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Ausgabe:

1952 Nr. 6

Spalte:

336-340

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kahle, Paul

Titel/Untertitel:

Die hebräischen Handschriften aus der Höhle 1952

Rezensent:

Maass, Fritz

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 6

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Absalom gemeint ist. Aus dem Wortlaut der Stelle geht deutlich
hervor, daß das Haus Absalom eine zweite apostatische
Gruppe gewesen sein muß, da sie dafür getadelt wurde, daß
sie dem Lehrer der Gerechtigkeit nicht gegen den Lügenmann
geholfen hat, also gegen den Führer der pharisäischen Partei.
Das Haus Absalom muß also der Sekte länger die Treue gehalten
haben als die Mauerbauer und muß sich nicht so feindselig
wie diese gegen die Sekte verhalten haben, da nur an
dieser einzigen Stelle eine offene Polemik gegen dieses vorliegt
. Doch ist es auch hier wieder die Person des Lehrers der
Gerechtigkeit, die der Stein des Anstoßes wurde. Es liegt nahe,
unter dem Begriff nibt33S ml den Essenismus zu verstehen
, dessen Lehrgebäude mit dem ältesten der Schicht
der Gemeinde angehörigen Sektenkanon weitgehendst übereinstimmt
, der noch nicht die Person des Lehrers der Gerechtigkeit
kannte1.

Außer dem Lügenmann und seiner Gruppe, den Apostaten
und dem Hause Absalom hatte die Sekte, insbesondere
der Lehrer der Gerechtigkeit, noch andere mächtige Feinde.
Sie sind der Frevelpriester und sein Anhang. Im Habakuk-
kommentar 11/5 heißt es: ^«p PTBin IJTOn b^ VHD9

plSn PHTE "ins „Dies bezieht sich auf den Frevelpriester,
der den Lehrer der Gerechtigkeit verfolgte". Wie aus der Darstellung
des Habakukkommentars hervorgeht, ist der ■jniS

ytDin aller Wahrscheinlichkeit nach mit Alexander Jannai
oder mit Johannes Hyrkanos und Alexander Jannai gleichzusetzen
.

Der Bund, den die Mitglieder der Sekte schlössen und zu
dem in ihren Augen auch all diejenigen und deren Nachkommen
gehörten, für die die Koalition gegen Antiochos IV.
nur eine Zweckgemeinschaft war, war ein ewiger Bund. Vom
Auftreten des Lehrers der Gerechtigkeit an wurde der Bund
erneuert, wie dann später noch einmal in Damaskus, und erhielt
daher auch die Bezeichnung „Neuer Bund". Im Sektenkanon
3/11, 4/22, 5/5, 8/10 wird mehr oder weniger deutlich
der Bund als ein aeternum testamentum bezeichnet. 4/22 und
5/5 ist expressis verbis von einer nbiy m*13 Dzw- m"12
U*K&rß> die Rede, und 3/nf. heißt es: «rrP m~Ob ib nmm
O^blS* ..Und es möge ihm zum Gemeinbund auf ewig gereichen
," und 8/10 ist von einer a^iy mpinb m"0 ,,Bund für die
ewigen Gesetze" die Rede. So wie mit den ersteren richtete
Gott auch mit den späteren, die treu zur Sekte hielten, einen
ewigen Bund auf. So heißt es im Damaskusdokument 5/1

