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Ausgabe:

1952 Nr. 6

Spalte:

351-352

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Filson, Floyd

Titel/Untertitel:

The New Testament against its Environment 1952

Rezensent:

Foerster, Werner

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 6

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NE UTE ST AM ENTLICHE ZEITGESCHICHTE

Filson, Fioyd v.: The New Testament against its Environment. The

Gospel of Christ the Risen Lord. London: SCM Press Ltd. [1950], 104 S.
8° - Studies in Biblical Theology Nr. 3. Kart, s 6.—.

Zwei amerikanische und zwei englische Theologen haben
sicli zur Herausgabe einer Monographienserie über biblische
Theologie zusammengetan. Der erste Band brachte O. Cull-
manns Baptism in the New Testament, der zweite und dritte
Band steht unter den gleichlaufenden Titeln The Old (bzw.
New) Testament against its environment, ersterer von G. E.
Wright geschrieben.

Filson stellt sich die Frage, inwieweit das Neue Testament
einen Inhalt bietet, der von uichtchristlichem religiösem
Leben und entsprechenden Schriften der neutestamentlichen
Zeit unterschieden und verschieden ist. Der Ausgangspunkt
ist das, was für das Neue Testament, für die alte Kirche und
für ihre Gegner der entscheidende Punkt war: the actual ca-
reer of Jesus Christ, mündend in die Auferstehung. Hier hat
Gott in einzigartiger Weise in der Geschichte gehandelt, und
dieses Handeln Gottes in der Geschichte ist der Quellpunkt
der Grundüberzeugungen des Neuen Testaments und zugleich
der entscheidende Punkt, der das Neue Testament von Judentum
und Heidentum seiner Zeit trennt. Das wird in drei Kapiteln
entfaltet, wobei besonders im zweiten die Beziehung auf
die Umwelt sehr zurücktritt.

Die Theologie des Neuen Testaments kann nur von seiner
Christologie her verstanden werden. Das ist das Anliegen des
ersten Kapitels ,,The God and father of our lord Jesus Christ".
Die engsten Beziehungen hat das Neue Testament zum pharisäischen
Judentum. Zur Trennung zwischen beiden kam es
vom Judentum aus, da Jesus einen Platz beanspruchte, den die
Pharisäer und Priester ihm nur zubilligen konnten, wenn sie
ihn über sich stellten. Der Lebensweg Jesu selbst ist es gewesen
, in dessen Licht das Neue Testament die in sich nicht
eindeutigen und klaren messianischen Aussagen des Alten
Testamentes sieht; so stammen die Grundüberzeugungen des
Neuen Testaments nicht vom Judentum und auch nicht vom
Alten Testament. Aber auch nicht vom Hellenismus. Das wird
verdeutlicht an der Ablehnung des Polytheismus im Neuen
Testament, an dem nicht-hellenistischen Charakter der neu-
testamentlichen Schriften, am Schöpferglauben, daran, daß
das Neue Testament Schöpfer und Erlöser in Einheit sieht.
Jesus „Herr" zu nennen, geht in die Urgemeinde (maranatha,
1. Kor. 16, 22) und in die irdische Lebenszeit Jesu zurück.
Historisches Studium — so schließt das erste Kapitel — führt
uns zu der Alternative: entweder haben die ersten Jünger sich
radikal geirrt und getäuscht oder Jesus ist auferstanden, und
dem Christentum ist damit ein Fundament gegeben, das nicht
erklärt werden kann aus Anleihen oder Abhängigkeiten von
jüdischen oder heidnischen Quellen. Jedenfalls aber geht es
auf aramäisch-sprechende Juden zurück.

