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Ausgabe:

1952 Nr. 4

Spalte:

235-239

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Garbett, Cyril

Titel/Untertitel:

The claims of the church of England 1952

Rezensent:

Roth, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4

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gegangen ist, kommt er mit echt englischem Realismus auch
auf mehr im Unbewußten, aber desto tiefer liegende Hemmungen
, wie sie namentlich C. H. Dodd auf Grund langjähriger
Erfahrung in der ökumenischen Debatte ins Bewußtsein
gehoben hat. Dieser stellt die Frage, „ob wir letztlich
nicht mehr darum besorgt sind, das Gesicht unserer eigenen
Denomination zu wahren, als um die Una Sancta".

Zu alledem kommen noch Motive, die weder aus dem
theologischen noch aus dem kirchlichen Bereich stammen,
sondern aus dem geschichtlichen, politischen, sozialen, rassischen
, soziologischen, kulturellen bis hin zu dem Machtstreben
derer, die in ihrer Kirche eine führende Rolle spielen und behalten
wollen.

Der Wert der Tomkinschen Schrift liegt darin, daß sie
keinem Problem ausweicht und doch von einem zuversichtlichen
Glauben an die in Christus geschenkte Einheit getragen
ist. Eine Zusammenstellung der auf Teilgebieten in den letzten
Jahrzehnten tatsächlich erzielten „Fortschritte" kann auch
denen Mut machen, denen die Schrift die ganze Problematik,
mit der die ökumenische Bewegung und der Ökumenische Rat
der Kirchen ständig zu ringen hat, von neuem vor Augen
stellt. Was bleibt, ist die noch immer geltende Verheißung
Christi: „Er werde bei denen sein, die in Seinem Namen zusammenkommen
, und werde denen den Heiligen Geist schenken
, die ihn vom Vater begehren."

In einem Anhang werden Fragen für weiteres Studium und Gespräch
formuliert, die den Leser zum Nachdenken über die eigene Denomination und
über die Einheit der Kirchen anregen. — Ein ökumenischer Glossar versucht
eingangs die Sprachverwirrung auf diesem Gebiete zu klären, was bei der Übersetzung
ins Deutsche nur teilweise gelingen konnte. Bis auf eine oder zwei Unebenheiten
(z. B. Vollstreckung p. 52) ist die Übersetzung flüssig. — Die Bibliographie
am Schluß ist für den deutschen Leser verkürzt.

Friedewald C. G. Schweitzer

Garbett, Cyrii: The Claims of the Church of England. London: Hodder

and Stoughton 1947. 304 S. 8°.

Es gehört bekanntlich zu den Erfahrungen, die sich bei
ökumenischen Begegnungen am meisten aufdrängen, daß die
kirchlichen Gruppen sich untereinander weniger kennen und
weniger voneinander wissen, als für ein fruchtbares, auf gegenseitige
Annäherung zielendes Gespräch nötig wäre. Durch
nichts kann diesem Mangel besser abgeholfen werden, als durch
umfassende Selbstdarstellungen, die objektiv genug sind, vom
heutigen Standpunkt aus das Bild der jeweiligen Kirche mit
ihren Licht- und Schattenseiten in einem historischen Rahmen
zu zeichnen.

Diese Aufgabe hat der derzeitige Erzbischof von York,
Dr. Garbett, für die anglikanische Kirche in einer in mancher
Beziehung vorbildlichen Weise erfüllt. Das Buch, das er seinen
Eltern gewidmet hat, atmet mit den mannigfach eingestreuten
persönlichen Erlebnissen die ganze liebenswürdige unfanatische
Wärme eines tiefüberzeugten Kirchengliedes, das theologisch
so ungefähr die Mitte der anglikanischen Mittelposition
einnimmt und zugleich scharfsinnig genug ist, auf eine Reihe
von Reformen zu drängen.

Das landläufige Urteil über die Weitherzigkeit der Angli-
cana Ecclesia ist nicht immer das günstigste. Von römisch-
katholischer Seite heißt es etwa im Dictionnaire de Theologie
Catholique über den Anglikanismus: „Die Kirche von England
läßt jede Lehre zu, die als christlich bezeichnet werden kann.
Sie verwirft immerhin auf der einen Seite den Sozinianismus
und auf der andern Seite, was sie als römische Verderbtheit
bezeichnet. Und doch kann man in ihr beides finden, Sozini-
aner und Leute, welche die gesamte römische Lehre vertreten."
Aus der Ostkirche kann man Stimmen hören, daß die orthodoxe
Theologie in manchen Lehrstücken mit der radikaleren
lutherischen und reformierten besser harmoniere als mit einer
so weitherzigen Position wie der anglikanischen. Und in evangelischen
Kreisen fehlt es erst recht nicht an Bedenken und
Vorbehalten gegenüber dem Anglikanertum. Die Kehrseite
freilich ist ein anglikanisches Selbstbewußtsein, wie es etwa die
Formel des Erzbischofs Magee ausdrückt: „Wenn ich von Religion
spreche, so meine ich Christentum, und mit Christentum
meine ich Protestantismus, und Protestantismus heißt für mich
die Kirche von England, wie sie durch Staatsgesetz aufgerichtet
wurde."

