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Ausgabe:

1951

Spalte:

169-170

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Könn, Josef

Titel/Untertitel:

Gott und Satan 1951

Rezensent:

Strathmann, Hermann

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Seite 1

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K59 Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 3_____170

arbeiter nicht zu überzeugen vermocht hat. Aber die Bedeutung
des Werkes beruht ja auch gar nicht hierauf, sondern
ebenso wie bei dem zweiten auf dem überzeugenden Nachweis,
daß beide Evangelien nur vom Mutterboden des palästinensischen
Judentums aus wirklich verstanden werden können,
in dessen Sprache und Denkgewohnheiten sie wurzelten. Hinter
beiden Werken Schlatters stellt eine ungeheure Arbeitsleistung
des Sammeins und Vergleichens, die intimste Vertrautheit
mit der Literatur der Rabbinen wie auch des hellenistischen
Judentums, besonders des Josephus, der aufs feinste
geschärfte Sinn für sprachliche und stilistische Eigenheiten.
Doch wird nicht nutzloser Ballast aufgestapelt. Sondern die
Fülle der hebräischen und griechischen Zitate, der grammatischen
und lexikalischen Beobachtungen dienen nur dazu, die
Arbeit der Evangelisten, ihre geistige Art, ihre Art zu reden,
als solche von Palästinensern, von Zeitgenossen und Jüngern
Jesu, von Männern der Urkirche erkennen zu lehren. Die
rabbinischen Parallelen, die Schlatter nicht nur im punktierten
Urtext, sondern — höchst wirkungsvoll — in eigener
griechischer Übersetzung darbietet, macht die nächste Verwandtschaft
der Redeweise handgreiflich. Aber es ist überflüssig
, irgendein weiteres Wort über die Bedeutung dieser
Bücher zu verlieren. Das zweite Werk schließt Schlatter mit
folgenden Sätzen: „Kennzeichnet seine Sprache „Johannes"
als Palästiner? Wenn die Sprache überhaupt über die Herkunft
Auskunft geben kann — und sie kann es —, tut sie es hier.
Dachte er mit dem jüdischen Vorstellungskreis ? Unzweifelhaft
. Sprach er als Glaubender ? Nur ein Gewaltakt wird ihm
dies bestreiten." Und im Vorwort zu dem Matthäuswerk
BChlieb Schlatter zuversichtlich: „Ich denke mir zu diesem
Buch gern einen tapferen Studenten, dem es zum Ziel ernsthafter
Bemühung wird, daß das erste und mächtigste der
Evangelien für ihn nicht ein farbloses, in weiter Entfernung
schwankendes Schriftstück bleibe, sondern seine historisch
echte Farbe bekomme und das von ihm Gewollte und Gesagte
erschließe".

Die Forschungsarbeit schreitet unaufhörlich weiter; die
am Johannesevangelium ist heute in besonders lebhafter Bewegung
. Die beiden Bücher Schlatters werden sich noch lange
als eine Fundgrube sehr bemerkenswerter Beobachtungen und
als eine Schule methodischer Prinzipien erweisen, die nur zum
Schaden der Sache vernachlässigt werden könnten.

Erlangen H. St rathmann

Könn, Joseph, Dr.: Gott und Satan. Schriftlesungen über die Geheime
Offenbarung. Einslcdeln/Köln: Verlag Benziger il949j. 448 S. 8°. DM 17.90;
Lw. DM 20.—.

Dem Verf. dieses Werkes geht es um eine Ergänzung und
Bereicherung der katholischen Erbauungsliteratur von der
«ibel her. Er will helfen, zu der reichen evangelischen Literatur
, che dem Volke die Bibel nahebringt, ein Gegenstück zu be-
5S**v ' im Sinne der neuen katlioliscb.cn „Stuttgarter"
«ibelbewegung, so genannt nach dem Sitz ihrer Hauptgeschäftsstelle
. Ihr ist das Buch gewidmet. Es kommt dem Verf.
also nicht auf die Entfaltung irgendwelcher Gelehrsamkeit an
alles, was dahin gehört, ist völlig beiseite gelassen, womit
'reihch auf jeden Ansatz zu einem geschichtlichen Verständnis
uer Apokalypse verzichtet ist —, sondern auf „die Auswertung
«es Textes für das praktische Leben".