Im zweiten Kapitel, „The fullness of time", wird im Anschluß
an O. Cullmann gezeigt, daß das Neue Testament ein
time-charged book ist. Gott hat in der Zeit gehandelt und
wird in der Zeit handeln. Einen breiten Raum nimmt die Frage
ein, wie das Verhältnis des Neuen Testaments zur alttesta-
mentlichen Geschichte zu verstehen ist. Für den convinced
Christian ist es nicht'möglich, Altes und Neues Testament zu
scheiden, aber die nähere Bestimmung des Verhältnisses dieser
beiden Größen ist im Laufe der Kirchen- und Theologiegeschichte
noch nicht befriedigend präzisiert. Es fällt dabei auf,
daß F. auf die Gedanken des Paulus über die Heilsgeschichte
und die Rolle des Gesetzes nicht näher eingeht. Die Verbindung
von Altem Testament und Christus trennt Judentum und
Christentum, trennt aber auch das Christentum von dem sich
in Zyklen bewegenden oder die Zeitlosigkeit erstrebenden Denken
der Griechen.

Im dritten Kapitel — „Led by the spirit" — wird gezeigt,
daß das Leben Jesu und die Sendung des Geistes, nicht aber
jüdische Gedanken oder heidnische Spekulationen, der eigentliche
Ursprung für die urchristliche Uberzeugung sind, daß,
wer Christus gehört, auch seinen Geist hat, der sein ganzes
Leben bestimmt.

Mit großer Geschlossenheit hat F. Leben, Leiden und Auferstehen
Jesu als den einen und einzigartigen Quellpunkt des
Christentums und der Kirche darzustellen versucht, der die
Abgrenzung von Judentum und Heidentum schon in sich
schließt, Doch bleibt diese Abgrenzung zu sehr eine beziehungslose
Diastase. F. hat besonders englische Literatur berücksichtigt
, sich aber auch mit Bultmann, Vischer und anderen
kurz auseinandergesetzt. Die historischen Fragestellungen
der wissenschaftlichen Forschung werden vielfach nicht
ins Auge gefaßt oder reichlich kurz abgetan. Das liegt wohl im
Plan des Buches, aber für den Mitforscher bleiben, auch wenn
er bereit ist, F.'s Grundthesen zu folgen, viele Fragen offen.

Hornheide bei Münster/W. W. Foerster

Almqvist, Helge: Plutarch und das Neue Testament. Ein Beitrag zum

Corpus Hellenisticum Novi Testamenti. Uppsala: Appelbergs Boktryckerie;
Kopenhagen: Munksgaard 1946. III, 165 S. gr. 8° = Acta Seminarii Neo-
testamentici Upsaliensis. Ed. curavit A. Fridrichsen. XV. dkr. 12.60.

Den Hauptteil dieses Beitrages zum Corpus Hellenisticum
Novi Testamenti aus der Feder des der Fridrichsen-Schule
entstammenden schwedischen Theologen bilden auf 110 Seiten
329 Parallelen, die den Moralia und den Vitae des Plutarch
entnommen sind. Sie sind geordnet in der Reihenfolge, in der
im Nestle die neutestamentlichen Stellen stehen, zu denen jene
Plutarch-Texte als Parallelen gedacht sind. Die Plutarch-
Texte sind abgedruckt; gelegentlich (wie in den Parallelen
Nr. 143 und 155 b) würde eine umfangreichere Wiedergabe des
Kontextes dem Leser das Zurhandnehmen des Plutarch-Textes
ersparen. Die neutestamentlichen Bezugstellen muß man nachschlagen
. Zitate, die schon Wettstein bringt, sind als solche
gekennzeichnet. Die Materialfülle, die auch über das Lietz-
mannsche Handbuch und das Bauersche Wörterbuch weit
hinausgeht, ist beträchtlich. Daß Plutarch mit dieser Sammlung
nicht ausgeschöpft ist, weiß der Verf. selber genau"). Aber
daß „die gesammelten Parallelen das Wichtigste des Vergleichsmaterials
besonders auf stilistischem Gebiete enthalten"
(S. 31), wird man dankbar dem Verf. zugestehen können. Selten
b) empfindet man den Bezug zum neutestamentlichen Text
als zu weit hergeholt; selten muß man der Plutarch-Interpre-
tationc) oder der Zuordnung zu emer neutestamentlichen
Stelled) widersprechen. Plutarch-Text wie neutestamentliche
Stelle sind öfter prägnant kommentiert, so daß Einheit und
Unterschied deutlich werden, wenn auch nicht überall in
einem der Klarheit dienenden Maßee).

