Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1951

Spalte:

177

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Stohr, Albert

Titel/Untertitel:

Das neue deutsche Rituale 1951

Rezensent:

Kressel, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

178

m Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 3______

Augen die Seiten einer neuen, zweiten Geschichte der evangelischeu
Kirchenmusik geschrieben werden, nachdem die erste
mit J. S. Bach ihren Höhepunkt, aber zugleich ihr Ende gefunden
hatte.

Berlin 0skar Söhngen

Stohr, Albert, Bischof Dr. theoi. Dr.iur.ii.c: Das neuedeutsche Rituale. -
Doncoeur, Paul, Pater Dr. theoi., s. j.: Liturgie und Moderne.

[dt. u. franz.] Reden anläßlich der Papstakademie der katholisch-theologischen
Fakultät der Johannes-Gutenbcrg-Universität Mainz am 7. Dez. 1949.
Hrsg. v. L. Lenhart. Mainz: Jon. Outenberg Univ.-Vlgsbh. [1950J. C6 S.
8".-= Mainzer Universitäts-Reden 15. DM2.—.

Diese beiden Vorträge wurden anläßlich des Goldenen
Priesterjubiläums des Papstes Pius XII., des „Liturge par
excellence", wie er gerühmt wird, auf der Papstakademie der
katholischen Fakultät Mainz gehalten.

Der Vortrag des Bischofs Stohr von Mainz gewährt uns
einen interessanten Einblick in die Genesis und die mancher ei
Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bis die endliche
Genehmigung, die aber nicht alle Vorschläge des deutschen
Episkopats (cf. Eheabschluß oder Begräbnis) einschloß, durch
die Riteukongregation in Rom erteilt wurde. Er deutet uns
zugleich die Beweggründe an, die zur Neuschaffung des Rituals
führten: Die ständig fortschreitende Entwicklung zur stärkeren
Beiziehung der Volkssprache (freilich nicht ganz ohne
einige retardierende Momente!), der Wille, einem gewissen
,, Wirrwar der privaten Texte", wie er durch den Flüchtlingsstrom
der ,,Wandernden Kirche" verursacht worden war, zu
steuern, die Erkenntnis ,,der immer fortschreitenden Mischung
der Konfessionen in unserem Land", die ,,das prädik.itorische
Element" bei den gottcsdieustlichen Handlungen eine neue
Bedeutung gewinnen läßt, endlich die Liebe zur Liturgie als
solche: „Das neue Rituale war uns aber auch ein liturgisches
Anliegen."

Der Jesuitenpater Paul Doncoeur-Paris bekennt sich eingangs
mit innerster Leidenschaft zur Liturgie („Was ist herrlicher
als jene Riten, die unsere arme Erde erbauen" — fern
von den Geschäftigkeiten des Marktes und der Börse, fem von
der lauten Menge, fern von den Leidenschaften einer brodelnden
Welt, fern von den Stürmen): „Nicht obgleich ich Jesuit,
sondern weil ich Jesuit bin, widme ich mich heute leidenschaftlich
der liturgischen Wiedergeburt unserer abendlandischen
Christenheit." Er zeigt auf, daß die gegenwärtige Welt
drei grundlegende geistige Güter verloren hat: den Sinn für
das Heilige, den Sinn für das Mysterium und den Sinn für die
Gemeinschaft, und müht sich dann, zu zeigen, wie die katholische
Liturgie die höchsten Inkarnationen des Heiligen, des
Mysteriums und der Gemeinschaft bringe.

Auch wir in der evangelischen Kirche, die einst im
19- Jahrhundert von Solesmcs aus die antiliturgische Häresie
gescholten wurde, können diese Darlegung nicht ad acta legen,
ohne uns ernsthaft auf unsere liturgische Verantwortung zu
besinnen. Wir können jene geistige Notlage der abendländischen
Menschheit und über die Grenzen Europas hinaus
nicht leugnen und müssen daher uns die Frage stellen, ob wir
in unseren Gottesdiensten alles tun, was uns zu tun geboten
»t, um die Kräfte zur Entfaltung zu bringen, die dem Gottesdienst
im Geist und in der Wahrheit verheißen sind. Es geht
hier wahrlich um mehr als um ästhetische Spielereien; es geht
einmal darum, daß unsere Liturgie im Blick auf die missionarische
Aufgabe unserer Kirche, die dort klar gesehen wird
wenn man ein Neues schafft, wieder „eine heilige Schutz- und
Irutzwaffe in des Herren Kriegen" (W. Löhe) werde. Es geht
zum andern darum, daß wir selber wieder im Heiligtum
wohnen und — der Pater S. J. soll uns darin nicht ubertreffen
! — nichts Größeres und nichts Schöneres kennen als
die Gottesdienste unseres Herrn Christus (W. Löhe). Bedarf
es auch einer Anspannung aller Kräfte in Wissenschaft und
Kirchlicher Praxis, um unsere Liturgie (und wir meinen damit
den ganzen Gottesdienst!) wieder zum centrum ecclesiae, zu
ihrem eigentlichsten Kraftzentrum, werden zu lassen —
wollen wir uns darin vom deutschen katholischen Episkopat
»iid seinem schier rührenden Gehorsam wie seineu Anstrengungen
, die nicht immer die letzte Anerkennung und Billigung
der Ritenkongregation fanden, beschämen lassen ? Dann
mochte es uns - fern von jeder „liturgischen Lethargie" und
jedem „liturgischen Zelotentum" — geschenkt werden, wie
«J* >,Hirte des Hermas" (Mandata IV) es bezeugt: „Der
22t$« Geist, der in dir wohnt . . . wird Gott Hturgieren 111
Fröhlichkeit!"

