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Ausgabe:

1952 Nr. 4

Spalte:

209-211

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rowley, Harold H.

Titel/Untertitel:

Submission in suffering and other essays on eastern thought 1952

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 4

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der allein das Wort von Joh. 19,12 zu einem scharfen Schwert
werden konnte1.

Pilatus hatte an Jesus keine Schuld gefunden und darauf
in mehrfacher Weise versucht, sich über seine Freilassung mit
den Juden zu einigen, welche Absicht einem nur immer hartnäckiger
werdenden Tötungswillen der Juden, zuletzt mit ausgesprochen
theologischer Motivierung (19,7), begegnet. Da
horcht er auf, läßt Jesus ins Prätorium hineinführen und beginnt
so etwas wie ein theologisches Verhör; aber auch jetzt
kommt nichts Belastendes heraus. Da spielen die Juden ihren
stärksten Trumpf aus: v. 12. Der Nachsatz bringt die Prämisse,
die den Vordersatz begründet: 7täg 6 ßaaüea eavrov jioiwv
ävTiteyei tcS Kaiaaqi. Aber eben das war bisher noch keineswegs
festgestellt; weder daß Jesus sich in einem spezifischen
Sinne zum König gemacht hatte noch der Gegensatz zum
Kaiser in Rom2. Darum war die Anwendung dieser These im
Vordersatz höchst windig. Hätte man sie nur in einfacher Form
vorgenommen, etwa: darum ist seine Freilassung untunlich
oder auch: wenn du ihn freiläßt, so handelst du nicht im Sinne
des Kaisers, so wäre das gleich einsichtig. Aber durch die persönliche
Formulierung auch des zweiten Gliedes im Vordersatz
ist es verdeckt. Das war einsichtig, daß Pilatus in der Gefahr
stand, aus der <piUq. rov Kaiaagog auf höchst unsanfte Weise
entfernt zu werden3, das war klar, daß auch nur der Anschein

nur auf die neueste, diejenige Hölschers: Ostern 27 (Die Hohenpriesterliste . . .,
1940, S. 26ff.) — von L. leider nicht erwähnt — hinweisen, eine Auffassung,
der man freilich im Blick auf die Ansetzung der Bekehrung des Paulus, die
Errechnung des 15. Jahres des Tiberius und die Konzentrierung der ardaeiQ
auf das erste Amtsjahr des Pilatus nicht ohne weiteres wird folgen können.

') J. Blinzler, Der Prozeß Jesu (1951) S. 99 weist zwar nach dem Vorgang
von K Kastner, Jesus vor Pilatus S. 100 und B. Weiß S. 662 auf die
Empfindlichkeit des Tiberius gegenüber Majestätsbeleidigungen hin. Das ist
eine wichtige Konkretisierung. Aber sie genügt nicht. Denn einmal beziehen
sich die angeführten Zitate auf die besondere Lage der Hauptstadt (und sind
auch da durchaus nicht ohne Einschränkungen gültig, s. dafür PW X, 516ff.),
zum anderen ist doch im Normalfall immer eine ordentliche Untersuchung erfolgt
, dies um so mehr, je weniger die städtischen Behörden direkt an der Sache
interessiert waren und es sich um die Beschwerde gegen einen römischen Verwaltungsbeamten
, dessen Stellung gerade von Tiberius besonders gefestigt war,
handelte. Nur in einer hektischen Situation konnte der Jesusprozeß für Pilatus
zum Fallstrick werden. — Noch unbefriedigender wirken die Darstellungen
bei K Bornhäuser S. 116 und J. Pickl, Messiaskönig Jesus S. 117.

2) Vgl. auch Bultmann S. 514.