a) Ohne viel Mühe bieten sich einem eine Fülle weiterer Parallelen an;
man überlese daraufhin nur R. Reitzenstein, Die hellenistischen Mysterienreligionen3
1927, J. Leipoldt. Die Mysterien, das Christentum 1948, J. Leipoldt,
Zu den Auferstehungsgeschichten ThLZ 1948, 737ff., M. Dibelius, Aufsätze
zur Apostelgeschichte, herausg. von H. Oreeven 1951, H. Braun, Plutarchs
Kritik am Aberglauben im Lichte des Neuen Testaments 1948.

b) Wie etwa in Nr. 93, 118, 129, 202, 257, 258.

c) Der Plutarch-Text Nr. 55 redet vom Zeugen, nicht vom Säen! cbioH-
kvfiivoislaco^o/ievois in Nr. 178 ist Neutrum! Plutarch vertritt m. W. nie
den Glauben an „Auferstehung", wie Almqvist bei Nr. 324 behauptet. Hausund
Ackerbau, Nüchternheit und Wachen sind in Nr. 181a und 274 ab nicht
Bilder!

d) Nr. 57 hätte zu einer Schriftstelle mit xagnög, änoSidovai, avXXeyuv,
Nr. 254 nicht zur Haustafel, sondern etwa zu Hebr. 5, 14 gehört. Das in Nr. 70
belegte prädikative tis findet sich in Mark. 10, 18 Pari., strenggenommen,
nicht. Plutarch meint in Nr. 238 mit atöfia und xe<pa?.Tj ein Bild, der Autor ad
Ephesios eine geistliche Wirklichkeit. Die neutestamentliche Exegese zu 15, 42
und 116 ist mir fraglich.

e) Gut kommt die Differenzierung zwischen Plutarch und dem NT heraus
etwa in Nr. 204, 207, 215, 242, 257, 258, 267, 308; unzureichend in Nr. 200,
212, 213, 214, 223.

Almqvist selber unterscheidet, jede der beiden Kategorien
weiter unterteilend, zwischen formalen und inhaltlichen Parallelen
. Das Hauptgewicht liegt auf den stilistischen und lexikalischen
Parallelen, die drei Viertel des Materials ausmachen.
Belege zu neutestamentlichen Vokabeln und Phrasen, Nachweise
des auch im NT üblichen Koine-Stils und Bildgebrauchs
nehmen einen ganz breiten Raum ein. Da begegnet der Chrien-
Stil mit seiner Einleitung (Nr. 62, 107), Verknüpfung (Nr. 69)
und Parenthese (Nr. 71), der Diatriben-Stil mit seinen Fragen
und Einwürfen (Nr. 163), die rhetorische Übertreibung
(Nr. 271), Wiederholung (Nr. 296) und Definition (Nr. 295).
Unter den wirklich lehrreichen und interessanten Texten seien
nur hervorgehoben die Parallelen zu äveCtjoev (Nr. 103), zu
xaio/ievr) (Nr. 114), zu ndvtä xoivd (Nr. 135), zum einschlafenden
Zuhörer (Nr. 143), zum Gegensatz von cpvaig j xüqlq gegen
fiur&6; I xqe^a (^r- 15^)> zu T(* ön&v I v^iäg (Nr. 225), zum voftoq
naiöaycoyöi; (Nr. 230), zu aM.d£ai Ti}v cpwv-qv (Nr. 233), zu rayjcog
(Nr. 260), zu inexrehea&ai (Nr. 261), zur Terminologie des
Bankwesens (Nr. 276), zum Gruß-Verbot (Nr. 320), zun}
Schimpfwort öig äjzo&avmv (Nr. 321).