Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1952 Nr. 4

Spalte:

217-218

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dankbaar, W. F.

Titel/Untertitel:

De Tegenwoordigheid van Christus in het Avondmaal 1952

Rezensent:

Fendt, Leonhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

217

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4

218

ob Kronzeugen verschiedenster Provenienz (Strauß, Holtz-
niann, Pfleiderer für die literarische Einheit des Joh.-Ev.
S. 119 f.; Roller öfter für die Sekretärs- und Ubersetzer-Hypothesen
S.207. 216. 225. 243. 249) in Anspruch genommen werden
, ob konstruktive Vermutungen (wie die Geschichte pauli-
nischer Texte im Gemeindearchiv zu Ephesus S.176) die Begründung
liefern, — das auf den verschiedenen Wegen angestrebte
Ziel ist immer das gleiche: die Wahrung der neutesta-
mentlichen Einheit, die in einer möglichst starken Harmonisierung
neutestamentlicher Aussagen und Formulierungen gesehen
wird (als ein Beispiel für vieles: die umdeutende Änglei-
chung von Akt. 17,2 an die im Phil, vorausgesetzte Situation
S. 129), der biblische Konservativismus (der es z. B. dem Paulus
zutraut, daß er eine dem Judentum entstammende Asketik
glimpflicher behandelt als eine heidnisch beeinflußte! S. iögf.)
und die Hochschätzung der altkirchlichen Tradition (sie gibt
z.B. den Ausschlag in der Johanneischen Verfasserfrage S. 104
bis 109), deren apologetische, am eigentlich historischen Fragen
uninteressierte Grundhaltung meist nicht einkalkuliert wird.
Das Ergebnis prävaliert vor dem Wege, der zu ihm führt. Die
konservative Traditionsfreudigkeit ist das Prinzip, unter dem
die so dankenswert umfangreiche Zusammenstellung der
Standpunkte und Theorien gesichtet wird. Das Interesse konzentriert
sich (um es noch an einem Beispiel klarzumachen)
etwa bei Johannes nicht auf das Ob und Woher etwaigen übernommenen
Materials, sondern völlig auf die christliche Eigenständigkeit
seiner evt. Verarbeitung (S. 120). Die beabsichtigte
Christlichkeit des Standpunktes bremst den Impuls des Fragens
ab (beachte z. B. die Verharmlosung des Urteils des jungen
Luther über den Jakobusbrief und die Apokalypse! S. 310) und
vermag gerade deswegen nicht den Dienst zu leisten, den sie
leisten will; ich halte sogar für möglich, daß gerade sie beim
nachdenklichen Studenten Skepsis, zum mindesten Indifferenz
weckt.

5. Der letzte Hintergrund dieser konservativen Haltung
ist eine bestimmte Anschauung über das Verhältnis von Glaube
und Geschichte. Zwar wird ein exakter historischer Beweis in
der Frage der Zuverlässigkeit der Synoptiker für unmöglich erklärt
(S. 27). Aber die Grundlagen der apostolischen Verkündigung
sind doch auf ihre geschichtliche Zuverlässigkeit hin
prüf bar (S. 27); gemeint ist natürlich: mit einem positiven Ausgang
solcher Prüfung. Daß der Glaube an den erhöhten Christus
seine Aussagen macht angesichts des irdischen Jesus, führt
bei Feine-Behm zur Starrheit der Gleichsetzung zwischen dem
geschichtlichen Jesus und dem Christus des Glaubens; bei dieser
Gleichsetzung soll die geschichtliche Begründetheit dem
Glauben den zureichenden Grund unter die Füße geben, wie
andererseits der Glaube auch die Annahme der historischen
Zuverlässigkeit der Berichte stützt (siehe z.B. S.81 für den
Akta-Bericht von der Urgemeinde). Die Kontinuität der urchristlichen
Tradition, angesichts deren eine Wandlung und
Ubermalung des geschichtlichen Jesusbildes undenkbar sein
soll (S.27), garantiert die Richtigkeit des Geglaubten. Gerade
die Polemik gegen die Skepsis von Dibelius und Bultmann und
gegen den Bultmann'scheu Zirkel (S.21—23) macht deutlich:
trotz der so dankenswerten Einarbeitung der neuesten Literatur
und ihrer Theorien ist hier — ohne Eingehen auf die theologische
Problematik der letzten Zeit — doch der Standpunkt
eines konservativen Historismus beibehalten, welcher außer-
acht läßt, daß der Glaube vom Wort und nicht von der Verneinung
historischer Skepsis lebt. Solche gebotene Auseinanderhaltung
von Glaube und historischer Fragestellung würde
bei einer Einleitung ins NT sehr viel weniger ,,sichere"historische
Ergebnisse liefern; aber der Sache des NT wäre angemessener
gedient.