3) Über die Folgen auch nur einer renunciatio amicitiae s. H. Volkmann,
Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus S. 105ff. —Wie unzuverlässig
die an sich sorgfältige Senatsrechtsprechung in einer kritischen Lage wurde,
dafür s. Tac. und Sueton a.a.O. — Die Gefährlichkeit des kaiserlichen Haus-

der Begünstigung eines Hochverräters dies drohende Verhängnis
zu einem unentrinnbaren machen konnte und daß in Rom
in diesem Augenblick auch eine wenig begründete Anzeige aufmerksame
Ohren finden würde; und darum wird das Zweideutige
der Prämisse von dem bezwingenden Klang jener
Formel überdeckt.

Man darf als sicher annehmen, daß den Juden in Jerusalem
die innerpolitische Situation des römischen Reiches wohl
bekannt war1; dann auch die besondere Lage des judäischen
Prokurators. Kaiphas wäre ein schlechter Politiker gewesen,
wenn er das nicht ausgenutzt hätte. Daß er es nicht war, beweist
die Tatsache, daß er sich so lange wie kein anderer Hochpriester
in herodianisch-römischer Zeit in seinem Amte hielt.
So stellt auch auf dieser Seite nichts der Historizität des Wortes
entgegen2.

Die Andeutung3 am Eingang des Prätoriums4 — vielleicht
mit einem vielsagenden Blick auf des Pilatus Ring ausgesprochen
— hatte vollen Erfolg5. Der Prokurator, bisher zwischen
Nachgiebigkeit und höhnischer Abweisung6 der Juden schwankend
, wußte nun Bescheid. Er besteigt das Bema und verurteilt
Jesus. —

gerichts (dessen Kompetenz keine scharfen Grenzen gezogen waren) schon in
augusteischer Zeit wird vielleicht am deutlichsten im Falle des Ritters und
Prokurators von Ägypten C. Gallus (Suet. Aug. 66; Dio 53, 23). - Über den
rechtlichen Untergrund von Begriffen wie amicitia, iniuria, inimicitia s.
einiges bei R. Reitzenstein, Zur Sprache d. Iat. Erotik S. 16ff.

') Um so mehr, wenn, wie dies Philo behauptet, tatsächlich das Ende der
Sejanära einen einschneidenden und raschen Wechsel der Judenpolitik Roms
mit sich gebracht hat (Leg. § 161).

2) Gegen eine johanneische Prägung der Wendung spricht auch, daß in
Kleinasien die Bezeichnung tpiÄooeßaOTÖg viel häufiger war als (pikoxalaag;
vgl. jedoch den Titel des Oberpriesters des Kaiserkultes von Asia in der von
J.Keil in österr. Jhefte 1908 S. 103 herausgegebenen Inschrift (die Deutung
des Titels ist noch umstritten).

3) Das ixQCivyaoav in v. 12 ist einfach eine Dublette von v. 6; das eXeyov
der prima manus des Sinaiticus dürfte die richtige Lesart sein. Dafür spricht
auch, daß im Gegensatz zu v. 6 als Sprecher nur die 'lovöaioi, welcher Ausdruck
im Joh.-Evgl. die führenden Köpfe der Juden bezeichnet, nicht aber
die v3lT]Qercu genannt sind. Damit erledigen sich auch die von Wellhausen S.85
angemeldeten Bedenken gegen die Historizität der Szene.

4) Pilatus scheint ähnlich wie bei der ersten Zurschaustellung Jesu(19,4f.)
vor diesem das Prätorium verlassen zu haben (Vgl. auch Bultmann S. 503,
Anm.2). So wird, da die Annahme einer nachträglichen Außerachtlassung des
Grundsatzes von Kap. 18, 28b doch schwierig ist, das Gespräch mit den jüdischen
Führern als am Portal des Amtsgebäudes stattgehabt zu verstehen sein.

5) v. 15 ist kein echter Versuch mehr, Jesus zu retten.

6) s. besonders Kap. 18, 31 und 19, 6b.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Rowley, H.H., d.d., f. b. a.: Submission in Suffering and other

Essays on Eastern Thought. Cardiff: University of Wales Press 1951.
IX, 170 S. 8a. Lw. s 12.6.

