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Ausgabe:

1951

Spalte:

111-112

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Reichskonkordat und Länderkonkordate 1951

Rezensent:

Ehlers, ...

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 2

112

dem solus Christus nichts abbricht — läßt sich doch auf diese Erkenntnis,
eben weil sie Verkehrung ist und in keiner Weise zum positiven Vollzug kommt,
nicht das mindeste aufbauen. S. zieht denn auch energisch die Folgerung,
daß auf jede apologetische Verwertung natürlicher Religion im Sinne einer
rationalen Grundlegung der Oottesgewißheit zu verzichten sei. Höchst fragwürdig
ist aber nun sein Versuch, das Beieinander von Nichtwissen und
heimlichem Wissen um Gott mit Hilfe der Tiefenpsychologie zu erklären —
die Gottesblindheit habe ihren Sitz In der Bewußtheitssphäre, das heimliche
Wissen um Gott Im Unterbewußtsein, von wo es infolge besonderer Erschütterungen
je und dann ins Bewußtsein cmporbreche (33). Damit ist theologisch
alles verdorben. Denn nun ist ja das heimliche Wissen doch wieder als ein
untergründiges positivum von dem negativum der Verblendung psychologisch
gesondert, und diese ist damit ihrerseits ihres Charakters als aktualer Abkehrung
entkleidet und zur bloßen tabula rasa, zur Ahnungslosigkeit des
Wachbewußtseins geworden. Es könnte nun doch wieder rational-apologetisch
mit dem Hinweis auf die geheimen Schätze des Unterbewußtseins argumentiert
werden, ja es könnte in diesem der positive „Anknüpfungspunkt" der
Heilsoffenbarung gefunden werden. Es käme vielmehr alles darauf an, den
Ort der Gottesberührung und den Ort der Gottesblindheit gerade nicht getrennt
zu lokalisieren. Beide sind im Akt der Abkehrung zusammengebunden.
Diese aber ist der Akt des ganzen Menschen, und so betrifft beides, heimliches
Wissen und Nichterkenntnis Gottes, den ganzen Menschen. Nicht: während er
mit dem einen Teil seines Wesens Gott erkennt, erkennt er ihn mit dem andern
auch nicht, sondern: Indem er weiß, wird dieses Wissen schon zum Nicht-
erkennen, und indem er nicht erkennt, ist dieses Nicliterkennen doch niemals
tabula rasa, sondern verkehrtes Wissen. Nur so kann von einem Wissen
um Gott in den natürlichen religiösen Phänomenen gesprochen werden, ohne
daß daraus eine erkenntnismäßige oder soteriologische Fundamentierung der
Heilsoffenbarung wird. Es ist schade, daß der Verf. durch die psychologisieren-
den Elemente seines Denkens einen m. E. fruchtbaren theologischen Ansatz
selbst unwirksam macht.

Heidelberg W. Joest

Heidler, Fritz: Christi Gegenwart beim Abendmahl. Eine Frage an die

evangelisch-lutherische Kirche. 2., Überarb. Aufl. Berlin: Ev. Verlagsanstalt
1949. 80 S. 8°. Kart. DM 2.60.

Die erste Auflage dieser wichtigen Arbeit wurde von mir
im Jg. 1948 (Sp.381.) der ThLZ besprochen. Es darf als ein
günstiges Zeichen betrachtet werden, daß eine Neuauflage notwendig
geworden ist: offenbar besteht für die Fortführung des
Gesprächs über das Heilige Abendmahl ein lebhaftes Interesse,
und es gibt ersichtlich auch Theologen, die einem gegenüber
dem Bekenntnis der eigenen Kirche kritischen Wort ihr Ohr
zu leihen bereit sind. Am Wesentlichen des Inhalts hat der
Verf. bei der Überarbeitung nichts geändert; wohl dagegen hat
er seine Auffassung vielfach näher präzisiert. Dem Buch
kommt für das notwendige Gespräch zwischen den evangelischen
„Konfessionen" erhebliche Bedeutung zu, weil es
neue Gesichtspunkte enthält, selbständig vorgeht und unbeirrbar
bei dem Zeugnis der Schrift zu verharren sucht.

