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Ausgabe:

1952 Nr. 4

Spalte:

228-229

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Kirche im Kampf 1952

Rezensent:

Fresenius, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4

228

Daß die Erörterung der dogmatischen Dekrete nicht vollständig
sein konnte, liegt bei dem Reichtum des Materials auf
der Hand. Nur die wichtigsten Fragen werden in Einzeluntersuchungen
aufgenommen. Die tridentinischen dogmatischen
Ergebnisse werden auf dem Hintergrunde der scholastischen
Uberlieferung und der verschiedenen zeitgenössischen Richtungen
gesehen und vermitteln einen lebendigen Eindruck von
der sorgfältigen und bestimmten Arbeit, die auf dem Konzil
geleistet wurde. Die in dieses Gebiet eingreifenden Untersuchungen
können im allgemeinen als genau bezeichnet
werden. Die Literaturangaben sind von seltener Reichhaltigkeit
und zeigen, welche Arbeit in den letzten beiden Jahrzehnten
auf diesem Gebiet geleistet worden ist. So bedeutsam Studien
über einen einzelne Theologen oder die Entwicklung eines
einzelnen Begriffes sind, das Schwergewicht des ersten Bandes
liegt bei den Untersuchungen über die Lehrentscheidungen, die
das Konzil im Hinblick auf das reformatorische Anliegen getroffen
hat. In der Bewertung der Reformation wird freilich
selbst in diesem Rahmen keine völlige Ubereinstimmung gesucht
werden können. Die verschiedenen Deutungen, die sich
in dieser Beziehung in der katholischen Theologie der Gegenwart
finden, spiegeln sich auch in diesem Werk wider. Daß
nicht jede dieser Deutungen vom protestantischen Standpunkt
als zutreffend anerkannt werden kann, ist deutlich. Bei voller
Anerkennung des Bemühens, Mißverständnisse auszuschließen
, muß doch festgestellt werden, daß einzelne Verzeichnungen
der Theologie Luthers sich eingeschlichen haben. In
gleicher Weise wird zur Kenntnis genommen, wenn protestantische
Deutungen der scholastischen Überlieferung korrigiert
werden.

Mit Recht ist hervorgehoben worden, daß die Entscheidungen
des Konzils mehrere Brennpunkte aufweisen. Außer
der Lehre von der Rechtfertigung hat die Sakramentslehre ihr
überragendes Gewicht. Daß der Charakter der Rechtfertigung
letzten Endes sakramentaler Art ist, wird stark unterstrichen.
Während die vortridentinischen Theologen über die Disposition
zum Sakramentsempfang und über den Weg der Rechtfertigung
nicht einig sind, wird durch die tridentinischen Dekrete
erst wieder eine einheitliche Lehre begründet.

Neben den dogmatischen Bestimmungen des Konzils finden
hier auch die kirchenrechtlichen die entsprechende Beleuchtung
. Die Bedeutung dieser Bestimmungen ist längst dadurch
unterstrichen, daß von einer tridentinischen Periode des
Kirchenrechts gesprochen wird. Die maßgebenden Gesichtspunkte
für die Beurteilung der neuen Rechtsbestimmungen im
kirchlichen Leben werden klar und umfassend herausgearbeitet.
Insbesondere kommt es auf die neue Bestimmung des Spannungsverhältnisses
zwischen Papst, Konzil und Episkopat an,
ebenso auf die Festigung des geistlichen Amtes und gestaltende
Ordnung des christlichen Lebens.

In weitausschauender Betrachtung behandelt der Herausgeber
in seinem eigenen Beitrag den Charakter der tridentinischen
Frömmigkeit, wie sie sich im Kunstschaffen des Barock
, in kultischen Bräuchen und in Gemeinschaftsformen
äußert. Auf diese Zusammenhänge näher einzugehen, ebenso
wie auf die liturgische Erneuerung und auf die Kirchenmusik,
verbietet der Raum. Es werden hier weite Perspektiven eröffnet
und ein Bild vom kirchlichen Schaffen und frommen Leben
der folgenden Jahrhunderte entworfen, daß tiefgründig und
anschaulich zugleich ist.