Berlin-Zehlendorf Herbert Braun

Dankbaar, W. F., Dr.: De Tegenwoordigheid van Christus in het

Avondmaal. Nijkerk: Callenbach[1950]. 46 S.8° = Onze Tijd. Pp. hfl. 1.90.

In diesem Büchlein (geworden aus einem Vortrag) nimmt
der reformierte Verfasser seine Stellung bei jenen modernen
Exegeten, Systematikern, Dogmengeschichtlern, welche im
NT eine der konfessionellen entgegengesetzte Auffassung von
der Gegenwart Christi im Abendmahl finden. Es handelt sich
um den Gegensatz: Blick auf die Person des gegenwärtigen
Christus — Blick auf die Elemente und Frage nach ihrem Verhältnis
zu Leib und Blut Christi. Im NT statuieren diese Theologen
die ausschließliehe Richtung des Blickes auf den persönlich
, pneumatisch, aktuos gegenwärtigen Christus, während
sie bei den Konfessionen (also nicht bloß im römisch-katholischen
Umkreis!) eine Verschiebung des Blickes von der Person
Christi auf die Elemente und ihr Verhältnis zur praesentia

Christi feststellen. Der Grund für diese Verschiebung des
Blickes wird in der Hellenisierung der Abendmahlsauffassung
(ob auch der Abendmahls feie r ?) gesellen. Dankbaar spezialisiert
das so: Es wurde die israelitische Art, in Tat-Kategorien
zu denken, abgelöst von der griechischen Art, in Seins- oder
Ideen-Kategorien zu denken! Insbesondere sei die Heilstat
Christi am Kreuze (wozu Auferstehung und Himmelfahrt gehören
) in den Hintergrund geschoben worden, in den Vordergrund
die essentia, substantia des Abendmahls gerückt. Der
Reformation schreibt dann Dankbaar die Leistung zu, die auseinandergegangenen
Linien ,.Heilstat" und ,, Sakrament" wieder
zusammengebogen zu haben.; „Transsubstantiation" und
„Opfer" wurden abgestoßen, aber die „praesentia realis" nachdrücklich
urgiert. Jene ,,Heilstat" versteht Dankbaar so: Der
Täter mit seinem Erfolg ist gegenwärtig; also Christus nicht
ohne die Erlösung, und die Gabe der Erlösung nicht ohne Christus
. Freilich findet nun Dankbaar diese klare Stellung nur bei
Calvin (über dessen Sakramentslehre Dankbaar 1941 in einer
zu Amsterdam erschienenen Schrift handelte), und auch bei
Calvin nur einigermaßen (in etlichem war a Lasco ihm voraus).
So bleibt also, schließen wir, der eigentlich reformatorische
Schritt im Abendmahl noch zu tun: der Schritt weg vom Blick
auf die Elemente, zurück zum Blick auf die im Abendmahl begegnende
Person des Erlösers! Persönliche „Begegnung", nicht
„sachliche Anwesenheit", sagt Dankbaar. „Aktuelle Gegenwart
" (Dankbaar), „Confrontation reelle" (Robert Will,
Le culte II, Paris 1935), „Repräsentation" (G. van der
Leeuw, Sacramentstheologie, Nijkerk 1949) werden als ter-
mini technici vorgeschlagen, die „repraesentatio" besonders
abgeschirmt.

