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Ausgabe: | 1952 Nr. 4 |
Spalte: | 245-246 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Autor/Hrsg.: | Haendler, Otto |
Titel/Untertitel: | Die Predigt 1952 |
Rezensent: | Fendt, Leonhard |
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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4
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daß seit der Reformationszeit immer mehr der Staat zum
einigenden Band in einer sich mehr und mehr spaltenden Christenheit
geworden ist und nur dadurch (sie!) seine heute so
verhängnisvall dominierende Stellung gewonnen hat" (109),
ist reichlich schief und verdeckt die hier vorliegenden Probleme
, anstatt sie zu erhellen.
Dersekow b. Greifswald E.Schott
PRAKTISCHE THEOLOGIE
Haendler, Otto, Prof. D.: Die Predigt. Tiefenpsychologische Grundlagen
und Grundfragen. 2., durchgearb. u. erw. Aufl. Berlin: Töpelmann 1949.
XV, 328 S. gr. 8°. Pp. DM 12.50.
Otto Haendlers Buch „Die Predigt" liegt nun seit 1949 in
zweiter Auflage vor und fordert von der theologischen Welt
eine Entscheidung. Nicht etwa bloß von den Homiletikern,
sondern von der gesamten theologischen Welt; denn „die Predigt
", das ist bei Haendler zuvörderst die Abkürzung für den
Prediger, und dieser wiederum ist die Abkürzung für den Glaubenden
(und Missionierenden), der Glaubende (und Missionierende
) aber ist der Christ, der ,,in Christo" Existierende. So
geht es in dem Buch um die Fundamente. Diesen Fundamenten
aber kann nach Haendlers Generalthese die Theologie nur
dann gerecht werden, wenn sie sich mit der Psychologie, ja geradewegs
mit der Tiefenpsychologie der Richtung Jung, demnach
mit den Erfahrungen der Jungschen Psychotherapie bewaffnet
. Die Theologie wird dabei nicht in Psychologie verwandelt
, die Psychologie wird nicht in Theologie verwandelt;
es bleibt vielmehr bei der heutigen aus Gottes Wort reformierten
Theologie und bei der christlichen Praxis aus dem Worte
Gottes. Aber es werden die Linien der Theologie und der christlichen
Praxis jedesmal bis in .die psychologischen Vorräume
weiter ausgezogen, und es wird nicht bloß behauptet, sondern
gezeigt, daß diese Vorräume am nachhaltigsten durch Tiefenpsychologie
bzw. Psychotherapie erreicht werden. Und es geschieht
diese Linienziehung und Tiefenlotung, weil der Christ
(also der Glaubende und Missionierende, also auch der „Prediger
") auf die Offenbarung psychologisch, nämlich tiefenpsychologisch
reagiert! Ja diese psychologische Reaktion hat
ihr Schicksal nicht bloß dort, wo Bewußtes spielt, sondern erst
recht und letztlich im Unbewußten. Und eben darum gehört
Psychologie, darum gerade Tiefenpsychologie und Psychotherapie
an die Seite der Theologie. So Haendler. Ohne Zweifel gehört
ein Stück Heldenmut dazu, heutzutage der eben gerette-
teten Theologie des „Wortes" die Durchleuchtung durch Psychologie
, ja Tiefenpsychologie und Psychotherapie, nicht bloß
anzuraten, sondern abzufordern! Immerhin muß dem Forderer
zugestanden werden, daß auch der Rigorismus des „Wortes"
das „Subjekt" des Verkündigers und des Hörers (erst recht
des Täters) nicht aus der Beteiligtheit entlassen kann — und
nach Ausweis langer und intensiver Erfahrung auch nicht
entläßt, sondern radikalisiert. Dies „Subjekt" nun gerade des
Verkündigers und des Hörers des „Wortes", unter dem
„Worte", gewiß, aber eben „Subjekt", einmal nicht bloß „Objekt
", gilt es zu studieren, ja (man erschrecke nicht) zu erziehen
, zu dirigieren. Entweder man bleibt theologisch dabei:
„Das tut alles das „Wort" allein!" Oderman macht sich bereit,
eine neue Stufe zu ersteigen, mit Haendler, also nicht die heutige
theologische Stufe zu verleugnen, nein, sondern von ihr
aus eine neue Stufe zu erreichen. Diese Entscheidung verlangt
das Haendlersche Buch. Im Namen der heute möglichen psychologischen
Erkenntnisse über das „Subjekt"! Welche Erkenntnisse
eben viele der psychologischen Gänge der Theologen
(denen auch sie sich nicht entziehen können) als dilettantisch
oder gar als falsch hinstellen, zum mindesten aber das an
sich Richtige daran wesenhaft unterbauen und praktisch ausweiten
. Zwischen den Zeilen taucht auch die andere Begründung
auf, die wir so fassen wollen: Die Theologie des „Wortes"
ist eminent fähig, die „ontische" Linie (Gott wirkt allein unser
Heil!) auszuziehen; aber die andere Linie (unser Beteiligtsein
!) ist immer noch bloß „punktiert", weil man es nicht wagt,
diese „psychologische" Linie ebenso eifrig zu studieren. Begreiflich
nach all den Vergangenheiten! Dennoch: es liegt da
ein Horst von Freibeutern, solange hier nicht die Theologie
Nester baut — und das auch mit Hilfe der Psychologie. Es geht
nicht um „zwei Offenbarungsquellen", nicht um „Anthropo-
zentrismus", nicht um „Psychologisierung", sondern um den
Menschen unter Gottes Wort.