Der zweite Band dieses Werkes könnte eine Geschichte
westdeutscher Diözesen im 16. und 17. Jahrhundert genannt
werden. Die einzelnen Beiträge sind teilweise auf unbenutzten
Archivalien aufgebaut und bieten der territorialen Kirchen-
geschichtsschreibung wertvolles Material und gute Gesichtspunkte
. Angefangen von der Einladung und Beteiligung am
Konzil gilt das Interesse nicht allein der Aufnahme der Konzilsereignisse
als vielmehr der Durchführung der Reformdekrete
. Dabei wird der führenden Persönlichkeiten, der zu überwindenden
Schwierigkeiten und schließlich der Konkordate
gedacht. Da die Verhältnisse in den einzelnen Gebieten verschieden
gelagert sind, kann die Reformbewegung nicht als
einheitliche Größe dargestellt werden. Die kirchlichen Mißstände
kommen deutlich zur Sprache und dienen als Begründung
für die Notwendigkeit der Reform. Bei der Kelchbewegung
zeigen sich auch die Einflüsse der Gegenseite. Erklärlicherweise
werden bei der Durchführung der Reform äußere
Ordnungen stärker beachtet als innere Vorgänge. Die äußeren
Maßnahmen werfen ein helles Licht auf die Sicherung des
kirchlichen Bestandes und kennzeichnen dabei die Art der Restaurationsbewegung
. Die zeitliche Abgrenzung ist hier verschieden
vorgenommen. Für einzelne Gebiete wird das 17. Jahrhundert
in die Darstellung einbezogen, während für andere nur
das Bild des 16. Jahrhunderts gezeigt wird. Fraglos wiederholen
sich in einzelnen Diözesen die Vorgänge, andererseits ist
bei der Darstellung nach Einzelgebieten der Vorteil nicht zu
verkennen, der in der größeren Ausführlichkeit und Geschlossenheit
liegt.

Im ganzen kann dieses Sammelwerk als zweckentsprechend
bezeichnet werden. Es führt in die Probleme des
Tridentinums gut ein, erschließt auch seine Reichweite und
seine Folgen. In gewisser Weise muß ein derartiges Werk
immer fragmentarisch bleiben und darf daher auch nicht mit
den Maßstäben gemessen werden, die man an ein Einzelwerk
anlegt. Trotz der angedeuteten Grenzen steht aber sein Wert
unbestritten fest.

Münster/Westf. R. Stupperich

Hermelink, Heinrich: Kirche im Kampf. Dokumente des Widerstands
und des Aufbaus in der Evangelischen Kirche Deutschlands von 1933 bis
1945 hrsg. Tübingen und Stuttgart: R. Wunderlich 1950. 710 S. 8°. Lw.
DM 12.50.

Zu dem Zweck und der Entstehung des Buches schreibt
der Verfasser folgendes:

„Der vorliegende Band enthält Dokumente und Zeugnisse des Widerstands
der evangelischen Kirchen in Deutschland gegen die Versuche ihrer
Vergewaltigung und ,,Oleichschaltung", wie sie vom Nationalsozialismus und
von den mit ihm verbündeten „Deutschen Christen" unternommen worden
sind. Entstanden ist die Arbeit aus dem Gedanken eines „Kirchlichen Weißbuchs
", das die Landesbischöfe D. Meiser in München und D.Wurm in Stuttgart
schon während des Krieges planten. Unmittelbar nach dem Kriegsende,
am 13. Juli 1945, erging ein Anschreiben von München aus an sämtliche erreichbaren
kirchlichen Stellen mit der Bitte, die notwendigen „kirchlichen
offiziellen Dokumente" zur Verfügung zu stellen, worauf jedoch nur ein sehr
geringes Echo erfolgte. Eigentlich nur von der Theologischen Fakultät in Marburg
und von dem früheren Hamburger Landesbischof Tügel kam einiges Material
. Andere Stellen, wie der Landeskirchenrat der Evangelischen-Lutherischen
Landeskirche Hannover mußten berichten: „Da durch den Brand des Landeskirchenamtes
das bei uns gesammelte Material vernichtet ist, können wir im
Augenblick von uns aus zu dem geplanten Weißbuch keinen Beitrag liefern."
So mußte die vorliegende Veröffentlichung sich fast ganz auf die Ausnützung
der in München und Stuttgart befindlichen Aktenbestände beschränken. Eine
ganz wesentliche Hilfe bot die von Oberkirchenrat Wilhelm Bogner, dem leider
zu früh bei einem Verkehrsunfall verstorbenen, früheren Dekan in Augsburg
zusammengestellte Sammlung aller ihm (auch als Mitglied des Landes- und
Reichsbruderrats) erreichbaren Dokumente und Zeugnisse, die er für das Dekanat
in Augsburg während der zwölf Jahre des Kampfes von 1932 bis 1945 angelegt
hatte. Ihm und der von ihm für Augsburg verfaßten ersten Zeittafel der
Ereignisse, die von 1932 bis 1945 reicht, weiß sich der Herausgeber des vorliegenden
Werks in besonderem Maße zu Dank verpflichtet. Neben ihm muß
genannt werden der zusammen mit ihm tödlich verunglückte Oberkirchenrat
Christian Stoll, dessen „Dokumente zum Kirchenstreit" (in fünf Bändchen
1934 und 1935 in München erschienen) ebenfalls eine wichtige Vorarbeit darstellen
."