Es handelt sich demnach um eine systematisch-theologische
Theorie, welche dogmengeschichtlich zum „Einfacheren
" zurücklenkt und dies Einfachere als im NT gemeint dartun
will. Da die Texte des NT vielfältig gedeutet werden, so ist
die Hauptstütze der genannten Theorie die nicht zu leugnende
Beobachtung, daß nach dem NT Christus in seiner Gemeinde
durch Wort und Geist persönlich, pneumatisch, aktuos gegenwärtig
sein will. Unsere Theorie leitet aus dieser richtigen
Beobachtung die (hypothetische) Folgerung ab, daß
auch Christi sakramentale Gegenwart, speziell im Abendmahl,
ein Spezialfall jener Gemeindegegenwart Christi sei. Wieweit
in der Tat diese Folgerung mit den Aussagen des NT über Jesu
letztes Mahl (Paulus, Markus, Johannes) und über die Christen-
abendmahle in der Gemeinde (Paulus, Johannes, Lukas) übereinstimmt
, das gehört zum schwersten Pensum der Neutesta-
mentler (von denen Joachim Jeremias bei Dankbaar wohl
seinen Platz verdient hätte!). Es handelt sich im NT gerade
bei den sog. „Einsetzungsworten" nicht einfach um die Gegenwart
Christi als des Gastgebers oder als des Gastes (oder als des
Dieners), sondern specifice als des Mahl-Inhaltes! Damit
wird von vornherein der Blick auf die Elemente gelenkt. Dazu
kam die zweifellose Beziehung auf das Opfer am Kreuze; man
brauchte dann bloß auf „das Opfer" rpehr als auf „den Opferer
" zu sehen, was in der Tat geschah. Beachtenswert ist aber
die mittelalterliche Entwiekelung zur „Begegnung mit Christus
". Zwar führt Peter Browe (JLW 13 [1933] S. 51) für das
Altertum des Ambrosius Kommunionrat Expos, in ps. 118
an: „Suscipe Dominum Jesum" (womit vielleicht De virg. III
22 verglichen werden darf), aber es dürfte sich ähnliches im
Altertum nicht finden. „Den Ausdruck ,Christus empfangen'
gebrauchte man nur gelegentlich einmal, d.h. man sah die
Sache, die Speise, nicht die Person, die sich mitdarbot." Wie
es dann zur mittelalterlichen „Seelengast-Frömmigkeit" kam
(sogar bis zu dem Ausdruck „Gott empfangen"), das muß man
bei Peter Browe, Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter
, 1933 und bei Jos. Andr. Jungmann, Die Stellung
Christi im liturgischen Gebet, 1925 studieren. Die Entwicklung
zum „Blick auf die Person Christi" ging über die Volksfrömmigkeit
bei der Messe und Kommunion, nämlich über die seit
den Kreuzzügen populäre Andacht zum leidenden und gekreuzigten
Christus, über die Hervorhebung der Konsekration gegenüber
dem Opfer, über die Liturgiker, welche das Volk anleiteten
, in der Messe einen Abriß des Lebens und Leidens
Christi zu sehen, erst recht über die „geistliche Kommunion",
wo nur Christus und nicht die Elemente in Betracht kamen.
Peter Browe exemplifiziert: Das Altertum bezog sich auf
Job. 6,54 — die „neue" Frömmigkeit auf Joh.6,57! DieHaupt-
frage ist nun die: Ist nur die „neue" Frömmigkeit urchristlich,
neutestamentlich ? — S.28 und 46 muß es heißen: t^v SC
evxiji Xöyov xtL

Bad Liebenzell Leonhard Fendt