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1952 Nr. 5

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 5

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das ,,Ewige" daran, nämlich unser Wunschtraum vom Ewigen,
gerettet wird; nur er verwandelt das Gegenständliche bis zur
äußerlichen Unkenntlichkeit (besonders in der Musik), nur er
hebt das so Verwandelte in einem Gefäße auf. Wir nennen es
die Form" (S. 47). Diese Form aber ist kein Selbstzweck. Der
wahre Gehalt der Kunst „liegt erst weit hinter der Form"
(S. 19). Mit jedem echten Kunstwerk wird ein Zeichen aufgerichtet
; Anschauung der Welt ist zugleich Weltanschauung
(S. 65). Pinder wendet sich darum leidenschaftlich gegen
Ortega y Gassets These, daß Kunst in ihrem eigentlichen
Wesen Spiel sei: ,,Form um der Form willen ... ist ein reines
Gespenst" (S. 76). Die wechselnden Formen sind Gefäße, in
die bestimmte Gehalte gebannt werden, und weil diese Gehalte
sich wandeln, wechseln auch die Formen. „Formengeschichte
ist immer auch Seelen- und Gesinnungsgeschichte"
(S. 52). Alle Furcht und alle Hoffnung ruht darum jetzt auf
der Frage: „Wird wieder ein großes gemeinschaftliches Weltgefühl
entstehen, das mit wahrer Notwendigkeit eine ihrer
selber sichere Kunst braucht ? Erst dann würde sie kommen
können, aber dann würde sie es auch müssen. Nicht Kunstfreunde
würde sie brauchen, auch nicht Genießer, auch nicht
Kenner und Kritiker, sondern verehrende Empfänger. Stil
wäre dann kein Problem, sondern Selbstverständlichkeit. Die
Kunst allein aber bringt die Lösung nicht. Kunstpflege, Kunsterziehung
, Kunstbetrachtung können es nicht. Religion würde
es können" (S. 76L). Wie stark Pinder die Geschichte der
Kunst in die Religionsgeschichte hineingebunden sieht, macht
eine Feststellung wie die folgende deutlich: „Ältere Stile waren
ihrer Zeit kein Problem — weil der Glaube selber kein Problem
war. Erst wenn er ein Problem ist, ist auch die Kunst ein Problem
. Erst wenn das Uberformale problematisch wird, dann
wird es auch das Formale." Der „Verlust der Kunst an religiösem
Gehalte" ist eine wesentliche Dominante in der Entwicklung
der Kunst: „Ihre Geschichte führt auf die Dauer
von der Kathedrale zur Kunstausstellung; von der Gemeinde
zum Publikum, von der Gemeinschaft zum Einzelnen" (S. 65).
Einen entscheidenden Einschnitt glaubt Pinder in der Goethezeit
erkennen zu müssen, in der die Kunst, was sie auf ihrem
ganzen langen Wege bisher nie gewesen war, öffentlich anerkanntes
Bildungselement wurde; gleichzeitig zeigte sich ein
neues Klima an, das allem urtümlich Mütterlichen ungünstig
war. Pinder macht in seinem Buch keinen Hehl daraus, welchen
Zeiten seine Liebe gehört: wo die Kunst „voller Dienst
und ursprünglich voller Dienst am Glauben, eine in allen Kulturen
von vornherein zunächst religiöse Kunst lebendiger Gemeinschaften
" ist, wo Verehrung in die Form gebannt wird
(S. sof.). Der Sündenfall der Kunst aber ist die Einführung
des Betrachters in die Kunst; der Verf. widmet diesem Vorgang
eine aufschlußreiche Untersuchung (S. 54ff ). Die große
Kunst der früheren Zeiten rechnet nicht mit dem Betrachter;
die Königsgestalten in der Kathedrale zu Reims z. B., die zu
dem Vollendetsten gehören, was jemals menschlicher Geist,
menschliche Seele, menschliche Hände dem Stein abgerungen
haben, stehen hoch oben in den Tabernakeln der Strebepfeiler
, sie sind gleichsam nur „für das Auge Gottes" sichtbar.
Donatello, Jan van Eyck und Masaccio führen die Wende herauf
; das Aufkommen der Perspektive zieht die Konsequenz
aus der einsetzenden Rücksichtnahme auf den Betrachter.
Gleichzeitig geht das Zeitalter der Anonymität damit zu Ende:
Denkt man an den Betrachter, so wächst auch immer mehr
das Bedürfnis, den Namen des Künstlers zu nennen. Die Anerkennung
des Betrachters und der Aufstieg der Malerei vollziehen
sich gemeinsam. Pinder verschließt seine Augen nicht
davor, daß dieser Sündenfall zugleich seine großartigen
Aspekte hat; ohne ihn wäre ein großer Teil gewaltigster Kunst
niemals möglich gewesen, und er selbst war „eine notwendige
Stufe in der Selbstentdeckung des Menschen" (S. 64). Es war
„der Weg von der dienenden Kunst zur selbstherrlichen. Er
konnte auch der Weg von der gesicherten zur verzweifelten
sein" (S. 74). Denn er brachte das neue soziologische Phänomen
des Künstlers ohne eine Gemeinschaft, die seiner als fraglosen
Ausdrucks bedurft hätte: ,, Es erschien die von niemand
mehr verlangte Kunst, die sich anbieten muß, es erschien der
Künstler um seiner selber willen, damit auch der Künstler,
der sich verlassen fühlt. Die Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts
stand hilflos neben ihm und schuf die Kunstvereine.
Sie verhalten sich zur Kunst so wie die Verschönerungsvereine
zur Schönheit. Vereine (auf solchem Gebiete) entstehen durch
Verluste. Erst als sie zur Sonntagsangelegenheit geworden
war, erst damit entstand die Verfemung des Lebens als des
Alltäglichen, des Nichtpoetischen. Ist nicht auch damals erst
aus dem Werktage der Alltag geworden ?" (S. 73).

