaroni einerseits an dem strengen Aristotelischen Wissenschaftsbegriff
festhält, andererseits sowohl die Existenz
eines besonderen ,,Theologenlichtes", das Heinrich von Gent
und Hugolin von Orvieto annahmen (S. 66ff.), als auch die
Subalternationstheorie eines Thomas von Aquin und Aegidius
von Rom ablehnte (S. 57ff ), so kann seine Folgerung nur
lauten: Die auf dem Glauben auf ruhende Theologie ist keine
Wissenschaft; sie bietet zwar Sicherheit, aber keine Einsicht,
sie bleibt im Bereich des Glaubens — Glauben als Inevidenz
verstanden — und ist somit selbst „nur Glaube, sola fides"
(S.53f)-

Daneben gibt es aber nach Favaroni eine wissenschaftliche
Theologie, welche die Erfüllung und Vollendung des Glaubens
bedeutet. Sie baut nicht auf dem Glauben auf. Sie bedarf der
Offenbarungswahrheiten nicht, oder nur als Anregung und
Hilfsmittel (S. 53); denn sie kann „per rationes evidentes tarnen
auctoritate sacrae scripturae seclusa" die innere Einsicht
von den geoffenbarten Wahrheiten, auch von den Prinzipien
des Glaubens erreichen. Diese Theologie ist Wissenschaft im
eigentlichen Sinn; sie steht an innerer Einsichtigkeit zwar der
Mathematik, nicht aber der Philosophie nach (S. 48ff.). Favaroni
hat damit die Theologie rationalisiert. In der Zurückweisung
der skeptischen Reserve Hugolins gegen die Philosophie
, besonders die Philosophie des Aristoteles, geht er so weit,
daß er die Selbstgenügsamkeit der Metaphysik in den religiösen
und theologischen Fragen vertritt: „Theologie und Philosophie
stehen sich bei der Erfassung des Wahren, sei es des
verum incomplexum oder complexum, selbst in der Erfassung
des ersten Seins und der ersten Wahrheit, d.h. Gottes, völlig
ebenbürtig gegenüber" (S. 152). Nur den Weg zum letzten
Ziel, das Leben der Tugend, vermag die Metaphysik nicht mehr
zu zeigen, aber mehr deswegen, weil sie selbst nur theoretische,
keine praktischen Ziele verfolgt (S. 174ff.).

Augustinus Favaroni vertritt also einen ausgesprochenen
Rationalismus. An dieser Tatsache ist nicht zu rütteln. Alle
Abschwächungsversuche Friemels versagen. Es handelt sich
nicht um übersteigerte Formulierungen, die der Anregung der
Diskussion dienen sollen (S. 52), nicht um eine Art von früh-
scholastischem Optimismus (S. 53), nicht bloß um ein „Gegengewicht
zu dem zersetzenden Einfluß der skeptischen Tendenzen
seiner Zeit" (S. 74, 200), nicht zunächst um eine ungenügende
Berücksichtigung der Schwerfälligkeit des erbsündlich
belasteten menschlichen Verstandes (S. 74, 191), sondern es
handelt sich, wie Friemel selbst eindeutig feststellt, um eine
volle Verkennung der wesentlichen Bedeutung der Glaubensgrundlage
für die Theologie, um vollen theologischen Rationalismus
, der um so auffallender ist, als rationalistische Tendenzen
im 14. Jahrhundert nur vereinzelt (etwa bei Robert Eli-
phat) zutage treten. Favaroni hat preisgegeben, was die theologische
Prinzipienlehre der Scholastik seit Wilhelm von Au-
xerre und Thomas von Aquin erarbeitet hatte, und man hat
den Eindruck, daß er die Tragweite seiner Thesen gar nicht
ahnt. Wenn Friemel von „Eigenwilligkeit" und „Unausgeglichenheit
" seines Autors spricht, so ist das richtig, aber doch
das Eingeständnis, daß eine andere Erklärung nicht zu finden
ist. Warum geht Favaroni nicht auf die bei Hugolin gegebenen
aktuelleren Probleme ein, warum seine veraltete Problemstellung
? War die Problematik der theologischen Einleitungsfragen
in Bologna noch nicht so weit gediehen wie an den Universitäten
von Paris, Prag oder Wien ? Man hätte gerne vom
Verf. Antwort auf solche Fragen entgegengenommen und dafür
auf manche allgemein gehaltene, meist nur von Zumkeller
übernommene problemgeschichtliche Rückblicke und auf die
weitausgreifenden, zusammenhanglosen Literaturhinweise verzichtet
. Dankbar dagegen muß man es begrüßen, daß der Verf.
in den Anmerkungen eine reiche Auswahl von Textbelegen geboten
hat, die die Nachprüfung, gelegentlich auch eine Präzisierung
seiner Ausführungen ermöglichen und anderen Forschungsarbeiten
zugute kommen werden.

Bonn A. Lang

Fuchs, Josef.- Die Sexualethik des heiligen Thomas von Aquin. Köln:

Bachem 1949. 328 S. 8°. Hlw. DM9.20.

