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Ausgabe:

1952 Nr. 4

Spalte:

224-225

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Beck, Edmund

Titel/Untertitel:

Die Theologie des hl. Ephraem in seinen Hymnen über den Glauben 1952

Rezensent:

Spuler, Bertold

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4

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Anschauungen angemeldet. Es fördert gewiß die Diskussion,
wenn ich diese Anzeige auf einige Punkte beschränke, an
denen unsere Meinungen auseinandergehen. Es ist unnötig zu
betonen, wie sehr ich mich in vielen Fragen der Ubereinstimmung
um so mehr erfreue, als wir von unseren gleichzeitigen
Forschungen nichts gewußt haben.

Zunächst aber Brandons Kapitelfolge: Die Einleitung
(Kap. I) umreißt die Sachprobleme der christlichen Ursprünge,
Kap. II das Verhältnis von Judenchristen und Heidenchristen
in der Urgemeinde, Kap. III prüft die Quellenlage, Kap. IV
die paulinische Interpretation des Christentums, Kap. V die
Stellung des Heidenchristentums zur Kirche von Jerusalem,
Kap. VI den anti-römischen Affekt, den die Judenchristen mit
den Juden teilen sollen, Kap. VII behandelt die historischen
Vorgänge von 55 bis 66, Kap. VIII den jüdischen Krieg gegen
Rom 66—70, Kap. IX die Schicksale der palästinensischen
Kirche, Kap. X die Reaktionsspuren auf den Untergang des
jüdischen Staates und Tempels im Markusevangelium, Kap. XI
in der lukanischen Literatur und die Rehabilitierung des
Paulus, Kap. XII im Matthäusevangelium, das vom Verfasser
als Dokument der alexandrinischen Christenheit genommen
wird, worin ihm wohl viele widersprechen werden. Es versteht
sich, daß in diesem weitgespannten Rahmen viele Detailprobleme
abgehandelt werden und auch mancherlei, — oft
nur beiläufig —, was über die spezielle Themenstellung weit
hinausgeht. Ich sehe bewußt von einer Gesamtwürdigung des
Buches ab und beschränke mich auf einige kritische Bemerkungen
zu den historischen Angaben in Kap. VI—IX, die
vornehmlich die bei Brandon im Zentrum stehende Rolle der
Judenchristen betreffen:

In der Darstellung Brandons werden die Judenchristen
zu zelotischen Nationalisten gestempelt, denn Palestinian
Christianity from its origins was closely associated with the
nationalist aspirations of Israel (S. 109). Die Quellen selbst
stützen m.E. diese Behauptung nicht, sie ergibt sich erst aus
einer mehr scharfsinnigen als glaubhaften Interpretation, die
z.B. Jakobus zu einem anti-römischen Hohepriester der
zelotischen Oppositionspartei ernennt (S. 99). Dahinter steht
Eislers Politisierung der urchristlichen Uberlieferung, die
Jesus bekanntlich zu einem nationalistischen Bandenführer
stempelt, der von den Römern als davidischer Thronanwärter
verhaftet und verurteilt worden ist. Es mögen Zusammenhänge
der jesuanischen Bewegung mit politischen Bestrebungen
des Tages tatsächlich bestanden haben, man kann sie aber
unmöglich so ins Zentrum rücken, daß sie für Jesus und die
jesuanische Partei im Judentum noch auf Jahrhunderte hinaus
den Konzeptionsgrund liefern. Jakobus ist nach den uns allein
zur Verfügung stehenden Quellen — sei deren historischer Wert
auch noch so fraglich — von den Pharisäern aus religiösen
Gründen aus dem Wege geräumt worden — laut Josephus als
„Gesetzesübertreter", laut Hegesipp wegen seines öffentlichen
Zeugnisses für die Messianität Jesu als „Menschensohn". Wahrscheinlich
waren die Judenchristen keine Römerfreunde — das
waren ja nicht einmal die Herodianer, die als Kollaborateure
mit der Besatzungsmacht doch das Beste ihres Landes
wollten —, aber ihre „revolutionary activity" kann Brandon
auf Grund der umstrittenen Testimonia Flaviana auch nur
vermuten, nicht beweisen. Mir scheint gerade wegen ihres von
mir nachgewiesenen weltanschaulichen Pazifismus, daß die in
Politicis typische Quietisten gewesen sind. Das ist auch der
Grund, warum die Judenchristen bald nach Ausbruch des
Freiheitskrieges von 66 nach Transjordanien abgezogen sind,
also die nationale Solidarität durchbrochen haben — genau
so wie die zurückgekehrten Emigranten im Bar Kochba-Aufstand
von 135 laut Zeugnis des Orosius (VII, 3) wiederum abseits
standen und sich lieber von den eigenen Volksgenossen
totschlagen ließen (Justin Apol. I, 31, 5L). — Ich muß schon
sagen: merkwürdige Nationalisten!

