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Ausgabe:

1951

Spalte:

175-176

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Federer, Karl

Titel/Untertitel:

Liturgie und Glaube 1951

Rezensent:

Altaner, Berthold

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175

176

Stimmt das, dann müßte auch das Camminer Stück in diese
Zeit gehören.

Die Reihe der Neudeutungen wird endlich mit dem Ka-
meo auf dem Deckel der Trierer Adahandschrift geschlossen:
über zwei Adlern erscheint eine kaiserliche Familie, die Theo-
dosius I., Flacilla, Honorius, Arkadius sowie die Tyche Konstantinopels
darstellen soll. Aber wenn der Stein, woran ich
nicht zweifeln möchte, wirklich in das 4. Jhd gehört — dahin
weist der Kopfschmuck der Prinzen — so würde ich eher an
Konstantin, Fausta, Crispus und Constantius II. denken. Die
Frau links mit Schleier und Früchte- oder Epheukranz bliebe
dann die Tyche.

Göttingen A.M.Schneider

Möller, Hilde: Sechs Hamburger Kirchen 1947. st. Petri, st. Michael,

St. Katharinen, St. Nikolai, St. Jacobi, St. Georg. Zeichnungen. (Einf.:
Dr. Karla Eckert.) Hamburg: Nölke [1947J. 4 S. Text 4°; 6 Taf. 2°. In
Mappe DM 4.50.

Die sechs großformatigen Blätter, die Hilde Möller 1947
von den sechs bedeutendsten Kirchen Hamburgs zeichnete,
gehören mit zu den besten Darstellungen des „Zerstörten".
Wie schnell vergessen wir den Zustand, vor dem wir mit
Schrecken standen. Die Photos aus jenen Tagen, da ganze
Geschichte vernichtet wurde, sind ein schwacher Beweis des
Wertes vom Verlorenen. Erst Zeichnungen wie die vorliegenden
Darstellungen können uns Zustand und Größe zugleich
offenbaren. Hier ist es gelungen, was selten gelingt, daß das
Detail nicht „verkürzt" und dennoch das Ganze nicht außer
acht gelassen ist. Selbst undefinierbare Trümmerstücke im
Innern der Kirche oder vor ihren Toren reden die gleiche
Sprache wie die verbliebenen Schönheiten.

Die Zeichnungen werden dem Betrachter zum Zeichen,
zum Zeichen eines Gerichtes, das nicht nur vor den Toren der
Gotteshäuser nicht halt machte, sondern recht eigentlich „hier
anfing"; eine ständige Mahnung daran, daß auch unseren
Kirchen der Todeskeim eingesenkt ist, und daß wir aber ebenso
bereit sein müssen, sie zu „bauen".

Im Zusammenhang mit dem klaren und ganz sachlich
gehaltenen Begleittext zu den Bauten von Dr. Karla Eckert
legt der Verlag hier eine echte Hamburgensie, aber auch ein
echtes Dokument der Zeit vor.

Hamburg Gerhard Langmaack

LITUR GIE WISSENSCHA FT

Federer, Karl: Liturgie und Glaube. Eine theologiegeschichtliche Untersuchung
.Freiburg/Schweiz: Paulusverlag 1950. 144 S. = Paradosis Beiträge
zur Geschichte der altchristlichen Literatur und Theologie IV.

Ausgangspunkt der Untersuchung ist der von Prosper von
Aquitanien in den von ihm verfaßten sogenannten Capitula
Caelestini n. VIII gebotene Satz: Legem credendi lex (statuit)
supplicandi (ML 51, 209), d.h. das liturgische Beten ist Norm
für den Glauben. Zunächst wird der ursprüngliche Sinn dieser
noch nicht allgemein gefaßten Formel festgestellt (S. 9—18)
und aufgezeigt, daß Prosper mit größter Wahrscheinlichkeit
nicht nur aus dem in vielen Texten in diese Richtung weisenden
Gedankengut Augustins geschöpft hat, sondern daß eine
direkte literarische Abhängigkeit von Augustins Ep. 217 anzunehmen
ist. Allerdings bleibt die klassische Formulierung
der augustmischen Gedanken, daß die Notwendigkeit des Gebetes
die Notwendigkeit der Gnade beweise — dies ist der ursprüngliche
engere Sinn der Formel — Eigentum des Aquitanien
(S. 19—41).

Im 3. Teil (S. 42—109) sucht der Verf., rückwärts schauend
, die Quellgründe der augustinischeu Anschauung von der
Verwurzelung des Glaubens im liturgischen Geschehen und
Beten nachzuweisen. Hier werden die Schriften des Ambrosius,
Optatus von Milive, Cyprian, Tertullian bis zum Apostolischen
Symbolum hinauf herangezogen und die darin enthaltenen
Bausteine für das neue Ganze der augustinischen Beweisführung
aufgezeigt. Abschließend wird dann S. 110—122 untersucht
, wie sich Prosper mit der antiaugustinischen Streitschrift
, dem Commonitorium des Vincentius von Lerinum auseinandersetzt
und gegen Vincentius zu zeigen bemüht ist, daß
der Beweis aus der Liturgie als reifste Form des Traditions-
beweises gewertet werden müsse.

