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Ausgabe:

1952 Nr. 5

Spalte:

295

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schneider, Alfons Maria

Titel/Untertitel:

Liturgie und Kirchenbau in Syrien 1952

Rezensent:

Kollwitz, Johannes

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295

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 5

296

Herborn, nach ihrem Werden, ihrem Inhalt und ihrer Auswirkung
auf den Franziskanerorden, d.h. die praktischen Folgen
, welche Franziskaner daraus gezogen haben.

Nach einem biographischen Aufriß werden zuerst die
Kampfschriften Lamberts (Rationes, In Regulam, Que Frau.
Lambertus Avenionensis apud Sanctam Hessorum Synoduni
Hombergi congregatam pro ecclesiarum reformatione Dei ver-
bo disputanda et deservienda proposuit, und Epistola ad Co-
lonienses), dann diejenigen des Nikolaus Herborn (Assertioncs
trecentae ac viginti, Eyn kurtzer Berycht von den dreien gelobten
, Epistola ad Coloniensem felicissimam urbem, und Monas
sacrosanctae Evangelicae doctrinae) analysiert.

Als Inhalt des ganzen Kampfes ergeben sich die Probleme:
Franziskanertum und Evangelium, die franziskanische Auffassung
von der Armut und die franziskanischen Privilegien.
Der Verf. schildert, wie ein jedes ursprünglich aufgefaßt
wurde, gibt aber zu, daß hier Mißverständnisse nicht nur möglich
waren, sondern mit der Zeit auch tatsächlich eingerissen
sind. Sehr dankenswert ist auch der Aufweis, daß der Kampf
der Humanisten gegen das Mönchtum zunächst von einem
ganz anderen Ausgangspunkt sich herleitete als derjenige der
Theologen. Bei Luther blieb auch hier das Hauptanliegen die
Rechtfertigung.

Wieweit an der schiefen Auffassung, die Luther zum Teil
vom katholischen Standpunkt hatte, die Theologie seiner unmittelbaren
Vorzeit Schuld trug, das wäre der Gegenstand
weiterer Forschungen. Jedenfalls ist das Bild, das die Predigtliteratur
des 13. Jahrhunderts z.B. vom Armutsideal entwirft
(man vgl. Cod. lat. 443 der Leipziger Universitätsbibliothek),
etwas ganz anderes, als was Luther und Lambert bekämpfen.

Bamberg A.M.Landgraf

CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE UND
KUNSTGESCHICHTE

Schneider, Alfons Maria: Liturgie und Kirchenbau in Syrien. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht [1949]. 29 S. in. 9 Abb. gr. 8° = Nachrichten
der Akademie d. Wissensch, in Göttingen, Philologisch-hist. Klasse,
Jg. 1949. Nr. 3. DM 2.25.

Die Frage nach dem Verhältnis von Liturgie und Kirchenbau
ist schon oft gestellt, ohne daß die Beantwortung allerdings
über Hinweise allgemeinster Art hinausgekommen wäre.
In einer sehr sorgfältigen Studie wird die Frage hier für Syrien
behandelt, für das relativ die meisten Quellen vorliegen und
wo auch im Kirchengebäude am ehesten eine Einwirkung zu
fassen ist. An Quellen werden außer den bekannten (Didaskalia,
AK und Testamentum D. n. J. Chr.) eine Reihe von frühen
nestorianischen und monophysitischen Liturgieerklärungen
herangezogen. Ihr Einfluß auf den Kirchenbau wird an zwei
Stellen sichtbar: den schon immer genannten Pastophorien
zu seiten des Altarraumes und dem halbrunden Bema, das sich
im Westteil vieler syrischer Kirchen findet. Sehn, möchte die
Entstehung der ersteren (anders als Lassus, Sanctuaires ehret,
de Syrie 60 ff., der die liturgische Benutzung dieser Räume für
sekundär hält) mit einer liturgischen Neuerung des späten
4. Jahrhunderts in Verbindung bringen, nämlich dem Ubergang
vom Oblationsgang der Gläubigen zur Opferprozession"
der Diakone. Die Tatsache, daß jetzt die Kirche die Opfergaben
stellt, verlange neue Räume für deren Aufbewahrung
und Zurüstung. Dieser Opfergang der Diakone ist allerdings
anderwärts schon wesentlich früher bezeugt (Agypt. KO.).
Ob nicht auch hier der Zug zu größerer Feierlichkeit, wie er
überall in der Liturgie des 4. Jahrhunderts zu beobachten ist,
eine Rolle spielt ? Im Gegensatz zu AK und Theodor von
Mopsuestia verlegt das Testamentum D. n. J. Chr. das Diakonikon
an den Eingang der Kirche; es ist die gleiche Disposition,
die sich auch in Gerasa und einigen kleineren Kirchen südlich
von Bosra, ferner im Sinaigebiet findet. Damit wäre auch der
Geltungsbereich des Testamentum näher umschrieben. Ein
zweiter Kreis von Beobachtungen bezieht sich auf das halbrunde
Westbema vieler syrischer Kirchen; mit dem Ostteil ist
es durch einen erhöhten Gang verbunden. Es ist der Platz der
Vormesse und der Predigt. Sein Vorkommen in nestorianischen
und jakobitischen Kirchen legt es nahe, daß es schon vor der
Trennung der beiden von der Großkirche, und zwar in Antiochien
selbst, entstanden ist.

Freiburg/Br. J. Kollwitz

Pinder, Wilhelm: Von den Künsten und der Kunst. Berlin, München:

Deutscher Kunstverlag [1948] 192 S. kl. 8°. DM5.-; Hlw. DM 6.50.

