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Ausgabe: | 1952 Nr. 5 |
Spalte: | 304-308 |
Kategorie: | Naturwissenschaft und Theologie |
Autor/Hrsg.: | Die Natur, das Wunder Gottes |
Titel/Untertitel: | im Lichte der modernen Forschung 1952 |
Rezensent: | Neuberg, Arthur |
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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 5
304
vielfach zum Eigentlichen gestempelt. In Christus, und zwar
gerade in dem menschgewordenen, haben wir Gott. Bei der
gnostischen Mythologie verkörpert sich in Christus ein Gott,
der hohe sonnenhafte Schöpfergeist unseres Kosmos. Die Würdigung
des Werkes Christi setzt mit Recht mit einer scharfen
Kritik des Karmagedankens ein. Dieser flache Moralismus hat
das Wesen der Schuld, ihre Schwere und Unausgleichbarkeit
von Seiten des Menschen überhaupt nicht begriffen. ,,Die oft
gerühmte kosmische Weite des anthroposophischen Denkens
ist allzu teuer erkauft worden, nämlich mit dem Verluste der
Mitte des Evangeliums" (S. 24). Der christlichen Fassung
des Heiligen Abendmahls als persönlicher Gemeinschaft mit
dem Erlöser steht die kosmische Abzweckung in der Menschen-
weihehandlung der Christengemeinschaft diametral gegenüber.
Gleich erfreulich und dankenswert ist an der Untersuchung
die feine Würdigung manch zweifellos ehrlichen subjektiven
Wollens, die klare Entschiedenheit in der Herausstellung
der sachlichen Gegensätze und der Ernst, mit dem
zum Schluß auf gewisse durch die Anthroposophie angeregte
Notwendigkeiten für das kirchliche Christentum hingewiesen
wird.
Angehängt ist eine Antwort auf gewisse Einwände, die
mit derselben Klarheit und Treffsicherheit der Unterscheidung
erteilt wird.
Hatte schon der Aufsatz von Fror betont, daß die Entstehung
und Ausbreitung der Anthroposophie auf das engste damit
zusammenhängt, daß der Mensch des ausgehenden 19. und
des beginnenden 20. Jahrhunderts die zusammenhaltende
Mitte für sein Leben verloren hatte, so sich den zersplitternden
Einflüssen der rein technischen Zivilisation hilflos ausgeliefert
sah, daß er darunter leidet und darum so sehr nach etwas
greift, was sein Dasein wieder ins Geistige und von da aus
wieder zur Einheitlichkeit zu erheben verspricht, so führt uns
das Selbstbekenntnis von Martin diesen Typ des entwurzelten
Menschen und seines Suchens nach neuem Lebensinhalt im
Bilde ehies praktischen Lebensschicksals vor. Zugleich zeigt
dieses, daß Anthroposophie resp. Christengemeinschaft vielfach
noch nicht das Endresultat darstellen. Verf. ist aus einem der
Kirche fernstehenden protestantischen Hause hervorgegangen.
Es ist bitter, aber sehr richtig, was er so klar, wie man es sonst
selten liest, von der inneren Unausgeglichenheit, dem Neben-
und Widereinander der verschiedensten Tendenzen um die
Jahrhundertwende, z. B. auf den Schulen und Universitäten,
überhaupt in dieser ganzen Zivilisation, in der das äußerlich
noch anerkannte Christentum nur ideologischer Oberbau, nicht
mehr oberstes und zusammenhaltendes Anliegen war, sagt.
