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Ausgabe:

1952

Spalte:

233-234

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Pfister, Kurt

Titel/Untertitel:

Königin Christine 1952

Rezensent:

Lerche, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4

234

er auf den Kirchenstaat nicht verzichten zu können und deshalb
wurde er Gegner des Dreibundes; die universalistische
Papstidee ließ ihm auf der anderen Seite die Unterstellung der
Griechisch-orthodoxen Kirche unter den Papst als höchstes
Ziel erscheinen, zumal er mit vielen seiner Zeitgenossen der
Meinung war, daß dem Slawentum die Zukunft gehöre. Das
unentwegte Bemühen Leos XIII. um die Freundschaft Rußlands
wird von hier aus doppelt, ja dreifach verständlich. Will
man es kritisieren, so muß man entweder eine tiefgrabende
theologische Kritik an der Idee des Papalismus üben oder
zeigen, daß die Mittel der päpstlichen Politik nicht immer der
Heiligkeit ihres Zieles angemessen waren.

Obwohl die Kritik Winters im allgemeinen nicht bis in
diese letzten Tiefen geht, ist das Buch, das durch eine Zeittafel
, durch Dokumentbeilagen im Umfang von 45 Petitdruckseiten
und ein alphabetisches Namensverzeichnis trefflich ergänzt
ist, eine auch für die Kirchengeschichtsforschung sehr
ergiebige Erscheinung.

Marburg/Lahn Ludolf Müller

Pf ister, Kurt: Königin Christine. Mensch, Staat und Kultur der Welt des
Hochbarock. München: Münchner Verlag [jetzt: Bruckmann] [1949]. 204 S.,
mehr. Bl. Abb. 8°. Hlw. DM 14.50.

„Königin Christine" ist in den letzten Jahren ein fester
Begriff geworden, dessen sich sogar das Filmtheater bemächtigt
hat. An der Zahl der literarischen Behandlungen gemessen, die
dies Thema in den letzten Jahrzehnten gefunden hat, bedeutet
diese Königin viel mehr als ihr Vater Gustav Adolf und als
das Land Schweden überhaupt. Dabei ist gar nicht daran zu
zweifeln, daß die Behandlung, die Leopold v. Ranke (1839)
diesem Thema hat angedeüien lassen (die römischen Päpste in
den letzten vier Jahrhunderten Buch 8: Digression über
Königin Christine von Schweden), richtig, vollständig und
objektiv ist. Auch die neueste katholisch-offiziöse Darstellung
von K. Bihlmeyer im „Lexikon für Theologie und Kirche"
Bd. 2 (1931) geht nicht darüber hinaus. So bleibt auch der
Verf. dieses neuen Buches im wesentlichen, also im Geschichtlichen
und in der Wertung der Persönlichkeit auf Rankes
Schultern stehen: Neues kann man zu diesem Beispiel von
totaler Emanzipation nicht gut sagen. Was Verf. im Texte
bietet ist daher ein Querschnitt durch den gegenwärtigen
Stand des Wissens und der Beurteilung über die Königin
Christine von Schweden. Neu und eigenartig ist dagegen die
Bebilderung des Themas durch eine reiche Fülle von Abbildungen
: Porträts, Landschaften, historische Szenen und Auftritte
, Denkmäler aller Art, Architekturstücke, Theaterszenen
und Originalbilder der Zeit, durchweg Wiedergaben nach
guten historischen, zum Teil nicht leicht zugänglichen Originalen
. So wird die exaltierte Königin in ihre Zeit hineingestellt
und die „Welt des Hochbarock" mit allem, was sie
aufzuweisen hat, wird um eine exaltierte Frau lebendig.

Wir benützen gern diese Veranlassung auf zwei andere
Bücher des Verf.s hinzuweisen, und zwar auf:

Pfister, Kurt: Kurfürst Maximilian von Bayern und sein Jahrhundert
. München: Ehrenwirth [1948]. 423 S. m. 139 Abb. gr. 8°. Lw.
DM 28.—.

Das Jahrhundert Maximilians ist dasselbe wie das der Königin
Christine, aber die Welt um den eigentlichen Gründer des Bayerischen
Staates ist die der deutschen Renaissance, und Kurfürst
Maximilian ist der eigentliche Sieger oder besser Gewinner des
Dreißigjährigen Krieges. Man wird wohl ertragen, wenn
diesem Fürsten innerhalb der blauweißen Grenzpfähle der Beiname
des Großen gegeben wird, aber es war etwas zu viel des
Guten, wenn man anläßlich der 300 jährigen Zugehörigkeit der
Oberpfalz zu Bayern der evangelisch-lutherischen Kirche
Dank- und Jubelgottesdienste zumutete.

Pfister, Kurt: Maria Theresia. Mensch, Staat und Kultur der spätbarocken
Welt. München: Münchner Verl. [jetzt: Bruckmann] 1949. 276 S. m. 79 Abb.
8°. Hlw. DM 18.50.

Ein Buch, dessen Thema geradezu zum Vergleich mit der
Königin Christine herausfordert, aber nicht zum Vorteile der
schwedischen Fürstin. Auch in diesen beiden Büchern, die
deutschen Fürsten gewidmet sind, die in der Bevölkerung ihrer
Länder noch heute in gutem Gedächtnis fortleben, spielen
ebenfalls die Wiedergaben zeitgenössischer Bilder usw. die
Hauptrolle und den eigentlichen Wert.

