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1952

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 5

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Kirche bereits während dieser Zeit komme, erfolgt die Zulassung
zum Abendmahl mancherorts vor der Einsegnung.

Ein dritter Vortrag behandelt die Liturgie als Gestalt-
werdung des Sakramentes und des Lebens der Kirche. Hier
darf wohl als die zentrale Aussage gelten: „Die sichtbare Gegenwart
Jesu im Fleisch findet ihre Fortsetzung in den Sakramenten
. Die Kirche ist der Leib Christi und muß deshalb das
Leben des Heilandes leben. Sie hat das getan, und sie tut es
bis auf den heutigen Tag im Gottesdienst" (S.26). Dieser
Gottesdienst konzentriert sich, von der Taufe ausgehend, im
Abendmahl. Von ihm erklärt der Verf.: „Das Sakrament ist
nicht nur das Symbol Golgathas, auch nicht nur eine ,re-
praesentatio des Opfers', sondern das Sakrament ist Golgatha,
Golgatha durch die Jahrhunderte gegenwärtig, Golgatha heute
und hier am Altar. Auf Golgatha hielt Gott eine Predigt. Golgatha
war das Wort Gottes. Die Predigt des Evangeliums ist
eben dies Wort Gottes. Im Sakrament aber ist dieses Wort
gegenwartsmächtige Wirklichkeit" (S.30). Obgleich er andererseits
dann auch davon reden kann (S.31), daß "das tägliche
Brot der ersten Christen nicht nur das Brechen des Abend-
mahlsbrotes, sondern auch das .Brechen' des Wortes war",
daß in beidem sich Christus als Speise und Gastgeber zugleich
erweise, so läuft doch alles in diesen Ausführungen auf die einseitige
Hervorhebung des Abendmahls als des Gottesdienstes
der Kirche hinaus. Mit der Tatsache, daß die alte Kirche sogar
denen, die nicht anwesend sein konnten, die gesegnete Speise
ins Haus gebracht habe, will der Verf. begründen, daß nach
Meinung der alten Christenheit „ein Predigtgottesdienst mit
Gebeten eben niemals ein Substitut für die Liturgie gewesen
sei" (S. 32). „Im Sakrament des Altars ist Christus gegenwärtig
in unserer Mitte." Darum wird alles andere dagegen abgewertet
: „Was ist ein Christentum ohne Sakramente, ohne Gnadenmittel
? Nur fromme Anregungen, erbauliche Lieder und eine
Ansprache?" (S.33).

Im letzten Vortrag „Wie kann die Gemeinde Kirche
sein?" (S.34ff.) wird gezeigt, wie man durch den Wiederaufbau
des Gottesdienstes im Sinn der vorausgegangenen Vorträge
den Geist der Kirche des 1. und 2. Jahrhunderts wieder-
zuerwecken vermöge als den einer heiligen Gemeinschaft, in
der Priester und Volk, jeder sein Amt habe. Ihr gemeinsames
Tun erwecke heiligen Eifer für das Haus Gottes. In dessen
Auswirkung erkenne auch jeder wieder, wie er seine Pflichten
habe als Glied des Leibes Christi, und die Eucharistie schenke
die Kraft, Gott zu loben in guten Werken und heiligem
Wandel. —

