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Ausgabe:

1952 Nr. 5

Spalte:

286-287

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Molde, Bertil

Titel/Untertitel:

Källorna till Christian III:s Bibel 1550 1952

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 5

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lieh des Lebens nach dem Tode erklärt sich daraus, daß das Buch Daniel
noch nicht allgemein anerkannt war. War es überhaupt schon geschrieben?
Das biblische Weltbild ist irrig, nur heilsgeschichtlich brauchbar. Aber die
Bibel ist doch irrtumslos!

Nach Mark. 6, 8f. erlaubt der Herr den Aposteln Stab und Sandalen,
nach Matth. 10, 10 verbietet er beides. Wenn hier Hör- und Gedächtnisfehler
vorliegen, so gingen sie der Inspiration voraus! Die Evangelisten wollten gar
nicht jede Einzelheit der Anordnung des Herrn in ihrem materiellen und buchstäblichen
Wortlaut für sich gesondert verbürgen. Ein Evangelist hat seine
Aufgabe erfüllt, wenn er die Worte Jesu inhaltlich genau mitteilte. Eine wörtlich
genaue Wiedergabe forderte weder der Heilszweck der Schrift noch die
menschliche Gewohnheit. Aber Johannes? Israel und Jerusalem sind in den
messianischen Weissagungen als Träger und Ort d?r Gottesoffenbarung gemeint
. Darum sind diese Weissagungen in der Kirche mit Rom als ihrem
Mittelpunkte wesenhaft erfüllt. Ähnlich sophistisch werden die kleinen Abweichungen
in Mt.8, 5ff. und Lk. 7, 2; Mt. 18, 1 Par; 8, 2 Par ausgeglichen.
Mit Mt. 10, 23 wollte Jesus keine Aussage über den Zeitpunkt seiner Wiederkunft
machen, sondern nur von seinem hilfreichen und richterlichen Kommen
als Vorwegnahme seiner Parusie reden oder sein endzeitliches Kommen als
Ziel an den Abschluß der apostolischen Judenmission stellen, weil er durch
diese hindurch die ganze Weltmissionsarbeit seiner Kirche sieht. Lk. 9, 27 ist
schon durch die sechs Tage später erfolgte Verklärung Jesu erfüllt. Jesus redet
nicht vom Kommen seines Reiches, sondern vom Sehen der Auserwählten.
Verf. ist vermöge seiner Vertrautheit mit der Tradition um eine Auskunft niemals
verlegen, verschleiert aber dadurch ständig sich und seinen Lesern die
Problematik der geschichtlichen Tatbestände.

Wie wenig ein geschichtliches Verständnis der Offenbarung erreicht und
wie das Prinzip doch ständig durchbrochen wird, zeigt sich besonders in der
Unterscheidung verschiedener Inspirationsgrade und -möglichkeiten. Der Verfasser
des 2. Makkabäerbuches, dem sein Auszug aus den fünf Büchern des
Jason von Kyrene Schweiß und Nachtwachen verursachte, scheint sich seiner
Inspiration nicht bewußt gewesen zu sein. Ihm und anderen heiligen Schriftstellern
mußte sie erst geoffenbart werden. Wie wirklichkeitsfremd mutet
das an!