Verf. besitzt nicht die nötige innere Robustheit, um im Wirrwarr
der einander kreuzenden Tendenzen das eigene Leben
zu einer Einheit zu gestalten, besser: nicht die nötige Demut,
um es sich vom Glauben zu solcher gestalten zu lassen. Ein
mehrfacher Berufswechsel ist der äußere Beweis für stärkste
seelische Labilität. Nach vergeblicher, ja geradezu schädlicher
psychanalytischer Behandlung gerät er in den Bannkreis der
Anthroposophie und Christengemeinschaft. Er verfällt ihnen bis
zum Bemühen, selbst Priester der letzteren zu werden. Immer
wieder betont er, daß die Anthroposophie seine innere Rettung
geworden ist. Aber manches, vor allem die Enttäuschung darüber
, daß die Anthroposophie auf kleine Kreise beschränkt
blieb und sich nicht, wie er gehofft, zur Rettung der gesamten
inneren Situation der Menschheit ausgewachsen hat, führt ihn
dann doch wieder von ihr ab und in schweren inneren Auseinandersetzungen
in den Schoß der katholischen Kirche. Daß
das Wesen des Protestantismus unter diesen Umständen überhaupt
nicht verstanden wird, erscheint selbstverständlich.
Man muß aber weiter feststellen, daß trotz mancher Kritik an
der Anthroposophie auch die bedenklichen Seiten, speziell das
Achristliche und Antichristliche dieser modernen Gnosis,
nicht erkannt worden sind. Der Wert des Buches besteht
darin, sehr deutlich gezeigt zu haben, welche Elemente in
Anthroposophie und Christengemeinschaft auf den Menschen
von heute besondere Anziehungskraft ausüben, welche Typen
dieser Art von Religionsersatz im besonderen verfallen und wie
Anthroposophie und Christengemeinschaft vielfach nur einen
Ubergang zu einem noch schärferen Autoritätssystem darstellen
. Dem Protestantismus ist das Buch eine Mahnung,
seine Position ganz klar herauszustellen, aber sie weit genug
zu halten, daß auch der Gebildete mit seinen besonderen Anliegen
innerhalb derselben von Gott gepackt werden kann.
Als Auszug ist das Theosophische Wörterbuch
keineswegs vollständig. Aber es kann bei verhältnismäßig einfacher
Sprechweise auch in dieser Form das nicht ganz einfache
Eindringen in die theosophischen Gedankenzusammenhänge
erleichtern.
Naumburg (Saale) _ A. F. Stolzenburg
[Bautz, Friedrich Wilhelm:] Die Adventisten vom siebenten Tage. Eine
Darstellung ihrer Geschichte und Lehre und ihre Beurteilung im Lichte der
Bibel. Witten/Ruhr: Bundes-Verlag [1949]. 39 S. kl. 8° = Kelle und
Schwert. H. 82. DM —.60.
Die „Christliche Wissenschaft". Eine Darstellung ihrer Geschichte und
Lehre und ihre Beurteilung im Lichte der Bibel. Witten/Ruhr: Bundes-
Verlag [1950]. 47 S. kl. 8° = Kelle und Schwert. H. 83. DM—.60.
Schwarz, Leopold: Die wichtigsten Sekten und Irrlehren der neueren
und neuesten Zeit. Leutesdorf, Rh. u. Berlin: Johannes-Verlag [1949].
44 S. 8°. DM—.80.
THEOLOGIE UND NATURWISSENSCHAFT
Dennert, Eberhard (t): Die Natur das Wunder Gottes im Lichte der
modernen Forschung. Unter Mitarbeit namhafter Naturwissenschaftler
hrsg. 5., erw. Aufl. hrsg. v. Wolfgang Dennert. Bonn: Athenäum-Verl. 1950.
361 S. m. Abb., 8 Taf. 8°. Lw. DM 12.60.
Dessauer, Friedrich: Religion im Lichte der heutigen Naturwissenschaft
. Frankfurt/M.: Verl. Knecht-Carolusdruckerei [1950]. 48 S. 8°.
Pp. DM 2.80.
Heim, Karl: Der christliche Gottesglaube und die Naturwissenschaft.
1. Teilbd.: Grundlegung. Tübingen: Furche-Verlag [1949]. 282 S. 8° = Der
evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart. 4. Bd. Hlw. DM 9.80.