Es ist reizvoll zu sehen, wie das, was wir Außenstehende
als Nachteil anzukreiden pflegen, von anglikanischer Seite
nicht ohne eine gewisse Uberzeugungskraft als Vorzug gerühmt
werden kann. Es ist eine heilsame Zerreißprobe, welche
die anglikanische Kirche angesichts der in ihr vorhandenen
Spannungen und Gegensätze andauernd zu bestehen hat. Es
ist auf dieses Durchhalten und gegenseitige Sich-ertragen gemünzt
, wenn Verf. sagt: „In other Church es one or more of these
characteristics can be fund, even in a higher degree than in
our own Church, but in no other Church are present all four-
Catholic, Reformed, Sound Learning and Toleration" (S. 14).
Das Beieinander dieser Merkmale sichert der anglikanischen
Kirche „an unique place among the Churches of Christendom"
(S. 13), und Verf. will in seinem Buch „an account in broad
outline of the nature, the work and the claims of the Church
of England" geben (S. 5).

Das katholische Element ist an folgenden Faktoren erkennbar: ,,A
Church to be Catholic must hold the Catholic Faith, treasure the Catholic
Scriptures, administer the Catholic Sacraments, and retain the Catholic
Ministry" (S. 17). Unter katholischem Glauben versteht Verf. die Anerkennung
der drei alten Symbole und eine ökumenische Haltung in Gebet und
Leben. — Mit katholischen Schriften meint er „belief in the authority and
inspiration of the Scriptures" (S. 18). Zur Auslegung der Schrift bedarf man
allerdings der Tradition, welche als das korporative Gedächtnis der Kirche
„helps us to understand the bible and to select its fundamental problems"
(S. 37). Die Tradition ist „not a rival or an alternative authority to the Scriptures
", vielmehr macht sie nur „clearer their meaning" (ib.). Da die Tradition
jedoch nicht frei ist von Widersprüchen, muß auch die Vernunft zu Hilfe
.genommen werden: „Reason must be used to weigh the opposed arguments
and to decide on the conclusion" (ib.). Katholische Sakramente sind Taufe
und Abendmahl, „ordained by Our Lord Himself as generally necessary for
salvation" (S. 18). — Mit dem katholischen Amt ist das in der Lehre von
der apostolischen Sukzession verankerte „threefold ministry of Bishops,
Priests and Deacons" (S. 18) gemeint.

Im Unterschied zu den kontinentalen Reformatoren, die
mit der Kirche des Mittelalters brachen, um an die Alte Kirche
anzuknüpfen, ist das katholische Element in der anglikani-
nischen Kirche stark genug, um eine durchgehende Kontinuität
zu vertreten: „Frorn this ancient and mediaeval Church
there has never been any complete break" (S. 14).

Das reformatorische Element umfaßt für die anglikanische Kirche
neben der Beseitigung von Mißbräuchen vier „permanent boons of incalcu-
lable value", nämlich „freedom from the Papacy, spiritual freedom for the
individuai Christian, freedom of access to the Scriptures and to their study,
and openness and simplicity in its Services" (S. 19).

Die Freiheit vom Papst ist durchaus der Kardinalpunkt, aus dem sich
die weiteren von selbst ergeben. Der Anstoß, der am Papsttum genommen
wird, sein vielfaches Politisieren, sowie seine exorbitanten Machtansprüche
und das Dogma der Infallibilität „has further widened the breach" (S. 20).
Kurzum, „The Church of England and the Eastern Churches stand for Ca-
tholicism without the Papacy" (S. 20).

Doch so einfach, wie es sich zunächst auszunehmen
scheint, ist das Zusammenkommen von katholischen und reformatorischen
Faktoren nicht. Denn damit ist sofort das Problem
der Präponderanz der einen oder der andern Seite da,
die ihren Ausdruck hier in der evangelikalen, dort in der anglo-
katholischen Richtung gefunden hat. Der Standpunkt des Erzbischofs
von York ist für keine dieser beiden Richtungen verbindlich
, sondern repräsentiert nur die zentra 1-anglikanische
.

Es ist interessant zu bemerken, welche Abstriche diese an
den beiden extremen Positionen vornimmt. Gegenüber der
anglo-katholischen wird die Transsubstantiation neben dem
Arianismus und dem Pelagianismus zu den Irrtümern gerechnet
(S. 40) und außerdem von unloyalen Extremisten gesprochen
, (,',Disloyal Priests"), die im Unterschied zur großen
Masse der Hochkirchler sich gegenüber der anglikanischen
Kirchenleitung obstinat gebärden und wohl bei Rom landen
werden (S. 140). Die Abgrenzung gegenüber den Evangelikaien
wird greifbar bei der Stellung zu den 39 Artikeln, welche
nicht in allen Stücken als verbindlich betrachtet werden („It
would be impossible for any intelligent man to give whole-
hearted assent to every sentence in every Article" (S.35). Eine
gewisse Schwierigkeit macht dabei der Ordinationseid, für den
Verf. eine vereinfachte Form wünscht, wie denn überhaupt
von dieser Mittelposition aus in der Praxis darauf hingewiesen
wird, daß der Ordinand sich nicht „to every individuai Article,
but to a general. . .acceptance of the doctrinal position" verpflichte
(S. 35). Hier werden die Grenzen der zentral-anglikanischen
Richtung sichtbar.

Mit dem dritten Element, der „gesunden Lehre", meint Verf. die Furchtlosigkeit
vor der historisch-kritischen Methode und die Auswertung neuer
Forschungsergebnisse zur Fortbidung und gegebenenfalls zur Revision der
eigenen dogmatischen Position. Die römische Kirche dagegen „has excom-
municated or denounced its members, who have accepted the new dicoveries,
and has discouraged any serious attempt to reconcile them with the old
faith" (S. 24). Für die Kirche als solche wird die Infallibilität abgelehnt,
denn nirgends hat Christus gesagt, „that His Church might not temporarily
fail before the forces of evil or might not sometimes fall into error" (S. 38).