Der zweite, erheblich umfangreichere Teil des Buches behandelt
den Weg zum Verständnis der Heiligen Schrift, den
Wortsinn, die Ausdrucksweise, in bunter Reihe die literarischen
Arten: Prophetenrede, Gesetz, Geschichtschreibung, Naturbeschreibung
, Lyrik, Weisheitsliteratur, Apostelbriefe. In
diesen Abschnitten steckt eine Menge von Kleinarbeit, die
diese kurze Besprechung nicht anschaulich machen kann.
Manchmal folgt man dem Verf. gern. Gut gelungen scheinen
mir z. B. die Ausführungen über stillschweigende Bedingungen
prophetischer Drohreden und über die Weisheitsliteratur. Bei
der Behandlung von Parabel und Allegorie bleibt seltsamerweise
Jülicher unerwähnt. Verf. arbeitet sehr stark mit rhythmischer
Textgliederung und Zahlensymbolik. So schon in der
Vorgeschichte, in der Adamiten- und Semitenliste, im Aufbau
des Pentateuchs — überall bemerkt er staunend Ordnung und
Harmonie. Zu einem Teil mag er recht haben: dem Orientalen
liegen solche Dinge. Er geht aber wohl zu weit. Die Quantität
erdrückt die Qualität. Die weniger zahlreichen Zahlenhin weise,
die Martin Buber in seinem neuen Buch über Israel und Palästina
gibt, wirken eben deshalb wuchtiger. Jene Hypertrophie
wäre erträglicher, wenn nicht Wichtiges fehlte. Wo bleibt die
numinose Verborgenheit und unerbittliche Heiligkeit Gottes ?
Diese Begriffe fehlen nicht bloß im Register, sondern eigentlich
im ganzen Buch. Gott wird zu einem relativ harmlosen Hierarchen
, der, selbstverständlich durch seine Beauftragten, den
Papst an der Spitze, die Heilsgeschichte und die Welt mit einer
Ordnungsliebe regiert, welcher der besinnliche und an der Tradition
gebildete Mensch verhältnismäßig leicht auf die Spur
kommt.

Die beiden letzten Kapitel über den geistigen Sinn der
Schrift, die Mittel und Gesetze für die Hebung des Schriftsinns
streben über den Literalsinn hinaus einer übergeschichtlichen
Auslegung zu und wollen insofern Richtiges. Sie zeigen aber
den Verf. fest im Bann der Tradition, speziell der herkömmlichen
Allegorese. Das Dogma steht über der Schrift. Das Geheimnis
, daß Gottes Offenbarung Geschichte wurde, ist nicht
erfaßt, die Aufgabe, aus dem geschichtlich gegebenen Wort die
Stimme Gottes für unsere ebenfalls geschichtlich geprägte Gegenwart
herauszuhören, nicht erkannt, geschweige denn gelöst.
Was hilft es, daß in den Bibelrundschreiben zumal des jetzigen
Papstes Pius XII. öfter ein frischerer Luftzug bemerkbar wird,
daß die Kirche die Ehrfurcht vor dem heiligen Buchstaben
immer wieder mit allem Nachdruck beteuert, wenn dieselbe
Kirche sich faktisch nicht gehorsam unter die Schrift stellt,
sondern an entscheidenden Punkten ohne die Schrift, ja, gegen
sie, ihrer Tradition folgt, wie es die Dogmatisierung der Himmelfahrt
Maria kürzlich wieder gezeigt hat ? Man scheidet von
dem Buch zwar in Dankbarkeit für das ernste Bemühen des

Verfassers um das Geheimnis des Gotteswortes, aber doch auch
nicht ohne das schmerzliche Bewußtsein, wie weit wir von
einer ehrlichen Verständigung der Konfessionen über die
Grundlagen des Glaubens noch entfernt sind.

Leipzig Albrecht Oepke

Moide, Bertii: Källorna tili Christian III» Bibel 1550. Textfilologiska

studier i reformationstidens danska Bibelöversättningar. Lund: Gleerup;
Kopenhagen: Rosenkilde og Bagger [1949]. VIII, 256 S. gr. 8°. skr. 10.—.