Der Verf. ist sich darüber klar, daß auf Grund seines
kurzen theologiegeschichtlichen Uberblicks noch kein ausreichendes
Material geboten wird, um eine allseitige Darstellung
eines theologischen Beweises aus der Liturgie geben
zu können. Denn eine nähere Bestimmung und Umgrenzung
alles dessen, was aus der Liturgie als theologisch gewisse Lehre

angesehen werden kann, ist durch den eingangs vorangestellten
Grundsatz nicht gewonnen. Der für die theologische Diskussion
gültige und brauchbare Sinn der allgemeinen Formel über die
wechselseitigen Beziehungen von Gebet und Liturgie einerseits
und Glaubenslehre anderseits ist darum auch heute noch sehr
wenig geklärt.

Die vorliegende Arbeit ist ein sehr dankenswerter Beitrag
für den Aufbau einer liturgischen Theologie. Aufs Ganze gesehen
hätte sich allerdings der Verf. vielfach kürzer fassen
können. Insbesondere hätten manche biographischen und
literarhistorischen Ausführungen in einer fachwissenschaftlichen
Studie als bekannt vorausgesetzt und fortgelassen
werden sollen.

Würzburg Berthold Altaner

Hoffmann, Hans: Vom Wesen der zeitgenössischen Kirchenmusik.

Kassel: Bärenreiter-Verlag 1949. 112 S. 8°. Kart. DM 4.80.

Dieses Buch ist das literarische Vermächtnis des im vergangenen
Jahre heimgegangenen ausgezeichneten Schütz-
Sängers und städtischen Musikdirektors in Bielefeld; er hat
es dem Andenken seiner beiden bei dem Luftangriff auf Dresden
umgekommenen Töchter gewidmet. Es bietet eine fesselnde
Einführung in die neue Kirchenmusik. Dabei geht es Hoffmann
weniger darum, die theologischen und geistigen Hintergründe
der in der Tat erstaunlichen Wiedergeburt der Kirchenmusik
im einzelnen zu analysieren, — wohl unterrichtet er den
Leser kurz über die vorbereitende Rolle, welche die Wiederentdeckung
der Werke Bachs, Schützens und Praetorius', die
Orgel-, Sing- und die liturgische Erneuerungsbewegung dabei
gespielt haben —, das Schwergewicht seiner Arbeit liegt auf
der Darstellung des zeitgenössischen kirchenmusikaiischen
Schaffens selbst, das an seinen repräsentativen Vertretern und
an deren wichtigsten Werken mit einer Fülle von Notenbeispielen
erläutert wird. Insofern stellt das Werk eine wichtige
Ergänzung der bisherigen Literatur über die zeitgenössische
Kirchenmusik dar. Natürlich lassen sich bei einem solchen
Unternehmen — schon in der Auswahl des Stoffes, aber auch
in der Bewertung der einzelnen Kompositionen — subjektive
Maßstäbe nicht ausschalten. Dem Berichterstatter will es z. B.
scheinen, daß das umfangreiche und höchst originelle kirchenmusikalische
Schaffen J. N. Davids eine eingehendere Behandlung
verdient hätte; und auch die neueren Chorkompositionen
Eberhard Wenzels sind seines Erachtens gewichtiger
als manches, was Hoffmann hervorhebt und bespricht. Es ist
überhaupt beglückend, feststellen zu können, auf wie vielfältigen
Wegen, vor allem auch hinsichtlich des grundlegenden
Wort-Ton-Problems, heute legitime evangelische Kirchenmusik
geschaffen wird. Man möchte wünschen, daß eine
spätere Untersuchung die Arbeit Hoffinanns unter diesem
Gesichtspunkt einmal fortführt. Zweifellos tut Hoffmann recht
daran, daß er die Entwicklung der Kirchenmusik mit der
radikalen Neuorientierung des musikalischen Schaffens überhaupt
in der sog. Neuen Musik in Verbindung bringt. Denn
da die evangelische Kirchenmusik kein selbständiges musikalisches
Genus darstellt (wie etwa auf katholischer Seite die
Gregorianik), bedarf sie als Substrat einer musikalischen Gemeinsprache
, die grundsätzlich für die christliche Aussage
„offen" ist; diese muß ihrer Grundhaltung nach kultisch sein,
wenn der Gegensatz zwischen „geistlicher" und „weltlicher"
Musik überwunden werden soll, und dieser elementaren Voraussetzung
wird erst wieder die neue Musik in ihren wesentlichen
Strömungen gerecht.

Noch zwei Bemerkungen: So heilsam für eine kritiklose
Bach-Begeisterung Hoffmanns Urteil sein kann, daß die Kantaten
J. S. Bachs, selbst seine Choralkantaten, in den heutigen
Gottesdienst nicht hineingehören, so schießt er doch wohl
über das Ziel hinaus, wenn er meint, daß die Musik Bachs als
ganze über den Kultus hinausgewachsen sei (S.80). Es gibt
nämlich eine Stelle im Gottesdienst, wo auch die Spielmusik
ihr Recht hat: nämlich in der „eucharistischen Tafelmusik"
sub communione, und hier lassen sich nicht nur die großen
Choralvorspiele, sondern auch die meisten Motetten Bachs
und selbst manches Stück aus seinen Kantaten musizieren.

Und schließlich müßte ein Satzfehler bei der Neuauflage
berichtigt werden: In dem Notenbeispiel aus dem dreistimmigen
Distler-Satz zu „Wie schön leuchtet der Morgenstern"
auf S.52 fehlt in der Vorzeichnung ein zweites Kreuz.

Hoffmann stellt seine begeisterte und begeisternde Darstellung
unter das Eingangswort des 98. Psalms „Singet dein
Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder", und er macht
sich ausdrücklich die schon gelegentlich des Festes der deutschen
Kirchenmusik 1937 "1 Berlin von dem Berichterstatter
geäußerte Meinung zu eigen, daß heute vor unseren staunenden