Ein großartiges Buch, das den kunsttheoretischen und
-philosophischen Extrakt der Erkenntnisse des inzwischen
heimgegangenen Meisters der Kunstwissenschaft enthält. Es
ist eine schier unerschöpfliche Fundgrube für jeden, der seine
Liebe für die „zweite Weltschöpfung", als welche Pinder die
Kunst versteht, tiefer zu begründen sucht, und darum ist es
allen denen gewidmet, die hinter der Kunst ein wesentliches
Geheimnis unseres Lebens spüren. In seinen beiden Teilen
„Vom Wesen der Künste" und „Vom Wesen der Kunst" geht
das Werk den Gesetzen des Schaffens nach, fragt nach dem
Spezifischen des Architektonischen, das sich nur im Zusammenwirken
des Schreitens, des Tast- und des Gesichtssinnes
erfahren läßt, nach dem Wesen reiner Plastizität, das
Zusammenfall des Sichtbaren mit dem Tastbaren ist, und entwickelt
an der mit der nur noch zweidimensionalen Fläche
arbeitenden Malerei, wie der Dimensionsverlust im Wirklichen
mit einem Dimensionsgewinn im Geistigen verbunden ist: in
einem winzigen Landschaftsgemälde kann ein riesiger Raumgehalt
aufgenommen werden, die dritte Dimension, die Tiefe,
wird also dann erst geistig erobert, wenn sie aus der Wirklichkeit
der Form verschwindet. Pinder stellt diese Erkenntnisse
in den weiten Rahmen einer kunstgeschichtlichen • Periodengliederung
, in der die Baukunst mit großartig vollendeten
Werken, wie etwa dem Speyerer Dom, im 11. Jahrhundert
ihren Höhepunkt erreicht, um im 13. Jahrhundert die Führung
an die Plastik abzugeben, die ihr eigenes Leben, das was
sie unvergleichbar, nämlich plastisch macht, in den klassischen
Bildwerken der Meister von Bamberg und Naumburg verwirklicht
. Im 15. Jahrhundert bricht dann die große Zeit der
Malerei an, die nun mit ihrer Betrachtungsweise, da jede
Kunst auch in einem anderen als dem ihr am deutlichsten
eingeborenen Sinne arbeiten kann, auch die anderen Künste
durchdringt: in der Baukunst des Barock gehen Architektur
und Malerei eine charakteristische Verbindung ein, und selbst
die großartigste Plastik hatte geheim etwas von den Eigenschaften
des Bildes angenommen; es ist fesselnd, wie Pinder
das Uberwiegen des Malerischen etwa bei Rodin deutlich
macht. Das mit Goethe beginnende Zeitalter ist dann vorwiegend
musikalisch (und zugleich dichterisch-philosophisch)
bestimmt. Von diesen geschichtlichen Erkenntnissen über die
„Verlagerung der Ausdrucksgebiete" her ergeben sich für den
Verf. ganz bestimmte Forderungen für die Regenerierung der
Künste: „Der Kampf um die gesunde Form, vor dem wir
heute stehen, müßte also von unten auf mit einer Wiederbelebung
des iirtümlichen architektonischen Denkens ansetzen
. Die Anzeichen scheinen da zu sein. Eine Wiederbelebung
des Tastgefühles in der Plastik ist seit Maillol bereits
unverkennbar. Aber sie ruht noch nicht wieder auf einer
tragenden Baukunst. Wir stehen sichtlich am Ende eines vollständigen
Ablaufes und vielleicht im gärungsvollen Beginn
eines neuen. Heute scheint, noch und schon, alles möglich.
Das heißt aber, daß wir noch keinen sicheren Stil haben. Stile
sind intolerant" (S. 43L). Es ist unmöglich, den Reichtum des
Pinderschen Werkes auch nur anzudeuten, zumal auch die
Dichtung — das Kapitel „Die Dichtung und die Technai"
(S. 119—142) gehört zu den aufschlußreichsten des ganzen
Buches — und die Musik mit in die Betrachtung einbezogen
werden; es seien aber noch besonders die Ausführungen über
„Gegenstand und Ereignis" (S. 157ff.) und über „Form und
Gesetz" (S. ioiff.) genannt. Man möchte das Buch, das in
einem vorbildlich klaren Stil gehalten ist und von geistreichen
Bemerkungen funkelt, in die Hand eines jeden wünschen, der
darauf Anspruch erhebt, zu den Gebildeten gerechnet zu
werden.

Für den Theologen ist vor allem der zweite Teil des
Werkes wichtig, der sich mit dem Wesen der Kunst als solcher
beschäftigt. Pinder findet die Urgründe des Künstlerischen
im Kampfe gegen die Vergänglichkeit, in der Rettung von
Werten aus dem ständigen Verfließen des Lebens, in deren
Bannung durch das Gefäß der Form: „Die Kunst rettet Werte.
Es gäbe sie nicht, wenn es keinen Tod gäbe. Jedes Kunstwerk
ist eine Rettungshandlung am Vergänglichen" (S. 45). „Das
Gemeinsame ist, daß der Künstler in jedem Falle retten will.
Er wird von irgendetwas erschüttert, in Schmerz oder in
Freude, und es regt sich in ihm das heiße Gefühl: wie halte
ich das? Das heißt aber für ihn: wie gestalte ich das?
Dies wiederum heißt zugleich immer: wie verwandele ich
das ? - In diesem Wunsche und in dieser Frage lebt das erste
Grundgefühl mindestens aller späteren Künstler" (S. 46).
„Nur der Künstler macht Erinnerung schöpferisch. Nur er
nämlich gestaltet sie, wobei nicht das Augenblickliche, sondern