Göttingen Otto Weber

KIRCHENRECHT

Hagen, August, Generalvikar d. Dr.: Prinzipien des katholischen Kirchenrechts
. Würzburg: Schöningh [1949j. 399 S. 8°. Kart. DM 10.80.

Hol lös, Franz T.fProf. Dr.]: Die gegenwärtige Rechtsstellung der katholischen
Kirche in Deutschland auf Grund des Reichskonkordates und der
Länderkonkordate. Würzburg: Schöningh 1948. 30 S. 8°. Kart. DM 1.50.

Wenner, Joseph, Prof. Dr.: Reichskonkordat und Länderkonkordate.

Mit Einleitung und Sachverzeichnis. 5. Aufl. Paderborn: Schöningh 1949.
96 S. kl. 8°. Kart. DM 2.50.

Das Buch des Rottenburger Generalvikars gibt einen ausführlichen
und aus der Praxis gewachsenen Überblick über
das katholische Kirchenrecht an Hand des Codex Iuris Canonici
. Man tut dem Buch nicht unrecht, wenn man feststellt,
daß es aus einer unerschütterlichen Uberzeugung von der
Richtigkeit und Dauer des römischen Kirchenrechts geschrieben
ist. Die Weiträumigkeit dieses Rechtes spürt man am
stärksten in den Abschnitten, die das Verhältnis des Kirchenrechts
zu den Begriffen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit, Wahrheit
und Ehre schildern. Das Werden des kirchlichen Rechts
ist für Hagen — und für die meisten anderen, die darüber
schreiben —, eine selbstverständliche Entwickelung. Die Kirche
ist umfassende Gemeinschaft, sie ist Gesellschaft, Christus
gab ihr einen Zweck und er gab ihr ein Recht. Ein Satz sagt
insofern alles: „Natürlich ist damit nicht gesagt, daß Geist
und Liebe, Glaube und Frömmigkeit dabei entbehrliche oder
nebensächliche Dinge seien, doch haben sie sich der rechtlichen,
unabhängig von persönlichen Eigenschaften gültig vor sich
gehenden Berufung unterzuordnen" — es geht hier um die
Berufung der Träger der Kirchengewalt —. Dort, wo die Frage

nach den Gefahren einer Verrechtlichung einmal auftaucht,
wird sie leicht beiseite geschoben: „Es ist kehl Zweifel, daß
hi der Kirche eine fortschreitende Verrechtlichung stattgefunden
hat. Was früher mehr dem freien Belieben und dem Gewissen
des einzelnen überlassen war, wurde rechtlich geregelt
und zur Pflicht erhoben. Indes ist das eine allgemeine Erscheinung
, die sich besonders ausdrucksvoll auf staatlichem
Gebiet äußert. Der Grund liegt in dem modernen komplizierten
Leben, das leicht zu Reibereien führt und deshalb nach
einer festen Abgrenzung ruft. Die Kirche, die in der Zeit und
Welt wirken muß, kann sich dem Einfluß dieser Verhältnisse
nicht völlig entziehen" (S. 91). Gerade hier liegt das Problem,
nicht nur für uns Evangelische, sondern offenbar auch für
wesentliche Vertreter des römischen Kirchenrcchts. Der Vergleich
der Hagenschen Darstellung mit der Vorlesung des
Bonner Kirchenrechtlers Joseph Klein in seiner Antrittsvorlesung
„Grundlagen und Grenzen des kanonischen Rechts"
zeigt, daß der Positivismus auch im katholischen Kirchenrecht
in Frage gestellt ist. Klein beanstandet, daß die „lebendige
Persönlichkeit des Amtsträgers in ein vorgegebenes Netz
von juristisch bindenden Normen hineingestellt" wurde und
daß „an die Stelle von konkret persönlichem Denken und Entscheiden
ein abstrakt sachliches Denken juristischer Organe"
trat. Er weist darauf hin, daß der „verführerische Gedanke, des
Rechtsanspruchs Gottes menschlich habhaft zu werden, um
ihm mit weltlichen Mitteln Geltung zu verschaffen, nicht ausstirbt
." Schließlich fordert er, daß das kanonische Recht, das
aus der ihm zustehenden ordnenden und regulativen Funktion
zu einer konstitutiven geworden ist, selbst die Antwort auf die
brennenden Fragen gibt. Er sieht sie in der Weisung: „Die
Aufgabe der Entgegenständlichung des Heiligen liegt in der
Verwirklichung des Christlichen." und in der Wandlung der
Kirche in eine solche der freien Gefolgschaft. Zwischen Hagen
und Klein wird ein großer Spanmmgsbogen des römischen
Kirchenrechtsverständnisses sichtbar. Wir haben allen Anlaß,
das zu beachten und endlich für den Bereich des evangelischen
Kirchenrechts aus der Stagnation herauszutreten.