Nun unterzieht Br. S. i68ff. auch die Berichte der Väter
(Eusebius und Epiphanius) über den Exodus der jerusalemischen
Judenchristen nach Pella ins Ostjordanland im Jahre 66
oder 67 einer scharfen Kritik und will sie wegen der Nachricht
des Josephus (Bell. II, 18, 1), daß Pella zu Beginn des Aufstandes
von den Juden verheert worden sei, als unglaubhaft
hinstellen. Ich finde es gerade glaubhaft, daß dieser vermutlich
von den heidnischen Einwohnern verlassene Ort von
ihnen — doch wohl erst 67 — als Refugium ausgewählt wurde.
Warum Br. meine Kommentierung der neu entdeckten Nachricht
(Pseudoclementina Ree. 1, 37 Syrus: to/vgog rrjQ x<*>QaS
ronog), daß Pella „wegen der Sicherheit des Ortes" gewählt
wurde, verwunderlich findet (S. 264), verstehe ich nicht.
Nach den topographischen Untersuchungen Schumachers
(Pella, London 1888, 31 ff.) ist Pella gerade der typische Fall
eines Schlupfwinkels gewesen, als wasserreicher Ort versteckt

liegend in einem Seitental am Rande des peräischen Hochplateaus
. Natürlich ist es auch möglich, wie Br. S. 172 meint, daß
näher gelegene galiläische Gemeinden (aus Nazareth, Kochaba
usw.) dorthin flüchteten, wie auch andererseits jerusalemer
Judenchristen in andere Siedlungsstätten Peräas und der
Basanitis geflüchtet sein können — und schließlich auch nach
Beröa nördlich von Damaskus, wo eine Nazoräer-Gemeinde gesessen
hat, die durch den Besitz eines aramäischen Matthäus-
Evangeliums besonders auffällig ist. Aber daß die Ebioniten
in Pella mit der jerusalemer Urgemeinde personell überhaupt
nichts zu tun haben sollen (S. 168—173), ist eine Behauptung
des Verfassers ohne Uberzeugungskraft, mit der er sich gegen
sämtliche alten und neuen Kirchenhistoriker stellt. Weshalb
diese exilierte Mutterkirche von Jerusalem in Peräa bald der
Nichtbeachtung und Vergessenheit anheimgefallen ist, dafür
habe ich in meinem Werk eine Vielzahl von Gründen aufgeführt
. Daß es der von mir nicht beachtete „politische Faktor"
gewesen sein soll, ist eine willkürliche Annahme Brandons, die
nur aus seiner Vorstellung zu erklären ist, die Judenchristen
seien eine anti-römische Zelotengruppe gewesen, die im scharfen
politischen Kampf gegen die Besatzungsmacht gestanden
habe. Das ist nicht nur unbeweisbar, sondern nach allem was
wir über sie aus unseren Quellen wissen, positiv unwahrscheinlich
.