Unser Referat dürfte deutlich gemacht haben, wieviel es
für eine kommende „Theologie der Kunst" aus Pinders Buch

zu lernen gibt. Ohne theologischen Zielsetzungen nachzugehen,
verwendet es doch weithin Begriffe und Erkenntnisse, auf die
auch eine Theologie nicht wird verzichten können. Liest man
Pinders Ausführungen recht, wird man eine ganz unpathetische
, aber deshalb um so eindrucksvollere Bußpredigt aus
ihnen heraushören, für die wir dem Verf. nicht dankbar genug
sein können.

Lediglich an einem Punkt glauben wir Bedenken anmelden
zu müssen. Es läßt sich nicht verkennen, daß der
Verf., von seiner Sicht her mit gutem Recht, der Reformation
gram ist, weil durch sie auf dem Gebiet der bildenden Kunst
vieles verschüttet worden sei: „Die Menschen der Dürerzeit
waren in weit höherem Grade Augenmenschen, als jene der
Goethezeit" (S. 17). Er flüchtet sich demgegenüber in den
Trost, daß von beiden die heutigen Menschen abstammen und
daß es so aussehe, „als ob wir aus einem Zeitalter wesentlich
dichterisch-philosophisch-musikalischer Bildung wieder in ein
entschiedener visualisches eintreten wollten, — es müßte denn
überhaupt alles zu Ende sein". Hier könnte Überraschung hervorrufen
, daß der Verf., der in seinem Buch ein so offenes
Auge für das verschieden geprägte Verhältnis der einzelnen
Völker und Stämme zur Kunst verrät (z. B. auf S. nöf.),
offenbar nicht geneigt ist, den Konfessionen die gleiche
prägende Kraft zuzugestehen, — wie das in der heutigen Religionssoziologie
mit ihrer Festlegung bestimmter konfessioneller
Zonen geschieht (erinnert sei etwa an Alfred Müller-
Armacks Arbeiten „Das Jahrhundert ohne Gott" und „Diagnose
unserer Gegenwart"). Daran kann aber u. E. kein
Zweifel sein, daß die Vorzugsstellung des Ohres im evangelischen
Gottesdienst mit innerer Konsequenz die Bevorzugung
der musikalischen Künste nach sich gezogen hat. Von daher
scheint uns auch die Entwicklung der Musik bei Pinder verzeichnet
zu sein. Er glaubt ihren Höhepunkt in der absoluten
Instrumentalmusik und bei Beethoven erblicken zu müssen,
d. h. also in einer Zeit, in der sie schon von dichterisch-philosophischen
Zielsetzungen überlagert war. Kein Zweifel, daß
die Musik, was gerade unter den Aspekten des Pinderschen
Buches festzustellen wichtig ist, in der Zeit Bachs musikalischer
war als bei Beethoven. Damit gerät aber Pinders
historischer Periodenaufbau ins Wanken.

Berlin Oskar Söhngen

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