Ob das aber gerade mit Tiefenpsychologie und Psycho-
therapeutik zu geschehen hat, das ist eine andere Frage. Doch
wird Haendlers Buch auch im Anders-Falle seine wissenschaftliche
Bedeutung behalten, denn auf jeden Fall hat Haendler
die Notwendigkeit und Reichweite der Psychologie als Theologe
an der Tiefenpsychologie exemplarisch geschildert — und
dieses Exemplarische eben ist die wissenschaftlich bedeutende
Leistung Haendlers.
Haendlers Buch als eine „Homiletik" zu lesen, ist anstrengend
, aber ertragreich. Anstrengend, weil er überall vom
Glaubenden redet ,und nur sprungweise immer wieder aber auf
den Prediger spezifiziert. Ertragreich, weil so das eigentlich
Homiletische als die vorderste Kampffront des gesamten
Christseins offenbar wird. Trotzdem dürfte es sich empfehlen,
beim „homiletischen Leisten" zu bleiben, d.h. ein Büchlein
über die „eiserne Ration" der Predigtarbeit aus dem Buch
„Die Predigt" auszuziehen, zu welchem Büchlein dann das
große Buch den theologischen und psychologischen Hintergrund
, Untergrund, Lebensgrund beisteuert. Es besteht sonst
die Gefahr, daß die Homiletik in die universale Behandlung
hinein verschwindet — wie es schon des öfteren der Fall war.
Haendler wird ja selbst zugeben, daß sein Buch „Die Predigt "
auch auf die Liturgik, die Poimenik, die Katechetik, ja die
Hermeneutik hinausgeht, von der Erziehungslehre zu schweigen
. Das ist gewiß ein großer Vorzug, mitsamt dem Titel „Die
Predigt" — aber die Homiletik dürfte Grund zu einem Seufzer
haben.
Den auch Haendler gegenüber möglichen Fachstreit um
die quaestiones internae der Homiletik wollen wir angesichts
des weittragenden Inhalts des Haendlerschen Buches nicht zu
Worte kommen lassen. Nur soviel sei angemerkt: Daß jene
quastiones internae von der Tiefenpsychologie her so beurteilt
werden können, vielleicht müssen, wie Haendler es tut, das bestreitet
unsereiner nicht. Wohl aber: daß gerade diese Fragen
strikte dem Urteil der Tiefenpsychologie unterstehen! Oder:
daß der Nicht-Tiefenpsycholog darin fehlgehen müsse! Oder:
daß Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Homiletik gerade
an der Tiefenpsychologie zu messen sei! (Nicht bestritten
wird jedoch, daß es jedem zu empfehlen ist, sich der Haendlerschen
Prüfung freiwillig auszusetzen!)
Der Unterzeichnete hat die 1. Auflage des Haendlerschen
Buches seinerzeit in derThLZ dringend empfohlen, so empfiehlt
er erst recht diese 2. Auflage. Denn auf jeden Fall wird in dem
Buche von der Theologie her Neuland erobert. Dabei muß das
Urteil über die Haendlersche Darstellung der Tiefenpsychologie
den tiefenpsychologischen Fachkollegen Haendlers, das
Urteil über die Tiefenpsychologie als solche den Psychologen
insgesamt überlassen werden. Tatsache bleibt doch: Haendler
hat unseren Blick erweitert.
Bad Liebenzell Leonhard Fendt
Krummacher, Friedrich-Wilhelm: Amt und Dienst in der Gemeinde.
Berlin: Evang. Verlagsahstalt [1949]. 79 S. 8° = Kirche in dieser Zeit H. 10,
hrsg. v. F. Bartsch und G. Brennecke. DM 3.50.
Dieses Heft ist eine ausgezeichnete Einführung in die
Lehre vom Amt, zugleich in die Amtsauffassung der „Grundordnung
der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg"
von 1948. Die Praktische Theologie ebenso wie die Praxis, der
Kirchenrechtler wie der Pastor haben hier eine Zusammenfassung
des Stoffes und eine seelsorgerliche Durchleuchtung dieses
Stoffes, wie sie (bei aller Hochachtung vor den Leistungen der
anderen) anderswo in dieser klaren, vollen und herzlichenArt
nicht zu finden ist. Wenn die Schrift zugleich eine Programmschrift
ist, deren Inhalt erst Praxis zu werden beginnt und erst
aller Förderung bedarf, so ist diese Programmschrift überall
theologisch so gut unterbaut, daß sie Stringenz hat. Etwas wie
einen Widerspruch könnte der Rezensent nur dagegen anmelden
, daß für die Vergangenheit zuviel Schatten verwendet
wird, vom Gemeindekirchenrat und der Gemeindevertretung
an bis hinauf zum Pfarrer. Es war damals nicht so dunkel —
und jetzt ist es noch nicht so hell! Aber darüber sei kein Zweifel
gelassen: Wenn Krummacher und die „Grundordnung" in der
Praxis durchdringen, dann ist mit Amt und Dienst ein Schritt
zu Christentum und Reformation getan, der in der alten Ordnung
nicht aufkam, da sie „durch das Fleisch geschwächt war"
(Rom. 8, 3). — Daß „der Sinn des Wortes ecclesia" sei: „die
Gemeinschaft derer, die „herausgerufen" sind von ihrem
Herrn", wird in dieser Form von den Neutestamentlern bestritten
. Doch tut das der Krummacherschen Schrift keinen
Abbruch.
Bad Liebenzell Leonhard Fendt
Nigg, Walter: Gebete der Christenheit hrsg. Hamburg: Agentur des
Rauhen Hauses [1950]. 319 S. 8°. Lw. DM 8.80.
Der Züricher Kirchenhistoriker Walter Nigg, der sich mit
seinen Büchern: „Große Heilige", „Religiöse Denker", „Das
ewige Reich", „Das Buch der Ketzer" bekannt gemacht hat,
bietet uns Gebete der Christenheit in 12 Gruppen mit einem