Ich hätte noch gegen manche weiteren Ausführungen
Brandons Bedenken anzumelden, wie etwa dagegen, daß er
die Judenchristen vor 70 zu frommen Devotionalisten bezüglich
des jerusalemer Tempelkults machen will (S. 71). Daß das
Gegenteil der Fall ist, glaube ich in Kap. IV meines Werkes
„Die ebionitische Kultfeindschaft und ihre religionsgeschichtlichen
Zusammenhänge" nachgewiesen zu haben. Und wenn
Brandon mir schon nicht glauben will, so sei er auf die sorgfältigen
Untersuchungen Ernst Lohmeyers (spez. Kultus
und Evangelium, Göttingen 1942) verwiesen, der eine kultkritische
Tendenz des Urchristentums herunter bis in die erste
Jüngerschar Jesu, ja bis zu Jesus selbst, meinte feststellen zu
können.

Alle diese Bemerkungen möchten aber nicht den Respekt
vor Brandons Leistung schmälern, der wichtige historische
Zusammenhänge der christlichen Frühzeit so interpretiert hat,
daß sich ein eindrucksvolles Ganzheitsbild ergibt. Von seiner
Richtigkeit bin ich nicht immer überzeugt. Aber daß Brandon
zu dem Ergebnis kommt, das Jahr 70 habe erst die volle
Emanzipation des neuen Glaubens vom Judentum bedeutet
und Jerusalems Fall habe der Führerrolle Roms die Bahn gebrochen
, ist sicher ebenso zu bejahen, wie die selten so scharf,
aber treffend formulierte Schlußfolgerung: „The Jewish Cata-
strophe of A.D. 70 was probably the next most crucial event
for Christianity after the Resurrection experiences" (S. 251).
Das im Zentrum des Buches stehende Judenchristentum halte
ich freilich erst nach dem Jahre 67 für eine klar weltanschaulich
bestimmbare Größe, davor gibt es eigentlich nur Christen
jüdischer Abstammung mit sehr verschiedenartigen Anschauungen
und erste Ansätze zur Gruppenbildung unter
ihnen. Daß Br. aber für die Erkenntnis dieser werdenden
Gruppen die pseudoklementinische Literatur außer in einer
Einzelfrage völlig beiseite läßt, halte ich für bedauerlich. Ich
schließe mit einem Zitat aus Heinrich Wein eis Gedächtnisrede
auf R. A. Lipsius (Leipzig 1930): „Zumal der Wert der
pseudoklementinischen Schriften für die Geschichte des Urchristentums
wird sicherlich einmal wieder höher angeschlagen
werden, wenn sich von neuem einer in dieses Stück des .Urwalds
' hineintraut, der nicht mehr aus den Kämpfen jener
ersten Arbeit am Urchristentum herkommt".

Erlangen Hans Joachim Sch0 eps

Beck, Edmund, Prof., o. s. b.: Die Theologie des Hl. Ephraem in seinen

Hymnen Über den Glauben. Cittä del Vaticano: Libreria Vaticana 1949.
VIII, 116 S. gr. 8° = Studia Anselmiana Philosophica Theologica ed. a
professoribus Instituti Pontificii S. Anselmi de Urbe. Fase. XXI.
— Ephraems Hymnen über das Paradies. Übersetzung und Kommentar.
Rom: „Orbis Catholicus", Herder 1951. XI, 174 S. gr. 8° = Studia Anselmiana
Philosophica Theologica ed. a professoribus Instituti Pontificii S. Anselmi
de Urbe. Fase. XXVI.

Wenn mit den vorliegenden Arbeiten die Einzelforschung
zur Geschichte der syrischen Theologie aufgenommen wird, so
bedeutet das einen erfreulichen Schritt vorwärts in unserer
Kenntnis dieses wichtigen Zweiges der Gesamtchristenheit.
Nur durch die Bereitstellung solcher Bausteine wird es möglich
sein, dieses Gebiet endlich dem allgemein-christlichen Bewußtsein
zu erschließen. Der Verf. der vorliegenden Studien
geht dabei methodisch — in manchmal für diesen Zweck freilich
überspitzter scholastischer Aufgliederungsweise und