Man kann die Absicht dieses Buches, das auf ebenso mühsamen
wie exakten philologischen Studien beruht, für theologische
Leser auf die Formel bringen: Wieso und inwieweit
war die erste offizielle dänische Reformationsbibel, nämlich
die Bibel Christians III. von 1550, eine (dänische) Lutherbibel
? König Christian III. von Dänemark (1536—1559) hatte
eine Bibelkommission mit dem Auftrag eingesetzt, eine soweit
als möglich Luther folgende dänische Ubersetzung der Bibel
herauszugeben. Die Frage ist nun: a) An welche Lutherbibel
schloß sich die Kommission an ? b) Schloß sich die Kommission
bloß an diese Lutherbibel an ? Christian Molbech hatte 1840
die Ansicht vertreten, es sei die Vorlage der Bibel Christians
III. die (hochdeutsche) Lutherbibel von 1541 gewesen.
Anfangs des 20. Jahrhunderts hatte dann Lis Jacobsen an
die Stelle der Lutherbibel von 1541 die (hochdeutsche) Lutherbibel
von 1545 gesetzt, und zwar in dem Sinne: Luthers Bibel
von 1545 (gedruckt 1546) war die einzige Vorlage der Bibel
Christians III.! Diese Thesen Jacobsens wurden Gemeingut
der gelehrten Öffentlichkeit. Nun zeigt aber Bertii Moide in
der uns vorliegenden Untersuchung, daß zwar die Lutherbibel
von 1545 eine der Vorlagen für die Bibel Christians III. war,
sogar die entscheidende Vorlage — aber keineswegs die
einzige Vorlage. Vielmehr spielte eine nicht unwichtige Rolle
als Vorlage auch die niederdeutsche Lutherbibel von 1534,
welche im Norden leichter verstanden wurde als die hochdeutsche
Bibel —, denn die dänischen Studenten an den norddeutschen
Universitäten sprachen dort (wie die aus Schweden)
niederdeutsch; und das tat nun seine Wirkung bis in die damalige
Bibelkommission hinein. Da es vor der Bibel Christians
III. mindestens schon eine dänische Vollbibel gab,
nämlich die %-on Christian Pedersen 1543 fertiggestellte (aber
längst nicht mehr vorhandene), so sucht Moide in den (vorhandenen
) Teilübersetzungen Pedersens (NT 1529, neu 1531 —
Psalterium 1531, ed. Brandt 1854) Ubereinstimmungen mit
Luther und Abweichungen von Luther, nämlich in den Lutherbibeln
vor 1541. Diese Lutherbibeln bzw. eine davon, spielen
ihre Rolle auch in der Psalter-Ubersetzung von Vormordsen
1528, dem Pentateuch von Hans Jansen 1535 (gedruckt in
Magdeburg bei Michael Lotter), dem Richterbuch von Peder
Tidemand 1539, der Weisheit- und Sirach-Ubersetzung von
Tidemand 1541 (gedruckt bei Hans Walther in Magdeburg).
In Vormordsens Psalter und Tidemands Weisheit und Sirach
hat wohl die niederdeutsche Lutherbibel von 1534 die Hauptrolle
; in Vormordsens und in Pedersens „Psalter" kommt das
Psalterium quineuplex des Faber Stapulensis zur Bedeutung,
in Tidemands Weisheit und Sirach die Vulgata als solche.

Die Bibelkommission Christians III. nahm nun als Grundlage
die Vollbibel Pedersens von 1543 und arbeitete daran neu
mit der (hochdeutschen) Lutherbibel von 1545 und der niederdeutschen
Lutherbibel von 1534; außerdem mit der Vulgata,
welche den Damaligen vertrauter war als alle anderen Texte;
fast gar nicht mit der hebräischen Bibel und der Septuaginta;
einigermaßen mit der schwedischen Reformationsbibel Gustav
Vasas 1541 (die wieder mit der niederdeutschen Lutherbibel
1534 gearbeitet hatte) Luthers Vulgata-Revision von 1529 (ist
sie von Luther?) und des Erasmus lateinische Ubersetzung
des NT scheinen von der Kommission nicht benützt worden
zu sein. Ebenso nicht das dänische NT 1524 von Mökkelsen
und Christian II. (gedruckt in Wittenberg). Auch nicht die
vorreformatorischen Teilübersetzungen, welche Molbech 1828
herausgegeben hat (außer Stücken von Psalmen- und Peri-
kopenübersetzungen, letztere aus dem Schwedischen, dürfte
sonst überhaupt nichts vorreformatorisch-dänisches vorhanden
gewesen sein).

Was den Wortschatz der Bibel Christians III. angeht, so
hat Moide grundlegende Forschungen getan. Den stärksten
Einfluß übte nach Moide im Wortschatz Tidemand auf die
Bibel Christians III., aber beinahe ebenso Tausen, weniger
Vormordsen und Pedersen. (Uber Tidemands Wortschatz
bringt Moide S. 167—189 eine bedeutende Untersuchung
.)

Ist Moides Werk eine vorbildliche Leistung für die nordische
Philologie, so werden die Theologen daraus den Schluß
zu ziehen haben: Eine eigentliche Lutherbibel war die Bibel