. V'e "Einleitung" beschäftigt sich demgemäß auch nicht
»11t den üblichen Einleitungsfragen — von welchen der Leser
nichts erfährt —, sondern mit den allgemeinen Grundgedanken,
weiche für das den folgenden „Schriftlesungen" zugrunde
jagende Gesamtverständnis der Apokalypse maßgebend sind:
"lese will die christliche Gemeinde für die ihrer wartenden
W gUllgsnöte stärkcn, indem sie ihr einmal mit voller Klar-
d,-r yagt' daU dx'r spanische Kampf gegen sie bis an das Ende
c£w.u dauern. »ber zuletzt mit dem Siege Gottes und
Kr f. ,Clldcn wird; die milder der Apokalypse stellen die
bif, dlescs in der Kirchengeschichte wie im Leben der Gläu-
auf -aU 1 1(1 ab w°genden Kampfes dar, sind dagegen nicht
si,, 1 , ne periodeu, Vorgänge und Gestalten zu beziehen,
••>uid vielmehr von „überzeitlicher" Geltung,
offr ?er Autor Schert sich hierdurch gegen die landläufige,
Cel, • 1 unausl»ttbare Neigung, die Apokalypse als eine Art
lieh 1 dcr der Weltgeschichte zu verstehen und womög-

stim 1 Stand des eschatologischen Uhrenzeigers zu be-
Auff übertreibt aber andrerseits das Richtige dieser

loek ?SUng' nidem er nun meint, keinerlei konkrete eschato-
So »-ii r ^geschichtliche Beziehung zulassen zu können,
wird denn auch das Tausendjährige Reich „symbolisch"

gedeutet und spiritualisiert, die Todeswunde des Tieres und
dessen Genesung wird von dem Wechsel von Mißerfolgen und
Wiedererstarken von satanischen Mächten verstanden und die
Zahl 666 in 13, 18 bezieht sich weder auf Nero noch auf Domitian
oder wen sonst, sondern besagt, daß der Antichrist
nicht einmal, sondern dreimal schlecht ist und also nie den
Endsieg erreichen kann. Denn 7 ist die Zahl der Vollkommenheit
. 7 — 1=6 bedeutet also das Nichtvollkommene, das
Schlechte (S. 295). Solcher „erbaulichen" Spielerei überläßt
sich der Verf. auch sonst gern. Zu den „7 Gemeinden" 1, 4
z. B. verbreitet er sich wieder über die Zahl der Vollkommenheit
. Er behauptet, 3 versinnbildliche für die damalige
Zahlensymbolik die Gottheit; 4 sei Hinweis auf das Irdische,
„3 4- 4 deuten demgemäß an, daß das Göttliche das Irdische
erfüllen und zur Vollendung führen will". Wie den zeitgeschichtlichen
Beziehungen, so geht der Verf. auch dem reli-
gions- und mythengeschichtlichen Ursprung der einzelnen Motive
und Bilder grundsätzlich nicht nach, um der „praktischen"
Deutung desto ungehinderter sich zu überlassen.

Diese führt aber überhaupt zu den größten Willkürlich-
keiten, die nicht geringer sind als die der vom Verf. zurückgewiesenen
Auslegungsweise. Denn sie findet überall allgemeine
Erfahrungen oder Wahrheiten des religiösen Lebens angedeutet
, die dem Textzusammenhang völlig fem liegen. Die
Erbaulichkeit wirkt darum nicht überzeugend und lenkt andrerseits
die Aufmerksamkeit von dem im Text Gesagten ab.

