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Ausgabe:

1951 Nr. 3

Spalte:

174

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Leufkens, Joseph

Titel/Untertitel:

Adolf Donders 1951

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Seite 1

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173

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 3

174

durch die unseligen Zonengrenzen auseinandergerissenen badischen
Staates um seüien Fortbestand.

Auf wenigen Seiten sind auch konfessionelle Situation und
Entwicklung des aufzubauenden Staatswesens behandelt, jedoch
kommt der Kirchenpolitiker in keiner Weise auf seine
Rechnung. Die beiläufige Behandlung der kirchlichen Neuordnung
wird der Bedeutung dieses Fragenkomplexes in keiner
Weise gerecht. Dabei fallen in den behandelten Zeitabschnitt
ebenso die Auflösung der alten Diözese Konstanz und die
kirchenpolitische Tätigkeit eines J. H. v. Wessenberg als Ko-
adjutor Dalbergs, die beide als „Träumer um eine Nationalkirche
" abgetan werden, wie die Vorgeschichte der 1821 errichteten
Oberrheinischen Kirchenprovinz mit dem Erzbistum
Freiburg als Metropolitansitz. Der Aufhebung uralter klösterlicher
Kulturstätten weint der Verf. keine Träne nach. Sie sind
für ihn „im Zerfall des 18. Jahrhunderts nur noch ruhmlos verdämmernde
Schatten einstiger Herrlichkeit", die ihre Tage
statt mit Wissenschaft und Kunst mit „eifervollem Mönchsgezänk
zubringen". Daß der bedeutende Fürstabt Martin Gerbert
(1764—1793) gerade damals St. Blasien zu einer hervorragenden
Pflanzstätte des wissenschaftlichen Lebens erhoben
hatte und sein großangelegter Plan einer „Germania Sacra"
der Säkularisation zum Opfer fiel, entzieht sich Haeblers
Kenntnis. Er weiß nur von der erfolglosen „besonderen Schlauheit
" des damaligen Fürstabts in der Bemühung um die Erhaltung
der Fürstabtei.

Leider bietet Haebler bei seiner grundsätzlichen Beurteilung
der kirchenpolitischen Fragen keine Aussicht, daß der
2. Band, in dem er besonders auf die sozialen und wirtschaftlichen
Fragen der behandelten Jahrzehnte einzugehen verspricht
, hier die notwendigen Ergänzungen bringen wird. Dies
ist um so bedauerlicher, als er die Fähigkeit besitzt, über den
spannungsreichen Details die großen Zusammenhänge nicht
aus dem Auge zu verlieren. Jedoch gereicht seine gewandte journalistische
Schreibweise der Darstellung nicht in allweg zum
Vorteil. Der Skandalchronik des Badischen Hofes gehört seine
besondere Vorliebe.

Der vorliegende Band endet mit der fortschrittlichen
badischen Verfassung von 1818, der ersten in Deutschland.
Das in den Jahren 1934—1936 entstandene Buch baut ausschließlich
auf gedruckten Quellen auf, mit diesem Zeitpunkt
schließt auch das (lückenhafte) Literaturverzeichnis ab.

Trier Hubert Schlei

Hirscher, Joh. Baptist von: Selbsttäuschungen, aufgezeichnet und zur
Beförderung der Selbsterkenntnis ans Licht gestellt. Neu hrsg. u. eingel. von
Jos. Thielmann. Heidelberg: Kemper 11947]. 114 S. kl. 8°. Kart. DM 3.30;
pP. DM3.60.

Die „Selbsttäuschungen" sind das Vermächtnis des Freiourger
Moraltheologen und Domdekans Hirscher (1788 bis
l8&5). der zu den Mitbegründern der Tübinger Schule gehört
«"d auch auf seinem Freiburger Morallehrstuhl im Geist und
»1 der Nachfolge Sailers für die religiöse Vertiefung gewirkt
hatte. Durch seine praktisch-religiösen Schriften, die zumeist
hohe Auflagen erreichten, gehört er zu den Männern, die zu
ihrer Zeit die Voraussetzungen für die Wiedergeburt des religiösen
und kirchliehen Lebens im katholischen Deutschland
geschaffen haben.

Das Vorwort zu den „Selbsttäuschungen" schrieb Hir-
sclier an seinem 78. Geburtstag. In der letzten Ansprache an
seme Hörer hatte er gesagt: „Ich habe das sittliche Leben oder
das Reich Gottes im Menschen beschrieben, wie sich dasselbe
unter dem Einflüsse der gegebenen Kräfte und Anregungsmittel
mit den Jahren mehr und mehr wirklich entwickelt
oder wie es auch krank wird". Um diese Erkrankungscrsehei-
iiungen des religiösen Lebens geht es ihm in den „Selbsttäuschungen
". In kurzen Beispielen schärft der Kenner des
menschlichen Seelenlebens den Blick dafür, alle Spielarten
trommelnden Selbstbetrugs, der im religiösen Leben so oft
Schern mit Sein verwechseln läßt, zu erkennen. Friedr. Willi,
i'.oerster nannte das Büchlein „ein Hilfsmittel ersten Ranges
mr Geistliche jeder Konfession".

Der verlcgerische Erfolg blieb Hirscher übrigens in diesem
£**je versagt, da sein Name durch das Aufkommen des politischen
Katholizismus gegen sein Lebensende mehr und mehr
benehmt war. Erst 1915 folgte eine neue Ausgabe, die von
Johannes Munibauer trefitlich eingeleitet war. Die vorliegende
f"euauflage ist vom Herausgeber der heutigen Rechtschreibung
angepaßt und mit einer Einleitung versehen, der ein besonderer
Wert nicht zukommt.