Wenner gibt in fünfter Auflage den Text des Reichskonkordats
und der Verträge des Heiligen Stuhls mit Bayern,
Preußen, Baden und Anhalt heraus. Daß in der gegenwärtigen
Zeit diese Texte mit hilfreichen Anmerkungen zur Verfügung
stehen, muß begrüßt werden. Die Wiederaufnahme des preußischen
Konkordats zeigt, wie sehr Rom gewillt ist, keine
Rechtsposition die einmal erreicht ist, durch staatliche Veränderungen
in Frage stellen zu lassen.

Die Arbeit von Hollös ist durch die Konsolidierung
unserer staatlichen Verhältnisse und die zunehmende Klärung
der staatsrechtlichen Stellung Deutschlands zum Teil nicht
mehr aktuell. Ziel seiner Schrift ist, auch dort, wo die staatsrechtliche
Lage zweifelhaft ist, der Nachweis, daß die in den
Konkordaten getroffenen Vereinbarungen, selbst wenn das
Konkordat formell nicht mehr gelten sollte, praktisch als
Richtlinien des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat beachtet
werden müssen. Dafür werden einige historische Beispiele
angeführt.

Ein Satz der Schrift fällt etwas auf: „Als die deutsche
Regierung — der damalige stellvertretende Reichskanzler
v. Papen — im Frühjahr 1933 an den Hl. Stuhl die Bitte um
Abschluß eines Konkordats gerichtet hatte, konnte Rom nicht
gut ablehnen." Wir möchten in Frage stellen, ob es überhaupt
den Wunsch nach einer Ablehnung eines Vertrages mit dem
Hitlerstaat hatte. Die Textausgabe von Wenner sagt uns jedenfalls
in der Darstellung des Zustandekommens des Reichskonkordats
: „Die rastlosen Bemühungen des Nuntius Pacelli,
des jetzigen Papstes Pius XII., waren mit außergewöhnlichem
Erfolg gekrönt. Vier deutsche Konkordate tragen seine Unterschrift
als des Bevollmächtigten des Hl. Stuhles!"

Oldenburg Ehlers

LITERATURGESCHICHTE

Lerber, Helene von: Conrad Ferdinand Meyer. Der Mensch in der Spannung
. Ein Beitrag zur Meyerforschung. München: Reinhardt 1949. 384 S.
8°. DM 11—, Lw. DM 14.50.

Es sei gleich zu Beginn dieser Anzeige gesagt: es handelt
sich hier um ein Buch, das man mit mannigfaltiger Belehrung
und mit lebendiger innerlicher Anteilnahme liest. Die Verfasserin
ist über den Gegenstand gründlich unterrichtet. Ihre
Kenntnis der früheren Formen der Meyerschen Gedichte, die
Auswertung seiner eigenen Briefe oder der Briefe seiner
Freunde, insbesondere auch der Lebenserinnerungen seiner
Schwester Betsy, liefern immer wieder wertvolle Beiträge