Das mit hervorragender Sachkenntnis und Beherrschung
aller Probleme gearbeitete Werk, das übrigens der Verlag in
sehr handlicher Form herausgebracht hat, gibt endlich einmal
einen Einblick in die Sexualethik desjenigen mittelalterlichen
Theologen, dessen Lehre bis heute noch nachwirkt. Wo man
früher nur den einen oder anderen Punkt behandelt hat und

dabei stets in Gefahr schwebte, außerhalb des Zusammenhanges
mit dem tatsächlich geschlossenen Gesamtsystem zu
einem unrichtigen Bild zu kommen, ist hier ein Uberblick über
die gesamte Problematik geboten, wobei die Einzelheiten nicht
vernachlässigt, sondern an derjenigen Stelle des Lehrgebäudes
betrachtet werden, an die sie gehören.

Gesprochen wird von Sicht und Wertung des Geschlechtlichen
, also natürlicher Gutheit des Geschlechtlichen, dem Geschlechtlichen
in seiner sozialen Bedeutung, aber auch hi der
Leib-Geist-Einheit. Wichtiger fast als dies ist die Bezugsetzung
des Geschlechtlichen zur Natursünde. Wegen seiner Verknüpfung
mit der Erbsünde und der Sünde überhaupt bemüht man
sich es zu „entschuldigen". Daneben wird auch von Keuschheit
und Jungfräulichkeit gesprochen.

Umfangreiche Kapitel gelten den Grundfragen der mate-
rialeu Sexualethik, wobei der Zweck der Ehe nicht übergangen
wird, und den Hauptgeboten, nämlich Schutz der Zeugung und
Schutz der Erziehung; ferner der Ethik des ehelichen Geschlechtsverkehrs
, hier wird auch besonderes Augenmerk der
sittlichen Bedeutung der subjektiven Absicht zugewandt.
Nicht vergessen ist die ethische Einschätzung der in Betracht
kommenden unvollkommenen Handlungen.

Von besonderer Bedeutung ist der dritte Teil, der die Beweis
- und Materialquellen untersucht und sie in der Heiligen
Schrift, bei Augustinus und Aristoteles feststellt.

Da der überaus reiche Inhalt des Werkes und die Mannigfaltigkeit
der berührten Einzelprobleme es unmöglich macht,
im Rahmen einer Besprechung darauf einzugehen, sei nur auf
weniges hingewiesen. Der Verf. weist es zwar zurück, daß die
irrige biologische Anschauung des Mittelalters vom Wesen des
Zeugungsaktes auf die Anschauung des Aquinaten vom Zweck
des Geschlechtsaktes und die darauf basierende materiale Sexualethik
von Einfluß gewesen wäre, aber er kann doch wieder
nicht umhin, darauf hinzuweisen, daß die Darstellung der
mittelalterlichen Sexualethik vom Standpunkt des Mannes aus
gesehen ist. Wenn Thomas sich auch nicht der strengen, an
Augustinus orientierten Beurteilung des Geschlechtlichen völlig
entziehen kann, so sucht er doch weitgehend Anschluß an eine
mildere Richtung. Sehr unterstreicht der Verf., daß im Gegensatz
zur Vorzeit sich bei Thomas der Sache nach eine geschlossene
Systematik bis in die Erörterung von Einzelfragen hinein
geltend macht. Eine Folgerung daraus ist, daß die Behandlung
des Fragenkomplexes bei ihm auch weniger kasuistisch
ist als z.B. in der Summa Alexandrina oder auch noch bei
Albertus Magnus.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, daß Thomas
den Kernpunkt der Sittlichkeit im Bereich des Geschlechtlichen
im Maßhalten gegenüber der geschlechtlichen Lust feststellt
und so das tugendhafte Verhalten in diesem Bereich der
temperantia einordnet. Auch weiß er genau zu unterscheiden
zwischen der Ordnung des inneren Begehrens der Geschlechtslust
und der Ordnung der äußeren Handlung in sich. Bei Thomas
findet sich ferner bei Behandlung der Jungfräulichkeit
als der vollendeten Keuschheit wohl eine starke Betonung der
Bedeutung des Freiseins von der Macht des Fleischlichen über
den Geist im Geschlechtlichen, aber er weiß in seiner Summa
theologica dieselbe doch auch als ein Freisein für Gott zu
schätzen.

Nachdem P. M. Abellan in seinem bedeutsamen Werk El
fin y la significaeipn sacramental del matrimonio desde S. An-
selmo hasta Guillermo d'Auxerre (Granada, 1939) für die
Kenntnis und Beurteilung der Vorzeit schon viel geleistet hat,
wird das hoffentlich bald erscheinende Werk J. Müllers über
die Paradiesesehe sicher weitere wertvolle Aufklärungen bringen
. Hier wird dann hoffentlich auch geklärt werden, ob die
benannten Zitate von Autoren der Vorzeit, die sich bei Thomas
selten finden, hier auch überall richtig sind, und ferner, welchen
Weg der Gesamtkomplex der Probleme bis zu Thomas
hat gehen müssen. Auch wäre es sehr interessant, dann erfahren
zu können, wie die sich hier geltend machenden aristotelischen
Lehren auf Thomas gekommen sind.

Bamberg A.M.Landgraf

Llpsic, E. E.: Byzanz und die Slaven. Beiträge zur byzantinischen Geschichte
des 6.—9. Jahrhunderts. Weimar: Bühlau 1951. 105 S., 5 Abb. auf
Taf. gr. 8°. Kart. DM 3.70.

Der Verlag Böhlaus Nachfolger will mit dieser Arbeit
„dem deutschen Leser einen Einblick in die gegenwärtige byzantinische
Forschung in der Sowjetunion" geben: man möchte