Der Herausgeber spricht weiter von seiner Aufgabe: „Der Historiker der
selbsterlebten Zeitereignisse hat eine dreifache Aufgabe zu erfüllen. Er hat
erstens die Zeitnähe auszunützen für eine möglichst umfassende Ausschöpfung
des Quellenmaterials. Das ist in unserem Fall schon deshalb schwierig, weil ein
großer Teil desselben durch Bombenschäden und Eingriffe der Gestapo vernichtet
ist und weil bei keinem von uns die Objektivität sine ira et studio völlig
erreicht ist. Das gilt nicht nur gegenüber der „Irrlehre" der Deutschen Christen
und dem Vernichtungswillen des nationalsozialistischen AntiChristentums, den
aufzuzeigen die Dokumente Nr.223 aufgenommen sind, sondern auch gegenüber
dem Gegensatz zwischen „intakten" Kirchen und den Bruderräten der
„Bekennenden Kirche".

Er hat zweitens die lebendige Schau der epochalen Einschnitte in der
miterlebten Geschichte seiner Zeit darzubieten. Man kann natürlich unter dem
Gesichtspunkt der Entwicklung der „Bekennenden Kirche", wenn sie im engsten
Umkreis von Notbund, Bruderräten und Vorläufiger Kirchenleitung verstanden
wird, so einteilen, wie es schon für die „Zeugnisse" der Bekennenden
Kirche geschehen ist, daß man „bis Barmen", „von Barmen bis Dahlem" und
so fort „bis zur Befreiung" die Hauptereignisse gruppiert. Doch eine solche
Aneinanderreihung gibt noch keine historisch-epochale Gliederung des Kirchenkampfs
, wie sie in den acht Kapiteln dieses Buchs versucht worden ist. Die
geschichtliche Einteilung der zwölfjährigen Kampfzeit hat das Ringen der
Kräfte in immer neuer Gestaltung der Kampfpositionen heraustreten lassen.
Die Wandlungsfähigkeit des Gegners wie auch die immer von neuem abtastende
Vielgestaltigkeit der kirchlichen Abwehr muß zur Erscheinung und in geschichtlich
„richtiger" Intuition zur Schau gebracht werden.

Er hat drittens von eigenem Erleben und aus geschichtlicher Kennerschaft
mit entscheiden zu helfen, welches die siegreichen Kräfte waren, die den
Verlauf der Ereignisse mitbestimmten. Waren es in unserem Fall nur die Bekenntniskundgebungen
und Zeugnisse des Glaubens, die tatsächlich im Untergrund
wirksame Kräfte ausströmten? So groß die Verdienste derer sind, die
„nicht wichen" (Hebr. 10,39), so dürfen doch auch die andersartigen Widerstandskräfte
rechtlicher oder politischer Art nicht gering veranschlagt werden.
Den Sieg zu entscheiden haben jedenfalls mitgeholfen die genagelten Bauern-