Dieser Band legt drei bereits in den Jahren 1940—1948
veröffentlichte Abhandlungen in überarbeiteter Gestalt vor,
nämlich Submission in Suffering: A Comparative Study of
Eastern Thought (S. 1—73), The Chinese Sages and the Golden
Rule (S. 74—107), The Chinese Philosopher Mo Ti (S. 108 bis
144) und fügt ihnen eine ausführliche, in A. Chinesische Religion
, B. Brahmanismus und Hinduismus, C. Buddhismus,
D. Jainismus, E. Islam, F. Babylonische Religion, G. Judaismus
und Christentum, H. Werke allgemeiner Art gegliederte
Bibliographie (S. 145—157) sowie Indices für Sachen, Moderne
Autoren und Stellen (S. 159—170) hinzu. Wie es bei der
zweiten und dritten Abhandlung schon die Titel erkennen
lassen und bei der ersten die Lektüre es alsbald zeigt, nimmt
chinesisches Denken und Glauben in dem Buche einen sehr
breiten Raum ein. Das mag angesichts der Tatsache, daß der
Verf. im übrigen der Welt als Alttestamentler rühmlichst bekannt
ist, manchem als auffällig erscheinen. Wer seinen
Lebensweg aber etwas genauer kennt, der weiß, daß Rowley
vor Übernahme des Lehrstuhls für semitische Sprachen an der
Universität Manchester nicht nur einige Jahre am University
College of North Wales, Bangor das Fach der Religions-
geschichte vertreten, sondern davor auch dem Lehrkörper der
Cheeloo-Universität in Tsinanfu, China, angehört und sich damals
gründlich mit dem chinesischen Volk einschließlich
seiner Sprache vertraut gemacht hat, und versteht es, daß das
damals geweckte Interesse für chinesisches Denken bei ihm

lebendig geblieben ist und sich immer wieder Ausdruck zu
schaffen sucht.

Die erste Abhandlung, die größte von den drei, „Ergebung
im Leiden", die dem Buch den Titel gegeben hat, will, wie der
Untertitel sagt, das vergleichend mustern, was östliches Denken
über Ergebung als Mittel, mit dem Leid fertig zu werden,
zu sagen weiß. Es wird hier also weder ein Versuch zur Lösung
des Leidproblems unternommen noch überhaupt prinzipiellen
Erörterungen um ihrer selbst willen Raum gegeben, sondern
in objektiver Berichterstattung die Art beschrieben, wie sich
Altes und Neues Testament, Hinduismus und Buddhismus,
Dschahilijja und Islam, Confucius, Mengt-tze und Mo-tze mit
dem Leiden abfinden und es überwinden. Dabei läßt die Zusammenstellung
der hier in Betracht kommenden Auffassungen
des öfteren auf einzelne Erscheinungen erhellendes Licht
fallen. So wird es klar, daß zwar auch Indien um enge Verbindung
von Leiden und Schuld weiß, daß hier aber in Auswirkung
der Karma-Lehre das als Strafe für Sünde gewertete
Leid nicht immer die schuldige, sondern eine spätere Inkarnationsstufe
trifft und daß diese Auffassung den Willen zur
Mitarbeit an der Besserung der Verhältnisse dieser Welt eher
hemmt als belebt, dafür aber die Sorge um die Veredelung
des für die Art der künftigen Geburt entscheidenden Charakters
beflügelt. Weiter hebt sich Mo-tze aus der Reihe der
übrigen chinesischen Denker insofern heraus, als er freudig
stellvertretend für andere Leid auf sich nimmt und sich dabei
bewußt dem Willen eines persönlich gedachten Gottes unterwirft
.

Die zweite Vorlesung, die über „Die Chinesischen Weisen
und die Goldene Regel", führt nach der Feststellung, daß es
bei der Beurteilung des Wertes der hier in Betracht kommenden
Sätze weniger auf ihre Form, ob sie nämlich positiv oder