Trier H. Schiel

Leufkens, Joseph: Adolf Donders. Ein Gedenkbuch seiner Freunde zsgst.

Münster: Aschendorff 1949. 103 S. m. 1 Titelb. 8°. DM 4.50; Lw. DM 5.50.

Neben der Biographie von Donders aus der Feder von
M. Römer-Krusemeyer (vgl. ThLZ 1950 S. 434) hat dieses
Gedenkbüchlein seinen eigenen Wert. Es bringt 18 Beiträge
von Persönlichkeiten, die dem 1944 verstorbenen Dompropst
von Münster nahegestanden haben, und führt sachlich teilweise
über die genannte Biographie hinaus. Es wird nüchtern
berichtet, nicht übertrieben und auch auf die Grenzen, die
Donders gesetzt waren, offen hingewiesen. Eine Bibliographie
von Donders Veröffentlichungen ist beigegeben.

Münster R. Stupperich

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Bruns, Gerda: Staatskameen des 4. Jahrhunderts nach Christi Geburt.

Berlin: de Gruyter 1948. 40 S., 27 Textabb. 4° = 104. Wincltelmanns-
programm der Archäologischen Oesellschaft zu Berlin. Verfaßt f. d. Winckel-
mannstag 1944. Ausgegeb. am 9. Dez. 1948. DM 22.—.

Erzeugnisse von Hofmanufakturen — seien es nun sassa-
nidische Silberteller, Diptychen oder Kameen — fallen, weil
sie einem andern Geschmack folgen, meist aus dem Rahmen
der allgemeinen Kunstgeschichte und können daher — wenn
sie nicht etwa beschrittet sind — nur durch historisch-antiquarische
Interpretation datiert werden. Es ist infolgedessen
nicht verwunderlich, wenn die Ansichten über das Alter mancher
Stücke beträchtlich auseinandergehen. In das frühe 4. Jhd
hat man bisher nur den sog. Liciniuskameo der Bibl. Nat. zu
Paris datiert — aber gerade dieser ist eine Fälschung des
16. Jhds, wie die Verf. überzeugend dartut. Dafür weist sie
aber andere, bisher viel früher angesetzte Stücke in das frühe
4. Jhd. So den bisher auf 43 n.Chr. datierten Kameo aus dem
Haag: die waagrecht schwebende Nike weist nämlich in diese
Zeit, weil sie aufs nächste mit der Victoria des Stadteroberungsfrieses
auf dem Konstantinsbogen verwandt ist. Auch
der stark zeichnerische Stil der Faltengebung spricht für die
Spätzeit. Nur mit der Interpretation der Verf. vermag ich mich
nicht recht zu befreunden. Auf dem von Kentauren gezogenen
Wagen will sie nämlich Konstantin, Fausta, den jugendlichen
Constantius IL und in der kleineren Figur, links in der Ecke,
Helena erkennen. Der Sieg über Licinius, die Wiederherstellung
der Reichseinheit und die Erhebung des Constantius zum
Cäsar solle nämlich auf diesem Kameo dokumentiert werden.
Konstantin sitzt, ist jedoch größer als die stehende Fausta,
noch kleiner ist Helena: die Größenverhältnisse sind also nach
dem Rang der Dargestellten geordnet. Man fragt sich dabei
nur, weshalb Crispus, der doch entscheidend zur Niederlage
des Licinius beitrug, hier fehlt. Und steht Helena rangmäßig
so niedrig, daß sie als kleine Nebenfigur in die Ecke gestellt
werden kann ? Streicht man sie aber aus der Deutung und
setzt man statt ihrer etwa eine allegorische Figur ein, dann
könnte man die Darstellung zwar nicht auf den Sieg über Licinius
und die Wiederherstellung der Reichseinheit, sondern
auf die Erhebung des Constantius zum Caesar (324 n.Chr.)
deuten.

Derselben Zeit werden dann weiter der Kameo aus Cam-
miu und einer aus Wien zugeschrieben, der das Brustbild einer
Stadtgöttin zeigt. Letztere Arbeit scheint mir indessen zu flau,
um die Ansetzung über alle Zweifel zu erheben. Das bisher auf
Claudius gedeutete Stück aus Cammin stellt einen vergött-
lichten Mann mit Strahlenkrone dar, der an Stelle der Chlamys
eine Aegis trägt. Gegen eine Frühdatierung sprechen die Stulpenstiefel
; auf Konstantin aber deutet nach der Verf. das Palladium
, das der Mann in seiner Linken trägt, weil Konstantin
dieses ehrwürdige Heiligtum von Rom nach seiner neuen
Hauptstadt gebracht und unter der Säule des Forums vergraben
habe. Nun ist diese Angabe aber erst bei Autoren des
6. Jhds bezeugt — das 5. Jhd. wußte von in der Säule geborgenen
Kreuzreliquien (Socrates H. e ,1 17) — so daß ich gegen
diese Notiz sehr skeptisch bin, zumal eine vor etwa 20 Jahren
unternommene Grabung unter der Säule nichts zu Tage förderte
. Es handelt sich mithin um eine Legende, die in der
zweiten Hälfte des 4. Jhds in heidnischen Kreisen entstanden
sein könnte, die den christlichen Unterpfändern, die der Stadt
ewige Dauer gewähren sollten, den heidnischen, hochheiligen
Kultgegenstand entgegensetzten.

Ein Kameo aus dem Berliner Antiquarium und sein Gegenstück
, der bukarester Orghidaukamco, die von zwei Adlern
getragene Büsten eines bärtigen Kaisers und einer Tyche zeigen
, zwischen denen das Palladium steht, werden ansprechend
auf Julian und die Tyche von Konstantinopel gedeutet.