Beispiele: Zu 1, 7a Er kommt mit den Wolken. „Was hier als Thema
der Apokaiyse angegeben wird, ist Leitgedanke Jedes christlichen Lebens. Für
den wahren Christen kommt der Herr Tag für Tag auf den Wolken des Himmels
." — Zu 1, 2a: „Jeder Getaufte hat den Beruf, für Christus Zeugnis abzulegen
". (Aber in ganz anderem Sinnl) — Zu 1, 3: „Die liturgischen Lesungen
... bereiteten die eucharistische Vereinigung mit dem menschgewordenen
Christus vor". (Ein dem Zusammenhang völlig fremder Gedanke.) — Zu 1,9:
„Jedem bereitet Gott irgendwie sein Patmos". (Aber keineswegs in dem Sinn
wie dem Johannes.) — Zu 1, 13: Als König und Priester lebt der Herr auch
mitten in unserer Seele. Wir dürfen an seinem Priestertum teilnehmen, mit
ihm das hl. Opfer feiern, in Ihm und durch ihn uns selbst dem Vater als lebendige
Gabe darbringen". (Daran denkt Johannes hier nicht.) — „Sein Urteil
bleibt immer gerecht und unumstößlich. Das kann man daraus entnehmen,
daß der Gürtel die Brust umschließt, das Herz gleichsam fest und unempfänglich
macht für Schwäche und Nachgiebigkeit In der Behandlung der Seinen
". (??) — Zu 1, 15: „Die Füße werden besonders erwähnt, weil man sich
bei dem Akt der Anbetung... dem Kaiserbild zu Füßen werfen mußte".
(Keineswegs, sondern wegen Dan. 10, 6.) — Zu 1, 16: Die Sterne in der Rechten
des Menschensolmes „bedeuten zunächst die Engel der Kirchen, weisen aber
auch auf die Seelen der Christen hin". (Das widerspricht dem Zusammenhang.)
— Zu 4, 6: „Die vier Lebewesen sind die Vertreter der schöpferischen Ideen,
die von Ewigkeit her in Oott vorhanden waren und im Lauf der Zeit In den
geschaffenen Dingen Gestalt annehmen". Sie bedeuten zugleich eine vierfache
Mahnung an die Menschen. „Er soll als Ebenbild Oottes im Reich seiner Seele
kraftvoll und tapfer herrschen wie der Löwe . . . (Sind wir bei Philo von Alexandrien
?) — Zu 6, üf.: Es Ist ein tiefer Trost, daß Wein und öl nicht geschädigt
werden. „Wein ist das Sinnbild der Eucharistie und öl weist hin auf die drei
Standessakramente Taufe, Firmung und Priesterweihe, die eine dauernde Verbindung
mit Christus begründen." Übrigens deutet das schwarze Roß auch
auf „die seelische Hungersnot hin, die ebenfalls durch den Abfall von Oott
entsteht". — Zu 11, lf.: Hier handelt es sich um das prüfende Gericht über
die Kirche. Der Maßstab ist Christus seihst. Der Vorhof meint alles Weltliche,
was sich in die Kirche eingeschlichen hat. — Die zwei Zeugen in 11,2 repräsentieren
große Heilige. — Zu 12, 15: Der Strom, mit dem die Schlange die Kirche
zu vernichten droht, meint die Flut von Schmutz und Unflat, den der höllische
Drache zu allen Zeiten, z.B. auch in der R e f 0 r m a t i o n, gegen die Kirche, gegen
Rom und das Papsttum, ausspie. Aber „sogar beim Protestantismus hat
der Abgrund das verschlungen, worum in Luthers Tagen am heftigsten gestritten
wurde"(l). — Zu 13, lf.: Zu den Verkörperungen des Tieres aus dem Meere
gehört auch Friedrich, der gottlose Preußenkönig, der Vater des Militarismus
. (Er vertrat immerhin die Glaubensfreiheit und besudelte sich nicht mit
Ketzerblut.) — Zu 13, 11: Das zweite Tier symbolisiert alle heidnischen Weltanschauungen
und Lebensauffassungen.

Man sieht, seine Methode der „Auswertung des Textes für
das praktische Leben" gestattet es dem Verf., das Gefäß der
Apokalypse ganz mit den Anschauungen und Empfindungen
des katholischen Denkens anzufüllen und auch sonst seiner
Kombiiiationsgabe freien Lauf zu lassen. Somit stellt sich
dieses auf den ersten Blick erfreulich anmutende Buch bei
näherer Prüfung unbeschadet des in ihm waltenden religiösen
Ernstes methodisch leider nur als neue Form einer pseudo-
erbaulichen und keineswegs tendenzfreien exetischen Arbeitsweise
dar, die der notwendigen Strenge ermangelt.

Erlangen Strathmann