— Die Wandlung im naturwissenschaftlichen Weltbild. Hamburg:
Furche-Verlag [1951]. 271 S. 8° = Der evang. Glaube und das Denken der
Gegenwart. 5. Bd. Zweite Folge von: Der Christ!. Gottesglaube u. die
Naturwissenschaft. Lw. DM 12.80.
Das erstgenannte bekannte Sammelbuch, einst herausgegeben
von dem verstorbenen Dennert, einem tapferen
Kämpfer für die Wahrheit nach beiden Richtungen hin, ist
vom Sohne neu herausgegeben und um Beiträge namhafter
Forscher — allerdings nur abgedruckter Beiträge (von Planck,
Heisenberg, Uexküll, Jordan, Abderhalden, M. Hartmann)
vermehrt worden. Es bringt nun in 27 Aufsätzen führender
Gelehrter eine gute Ubersicht und steht im Zeichen des
Dennertschen Wortes: „Das Wundern steht im Anfang aller
Forschung und ist innerste Triebkraft jeder Wissenschaft. An
deren Ende aber steht die Ehrfurcht vor dem Wunder und dem
Geheimnis."
Das zweite Buch ist ein schönes Zeugnis eines bekannten
Physikers für den Gottesglauben. „Die Entdeckung eines
Naturgesetzes wird zur Gottesbegegnung." „Ist es nicht, als
ob die Stimme des Schöpfergottes, den die Christen Vater
nennen, vernehmlicher wird, während der kosmische Saal sich
weitet?" (zu S. 3: Die Mehrheitsform von Galaxis = Milchstraße
würde ich nicht Galaxien bilden, sondern Galaxen).
An die Besprechung des Heimschen Werkes gehe ich nur
mit Zögern heran. Man steht bewundernd vor der enormen
Geistesarbeit des bedeutendsten Synthetikers am Grenzgebiet,
den wir jetzt haben. Wer Synthese sucht, muß sich an ihn
wenden und ihm folgen bei seinem unentwegten Vordringen
in die Grund- und Endprobleme bis in ihre letzten Tiefen.
Mit dieser Gesinnung habe ich einst den ersten Band gelesen.
Und dennoch war etwas in mir, was sich reservierte. Ich
glaube: der naturwissenschaftliche Teil meiner Seele, gerade
dieser. Ein Erlebnis: Wir hatten bei einer Tagung der Ilsen-
burger Akademie in einem geistig hochgestimmten Kreise von
Theologen und namhaften Naturforschern (darunter ein bekannter
Astronom, ein Geolog, ein Historiker usw.) ein ausgezeichnetes
Referat über das Heimsche Buch gehört. Mich
interessierte es, die Wirkung auf die Hörer zu beobachten. Bei
den Theologen reine Begeisterung. Bei den Naturwissenschaftlern
— ich sah es an den Mienen und hörte es aus dem Schweigen
— ein stiller Achtungserfolg. Und ich stand innerlich zu
ihnen. Als ich dann mit dem Historiker sprach, waren wir
einig, daß wir ein Meisterstück von Scholastik gehört hatten.
Das sollte keine Geringschätzung sein, im Gegenteil hoher
Respekt für die Geistesarbeit der Scholastik. Ich sehe deren
Wesen in der Anwendung philosophischer Begriffe und deduktiver
Methoden auf die Fragen, die eigentlich nur der induktiven
Methode unterliegen. Heim ist noch stark Metaphysiker
und bewegt sich gern auf dem philosophischen Zwischengebiet
zwischen Experimentalwissenschaft und Theologie, und eben
das wollen wir vermeiden. Der exakte Naturforscher hört,
wenn er von „überpolaren Räumen", vom „Denken in polaren
Räumen" reden hört, und bei all dem, was auf den S. i56ff.
und 182 geschrieben steht, ein seltsames Klingen, eine Fremdsprache
, die ihm etwas Unfaßliches ist. Die Allgegenwart
Gottes soll ein neuentdeckter „Raum" sein, ein „Urraum"
usw. — und dieses „Denken in Räumen" soll in der neuen