Die Vorträge erscheinen kaum geeignet, dem wichtigen
Anliegen einer Erneuerung des lutherischen Gottesdienstes
förderlich zu sein. Liturgische Arbeit kann auf lutherischem
Boden nur als Gestaltwerdung gesunder Lehre ernstgenommen
werden. Diese Voraussetzung erscheint hier in Frage gestellt.
Das Sakrament des Altars erfährt eine Verabsolutierung, die
eine entsprechende Abwertung des gepredigten Wortes zur
Folge hat. Solche Absolutsetzung der Eucharistie ist zunächst
von der Liturgiegeschichte her anfechtbar; denn der These
O.Cullmanns „Die Mahlfeier ist Grund und Ziel aller (sc. ur-
christlichen) Versammlungen", die auch hier stillschweigend
als bewiesen vorausgesetzt wird, steht nach der andern genau
so möglichen Auffassung der neutestamentlichen Quellen noch
immer die Annahme von zweierlei Feiern,Wortgottesdiensten
aus synagogaler Tradition und Mahlfeiern, gegenüber (vgl. auch
wieder Joseph Lechner als Neubearbeiter von Eisenhofers
„Grundriß der Liturgik des römischen Ritus", Freiberg 1950).
Jene Verabsolutierung wird aber vor allem sachlich so gefährlich
, weil der Verf. an keiner Stelle vom Glauben der Gemeinde
redet, der doch nach C. A. Art. XIII beim Gebrauch der Sakramente
hinzutreten muß als eine „fides, quae credat pro-
missionibus, quae per sacramenta exhibentur et ostenduntur".
Man muß den Eindruck gewinnen, als läge wieder alles Heil
bereits im „opus operatum". Und dieser Eindruck verstärkt
sich, wenn so vorbehaltlos wie hier das Wesen der Eucharistie
im „Vollbringen der Mysterien', im „Darbringen des Opfers"
gesehen wird. Das legt doch nahe, das menschliche Handeln
an und mit den Elementen als konstituierendes Moment zu
werten und das Abendmahlsgeschehen somit in den Bannkreis
magischer Gedanken zu verschieben. Andererseits wird überall
, wo in noch so vorsichtiger Weise die Opfervorstellung an
das Abendmahl herangetragen wird, die Gefahr eines aktiven
menschlichen Anteils an der Versöhnung heraufbeschworen.
Es sollte uns Lutheraner zu ganz anderer Mäßigung in der
manchmal schon „fahrlässig" zu nennenden Anwendung des
religionsgeschichtlich so belasteten Opferbegriffs auf das
Abendmahl veranlassen, wenn sogar der katholische Neutesta-
mentler Joseph Blüizler (in der Faulhaber-Festschrift) zugesteht
: „Ein abgerundetes Bild der urchristlichen Auffassung
der Eucharistie als Opfer ist im übrigen nur zu gewinnen, wenn
man die neutestamentlichen Aussagen in Zusammenhang
bringt mit den ältesten Zeugnissen der Tradition". Der Verf.
meint freilich, daß man die Auffassung der Eucharistie bis zum
4. Jahrhundert in der Tat als eine Einheit behandeln könne
(S.8).

Das entscheidende Anliegen unserer gottesdienstlichen
Erneuerung liegt tatsächlich in der Heimholung des Sakramentes
in den Hauptgottesdienst der Gemeinde. Aber für uns
Lutheraner kann damit weder die all sonntägliche Feier des
Abendmahls im Gottesdienst ehernes Gesetz werden (es würde
das der „geistlichen Kapazität" unserer Gemeinden keineswegs
entsprechen, wurde selbst in der Reformationszeit nicht
in dieser Weise verwirklicht), noch darf es dadurch zu einer
Abwertung der Verkündigung kommen. Im Gegenteil steht
für uns Mahlfeier und Verkündigung gleicherweise unter dem
Oberbegriff „Realpräsenz Christi" im Sinn von Matth. 18, 20.
Das Nebeneinander beider im gleichen Gottesdienst wird darum
dem gepredigten Wort als einem Gegenwärtigwerden Seines
Lebenswortes in, mit und unter dem Element menschlicher
Rede gerade zu neuer, fast „sakramental" zu nennender
Wertung helfen, das gepredigte Wort wird andererseits den
Glauben rufen, der im Abendmahl den Herrn auch in Gestalt
der Elemente aufzunehmen vermag, ohne dem Mißverständnis
eigener wirksamer Einflußnahme auf den sakramentalen
Vorgang zu unterliegen. Das priesterliche Amt der Gemeinde
kommt über solchem Empfangen von Wort und Sakrament
wahrhaftig nicht zu kurz. Es ist gerade durch Luther
in einem vorher kaum je vorhandenen Maße aktiviert worden,
als er entscheidende liturgische Aufgaben der (weithin priesterlichen
) Chöre in Gestalt des deutschen Kirchenliedes der
Gemeinde übertrug. Wenn es aber richtig ist, in bestimmten,
der geistlichen Fassungskraft der Gemeinde entsprechenden
Abständen das Abendmahl im Gottesdienst der Gemeinde zu
feiern und damit zugleich ihr immer wieder zu Bewußtsein zu
bringen, aus welcher Mitte her (im Sinn von Matth. 18, 20) sie
auch die Predigt allein recht werten wird, dann ist es ebenso
richtig, die Taufe je und dann in den Gottesdienst der Gemeinde
hereinzunehmen und auch durch sie ein Zeichen dafür
aufzurichten, daß alles Geschehen im Gottesdienst für den
Glauben im tiefsten Grunde ein Handeln des Herrn der Kirche
gegenwärtig macht.

Greifswald William Nagel

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