Wir haben nun reichlich genug von der geschickten
Bilderzusammenstellung Pfisters. Von den Etruskern an bis
in die Ausläufer des Barock haben seine Feder und seine
Kamera alles „Interessante" erfaßt. Aber dies ist keine
Historie mehr, zumal nicht in dem Sinne, in dem Rudolf Wahl
seine kirchengeschichtlich wertvollen Bücher über Karl d. Gr.,

Heinrich IV./V. und Friedrich Barbarossa schrieb. Ist dies
vielleicht „historische Belletristik"? Als vor 24 Jahren
E. Kantorowicz': Kaiser Friedrich der Zweite (1927) erschien
, wurde dies Buch — und mit ihm manches andere —
von der zünftigen Geschichtsschreibung und -forschung als
nichtzünftig abgelehnt unter Führung von Albert Brackmann
in der Historischen Zeitschrift Bd. 140, 141.

Als nach dem ersten Weltkriege weite Volkskreise an dem
der Allgemeinheit zugänglichen Geschichtsbilde Anstoß nahmen
und irre wurden, haben geschäftige und geschickte, auch
geistreiche und geschwätzige Buchfabrikanten dem weitverbreiteten
Bedürfnis des Tages gedient und in „Heldenverkleinerung
" das denkbar Mögliche geleistet. Die „Historische
Zeitschrift" hat damals diesem Unfug Einhalt geboten und
eine Reihe ernsthafter, sachlicher, herber Kritiken über
Autoren wie Herbert Eulenberg, Emil Ludwig, Wilh.
Hegemann und P. Wiegler unter dem Titel „Historische
Belletristik" der weiteren Öffentlichkeit vorgelegt. A. Brackmanns
Auseinandersetzung mit dem trotz allem schönen und
anziehenden Buch von E. Kantorowicz bleibt ein ernstes
Warnuugszeichen.

Berlin Otto Lerche

KIRCHENKUNDE

Tomkins, Oliver: Um die Einheit der Kirche. Eine Einführung in die
Tätigkeit des Ausschusses für Glauben und Kirchenverfassung im ökumenischen
Rat der Kirchen. München: Chr. Kaiser 1951. 146 S. 8°. Kart.
DM 2.70.

Diese Schrift ist unter dem Titel „The Church in the Purpose
of God" als Vorbereitung für die im Sommer 1952 in
Lund vorgesehene 3. Weltkonferenz für Faith and Order geschrieben
. Ihr Verfasser ist der Generalsekretär dieses Zweiges
der im Ökumenischen Rat der Kirchen zusammengefaßten Arbeit
und zugleich der englische Generalsekretär des Ökumenischen
Rates. Daß der Verfasser englischer, genauer anglikanischer
Theologe ist, kommt der Klarheit des Ausdrucks und der
Weite des Gesichtsfeldes zugute.

Die Schrift ist eine theologisch-kritische Selbstbesinnung
über den Stand des ökumenischen Gesprächs über die Einheit
der Kirchen, und das heißt zugleich über das Wesen der
Kirche, wobei zunächst die Fragwürdigkeit des Ideals der Einheit
überhaupt kritisch untersucht wird. Tomkins geht mit
Recht von dem dialektischen Tatbestand aus: 1. „Die Einheit
der Kirche Gottes ist eine ewige Tatsache; unsere Aufgabe
besteht tiicht darin, sie zu schaffen, sondern sie zur Darstellung
zu bringen" (W. Temple 1937). 2. Die Schwierigkeiten, die
einer echten Verständigung entgegenstehen, sind auch in der
bisherigen ökumenischen Diskussion kaum geringer geworden.
3. Ein Zurück in den Zustand der getrennten Kirchen vor Beginn
des ökumenischen Gesprächs ist versperrt. „Vor Gottes
Angesicht tragen wir Verantwortung für einander."

Von den vier sichtbaren Kennzeichen der Kirche, in denen
„die überwältigende Mehrheit der Christen eins" sind: gemeinsamer
Glaube, Taufe, Hl. Abendmahl, geistliches Amt ist das
letztere am umstrittensten. In diesem Zusammenhang vermissen
wir eine kritische Besinnung über den Sinn von „Order"
in dem Begriffspaar „Faith and Order". Die deutsche Ubersetzung
„Verfassung" trifft jedenfalls nicht, was die „katholischen
" Kirchen einschließlich der Anglikanischen im Grunde
unter Order verstehen. Jenen geht es um mehr, nämlich um
Ordnung, um Struktur. Damit hängt zusammen, daß die Rangordnung
der vier Kennzeichen in den verschiedenen Kirchen
jeweils verschieden ist, wodurch sich das Schwergewicht der
erzielten „Einigkeit" immer wieder verlagert.

Die beiden Haupttypen der Kirchen sind zunächst mit
„katholisch" und „protestantisch" umschrieben worden. Dabei
hat sich aber herausgestellt, daß keine der beiden die Charakterisierung
der eigenen Position durch die andere anerkennen
kann. Eine genauere Analyse des „tiefsten Unterschiedes
" führte zur Unterscheidung „zwischen Kirchen, die
ihre Kontinuität vorzugsweise über eine unmittelbare, horizontale
Beziehung zu den von Christus ernannten Zwölfen gesichert
wissen, und jenen, die sie lieber über eine vertikale Beziehung
zu dem lebendigen Herrn der Kirche besitzen wollen"
(Craig). Quer durch diese Unterscheidung läuft die der drei
Hauptgruppen: a) der katholisch-orthodoxen, die die kirchliche
Struktur, b) der reformatorisch-protestantischen, die das
Lehrsystem, c) der freikirchlichen, die die Art der Gewinnung
ihrer Mitglieder und ihr Verhältnis zum Staat betont.

Nachdem Tomkins allen möglichen und wirklichen theologischen
Argumenten gegen eine Einheit der Kirchen nach-