Nürnberg H. Kreßel

Tack, Franz, Dr.: Der kultische Gesang der abendländischen Kirche.

Ein gregorianisches Werkheft aus Anlaß des 75. Geburtstages von Dominlcus
Johner. In Verbindung mit zahlr. Mitarb. hrsg. Köln: Bachem 1950. 126 S.,
1 Titelb. gr. 8°. Kart. DM 4.80.

Als Werkheft zum 75. Geburtstag von Domiuicus Johner
erschienen, der in Köln der Gregorianik neue Geltung verschaffte
und dessen „Lebensweg" im ersten Aufsatz kurz vorgeführt
wird, bringt es zahlreiche Abhandlungen von den verschiedensten
Liturgikern und Musikern der katholischen
Kirche in und außerhalb Deutschlands, von Rom bis Köln
und Maria-Laach und von Salzburg bis Einsiedeln und Soles-
mes. In erschöpfender Weise werden alle möglichen Einzelheiten
behandelt. Es soll der Nachweis erbracht werden, daß
— mit dem Wort des Kölner Erzbischofs zu reden — die
Gregorianik „das Fundament aller Kirchenmusik" ist.

Uns interessiert besonders der Aufsatz von Walter Reindell
, Linz, über Gregorianik und evangelische Liturgie. Es
wird aufgezeigt, daß in unseren Tagen eine neue folgenreiche
Begegnung mit dem vorrefonnatorischen Singgut stattgefunden
und zur Entdeckung der Besonderheit gregorianischen
Singens geführt hat. Es ist das Anliegen Reindells,
daß das in der Reformationszeit ungelöste Problem neu aufgegriffen
wird und diesmal die Frage nach der Bedeutung der
Gregorianik eine befriedigende Lösung findet. Cf. Alpirsbach!
Wir billigen dieses Ringen, wenn es von der richtigen Perspektive
her geschieht, wie auch anerkannt wird, daß die
Liturgie eine theologische Funktion ist. Wir müssen nur an
dem einen festhalten und stark betonen, daß durch eine neue
Pflege der Gregorianik in der lutherischen Kirche der refor-
matorische Choral und das Lied der Gemeinde überhaupt
nicht zu kurz kommen dürfen, sondern in der polaren Spannung
zwischen liturgisch greogoriauischem Altargesang und
Geniemdelied das richtige Verhältnis gefunden werden muß.
Nürnberg H. Kreßel

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Weidenbach, Oswald, Prof.: EthOS contra Logos. Freiheit und Notwendigkeit
streiten um den Sinn der Welt. München: Federmann (bisher
Erasmus-Verlag) 1948. 184 S. 8°= Ernst Reinhardt Bücherreihe. DM8.—;
geb. DM9.50.

Das Buch ist, wie schon der Titel verrät, eine Kampfschrift
. Es streitet gegen die Seins- für die Existentialphilosophie
, deren Zeitalter nach S. 146 mit Kierkegaard begonnen
hat. Doch ist, wie wir hören, der Gegensatz schon älter. Am
Anfang alles Philosophierens stehen sich Pannenides mit seüier
Lehre von der seienden, vollkommenen, in sich ruhenden Logos-
Welt und Heraklit, der Verkünder einer stets werdenden Welt
des Widerstreits, gegenüber. Hier ignoriert der Verf., ehemals
Professor der Philosophie in Gießen, freilich, daß doch auch
Heraklits Welt nicht ganz irrational, sondern vom Logos
durchwaltet ist. In der Neuzeit sind vor allen Spinoza und
Kant die Antipoden.

Nach Weidenbach gibt es also nicht und darf es — um des
sonst unmöglichen Ethos willen — nicht geben eine geschlossene
Logos-Welt, in der Sein und Denken eins sind, in der alles
Werden, soweit davon die Rede sein kann, von unwandelbaren
Gesetzen beherrscht ist, also auch keinen Gott, der alles
wüßte und vorherbestimmte. Denn damit fiele Freiheit hin.
Sondern die Welt ist und bleibt unfertig, in ihrem Fortgang
unbestimmbar, durch und durch irrational, darum aber dem
Eingriff und der Gestaltung durch freie Tat geöffnet. Es gibt
auch keine wesenhaften Ideen — der Nominalismus behält
gegenüber dem Realismus Recht — keine Dinge an sich, überhaupt
nichts hinter der fluktuierenden Erscheinungswelt, und
auch Kant muß wegen seiner Inkonsequenz, mit der er Gott
als Urheber und Gesetzgeber, ferner eine intelligiblc Welt und
einen intelligiblen Charakter postuliert, einen scharfen Verweis
hinnehmen. Es gibt keine Wahrheit und Objektivität an
sich. Vielmehr ist es das Subjekt, das in freier Tat und Entscheidung
dem Chaos notdürftige, stets provisorische, stets
der Revision und Ergänzung bedürftige Ordnungen und „Bindungen
" auferlegt. Ja, Weidenbach kann sagen: „Es ist das
Subjekt, das die Objekte schafft durch seine Tat (und auch
das Erkennen ist eine Tat)" S.113.

Allerdings tritt Verf. nicht {ür eine absolute Willkür des
Subjekts ein. Jene Bindungen müssen doch irgendwie dem
vorgefundenen Material angepaßt sein, und auch an Logik
darf es den theoretischen und praktischen Bemühungen um
Weltgestaltung nicht fehlen. So kommt man denn trotz allem