im-o na bs mpn orra nma to» bs mism rr-^man

oblS? "TS? bsilö^b ..Und mit denjenigen, die an den Geboten
Gottes festhalten, soweit solche übriggeblieben sind, richtete
Gott Seinen Bund für Israel auf ewig auf". Von einer
nmin m*13 scheint das erste Mal im Habakukkommentar
2/3f. die Rede zu sein. Leider ist der Text etwas lückenhaft,
die Ergänzung ist aber trotzdem äußerst wahrscheinlich. Von
einem neuen Bunde im Lande Damaskus, wo sich die Gemeinde
nach ihrer Flucht aus Palästina unter günstigen Bedingungen
neu konstituieren konnte, ist im Damaskusdokument
8/17, 9/27, Frag. 2/34 und Frag. 2/2/nf. die Rede.
Ferner geht die Tatsache eines neuen Bundes aus dem Damaskusdokument
5/1 und 8/7 hervor, wo es heißt (5/1), daß Gott
mit denjenigen, die an Seinen Geboten festhalten, einen
ewigen Bund geschlossen habe. Es ist hier also von einer neuerlichen
Bundesschließung die Rede. 8/7 heißt es: ^ *Y13n
mSlTDai rVH3 ..Und Gott war des Bundes mit den Ersten
eingedenk". Auch daraus ist ersichtlich, daß der Bund hier als
ein neuerlich geschlossener bzw. erneuerter zu betrachten ist.
Es würde hier zu weit führen, die Bundestheologie der Sekte
in ihrer Entwicklung und schließlichen Ausformung im
Damaskusdokument genau zu beschreiben — das wäre ein
dankbares Thema für eine gesonderte Untersuchung —, doch
möchte ich auf drei wichtige Einzelheiten hinweisen. Der neue
und ewige Bund war ein Bund der Umkehr2, für den besondere
, anscheinend von den mosaischen verschiedene,
Bundesgesetze bestanden. Nach dem Damaskusdokument 7/13
waren diese jynn ipn Gegenstand der Schmähung von Seiten

der Mauerbauer, also der Pharisäer, und auch im Sektenkanon
8/10 ist, wie bereits erwähnt, von einer oblp mpinb min
die Rede. Ob in diesem Sinne auch der schwer zu verstehende
Begriff mm pin3. den ich als „Gesetz der Freiheit" über-

') Ich fasse mich hier wie im folgenden Absatz kürzer, da ich diese Probleme
in meinem Aufsatz über die jüdischen und juden-christlichen Sekten in
ZKT genau behandelt habe.

2) Damaskusdokument Frag. 2/16: mYOn rvn3-

s) Sektenkanon 10/6, 8, II,

setzen möchte, der aber auch „eingegrabenes Gesetz" heißen
kann, aufzufassen ist, wage ich nicht zu entscheiden. Auf
Grund des Sektenkanons 2/16 und des Damaskusdokuments
1/13 scheinen die Bundeseide, die jedes Mitglied der Sekte,
ursprünglich anscheinend der Koalition gegen Antiochos IV.,
geschworen hatte, diejenigen, die sie geschworen hatten, in
eine Art von character indelibilis versetzt zu haben.

Es gäbe natürlich noch etliche Termini aus dem Sprachgebrauch
der Sekte, wie ri728. "TtTPI KEP- d^2"l u- a-> die
hier zu behandeln der Raum nicht mehr reicht. Da sie aber
für das richtige Verständnis der Texte keine besondere Schwierigkeit
bieten und ihre Bedeutung an jeder einzelnen Stelle
ziemlich klar ist, will ich mich mit der Feststellung begnügen,
daß sie sowohl ihre Grundbedeutung als auch eine bestimmte
Bedeutung innerhalb des theologischen und politischen Jargons
der Sekte haben. So bedeutet ri73Xn wohl zumeist
„Mitglieder der Sekte", kann aber auch nur „Wahrhaftige
" heißen und unter -jrppl TX9 ist sowohl die Ratsversammlung
als auch die Gesamtheit der Gemeindemitglieder
gemeint. Mit der Unterscheidung, daß «jrp nur die Bezeichnung
für eine Art von Novizentum und erst q^yi der Terminus
für die Vollmitglieder ist, scheint mir Habermann etwas
zu weit gegangen zu sein, da beide Begriffe wohl dasselbe bedeuten
, wobei bei «jj-p der Akzent mehr auf dem Gemeindehaften
und bei qi^i mehr auf der Gesamtheit aller Mitglieder ruht1.
Wenn auch noch nicht alle Texte aus der Höhle zur Gänze
veröffentlicht sind, so kann doch aus den bisher der wissenschaftlichen
Öffentlichkeit Zugänglichen ersehen werden, daß
ohne genaue Bestimmung der Termini deren historischer,
eschatologischer, christologischer und theologischer Inhalt
kaum recht verstanden werden kann.

Seit der Fertigstellung dieses Manuskripts wurden in Palästina
weitere Funde gemacht, die Beziehung zu den behandelten
Handschriften haben. Während der Monate Dezember
1951 und Jänner 1952 gruben de Vaux und Harding in Chir-
beth Qumran. De Vaux berichtete davon in einem Briefe an
die Academie des inscriptions et belies lettres, der ausführlich
in der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 9. April d. J. wiedergegeben
wurde. Weitere Berichte darüber wurden im Manchester
Guardian und in der Jerusalem Post vom 15. April d.J.
veröffentlicht. In dem etwa 2 km von der Fundhöhl e entfernten
Hügel Chirbeth Qumran konnten Gebäude freigelegt werden
, die während der Zeit der römischen Prokuratoren unter
Kaiser Augustus bis zur Zerstörung Jerusalems im Jahre
70 n.Chr. bewohnt waren. Sowohl die Keramikreste als elf
Münzen weisen in diese Zeit. Unter anderen wurde in den Fußboden
eingelassen ein Krug gefunden, der in seinen Formen
zu denjenigen Krügen paßt, in denen die Texte in der Höhle
geborgen waren. Dieser Umstand bewog de Vaux, seinen bisherigen
vorrömischen Ansatz für die Krüge zurückzunehmen
und der Meinung Ausdruck zu geben, daß die Texte wahrscheinlich
im Verlaufe des jüdisch-römischen Krieges etwa im
Jahre 70 n.Chr. in die Höhle gebracht wurden. Wie de Vaux
aber selbst betonte, ist dadurch das Alter der Texte in keiner
Weise präjudiziert. Aus inneren Gründen ist meines Erachtens
entschieden an der vorrömischen Entstehungszeit der
uns vorliegenden Texte festzuhalten. Auch Avi-Yonah kam
auf Grund der Untersuchung der in der Kriegsrolle mitgeteilten
Kampfestechnik zu demselben Schluß [Israel Exploration
Journal 2 (1952) S.iff.].

Kahle, Paul. Die hebräischen Handschriften aus der Höhle. Franz-

Delitzsch-Vorlesungen. Stuttgart: Kohlhammer 1951. XI, 92 S., 12Taf.
gr. 8°. Kart. DM 11.20.

Zu den ersten Vorlesungen an dem in Münster neu konstituierten
Institutum Judaicum Delitzschianum wurde Paul
Kahle aufgefordert, der in diesem Rahmen am 31. Jan. und
1. Febr. 1950 über die Qumran-Handschriften gesprochen hat
und seine Ausführungen im Febr. 1950 in Hamburg, Kiel,
Bonn und Bethel wiederholte. Diese Vorlesungen werden hier
unter den Hauptthemen „Die Auffindung der Handschriften"
und „Die Jesaia-Rolle" etwas verspätet im Druck vorgelegt
(S. 1—52). Wertvolle Addenda bringen die Vorlesungen, die
der Verf. im Juli 1950 in Halle und Berlin hielt (S. 53—81).
Eine Bibliographie stellt die Literatur bis Ende 1950 zu-

') A. M. Habermann im yi^n vom 7. IX. 1951. Dieselben Gedanken
vertritt Habermann in seinem soeben erschienenen instruktiven Buch
nnjn mj? Jerusalem 1952, wo er auch einen vokalisierten Text des Habakukkommentars
, des Sektenkanons und des Damaskusdokuments bietet,