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Ausgabe:

1951 Nr. 2

Spalte:

107

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Görres, Ida Friederike

Titel/Untertitel:

Von den zwei Türmen 1951

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 2

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nicht nach 1945) zum Ausdruck bringt. Die Unzugänglichkeit
von F. F. Invenings: The ceremonial use of oil among the
East Syrians, London 1903, ist natürlich nicht ganz unbemerkt
an der im übrigen sorgfältigen und gründlichen Arbeit vorübergegangen
, die für das behandelte Thema einen wichtigen
Markstein, für die Ritual- und Jurisdiktionsgeschichte der östlichen
Kirchen einen bedeutsamen Beitrag liefert.

Hamburg Bertold Spuler

GÖrreS, Ida Friederike: Von den zwei Türmen. Drei Briefe über Welt und
Kloster. Frankfurt/M.: Verl. Josef Knecht Carolusdruckerei [1949J. 116 S.
8°= Eine Trilogie vom christlichen Leben. Band 3. Kart. DM 3.80.

Verf. legt ihre Broschüre als das dritte Bändchen einer „Auseinandersetzung
mit einigen Fragen christlichen Lebens" vor (7). Es geht um das in
katholischen Kreisen heute brennende Problem von Kloster und Welt (1933
erschien die 1. Auflage, 1949 das 19.—24. Tausend der Broschüre). Die Briefform
wurde statt der Gesprächsform gewählt, „weil der Stoff eine längere,
nicht unterbrochene Darlegung erfordert" (7). Der erste Brief ist an „einen
anfangenden Menschen" (9—41), der zweite „zu einer Profeß" (48—59), der
dritte „zwischen Kloster und Welt" (61—97) betitelt. Den Abschluß bildet
eine kurze Abhandlung über „die Heilige, die die Welt ernst nahm", die Jungfrau
von Orleans (99—116). Obwohl die Problematik, um die es geht, ganz auf
katholischem Boden erwachsen ist und die angebotenen Lösungen auch durchaus
in den Grenzen katholischen Denkens bleiben, ist doch die Lektüre dieser
von großer seelsorgerischer Weisheit und Erfahrung zeugenden Schrift auch
für den evangelischen Leser erfreulich und bereichernd. Im ersten Brief wird
einmal Luther erwähnt und dessen „religiöser Angriff" gegen die Werkheiligkeit
positiv gewertet (22). Überhaupt kommt der erste Brief evangelischem
Denken besonders nahe, etwa mit dem Satz: „Es gibt überhaupt nur eine Heiligkeit
, die des Christen, es gibt eine Berufung vor allen andern: die zum
Christen; es gibt nur einen Weg zum Vater: Christus" (26). Oder wenn
der Taufschein als „Adelsbrief der Gotteskindschaft" gewertet wird (27), und
auch sonst. Der zweite Brief deutet das Klosterleben als „die Ausnahme, die
die Regel bestätigt" (46): „Denn ihr seid uns nicht zu Vorbild und Norm gegeben
, sondern als ein Zeichen". „Ihr müßt das ,Leben mit Gott' wie eine
Rolle darstellen, weithin kenntlich durch Kleid und Haus und Gebärde" (47).
Der dritte Brief wendet sich an eine Freundin, die nach Veranlagung und
Schickung zum „dritten Stand" gehört (76). Sie wird davor gewarnt, sich als
„Klosterfrau in der Welt" anzusehen (67). „Dir ist jetzt ganz einfach auferlegt,
das ordentliche menschliche Dasein darzustellen, und zwar mit gutem Gewissen
" (72). „Auch wir sind Berufene, aber nicht außerhalb der Welt, sondern
mitten in ihr, zu der wir uns liebend bekennen" (76). Und zwar ist der
Dienst des „dritten Standes" in vielerlei Formen „der Hilfsdienst an der Verkündigung
des Evangeliums" (76). „Dieser eigentümliche Beruf verlangt seine
eigentümliche Vollkommenheit" (77). Unter dem, was Verf. über diese Vollkommenheit
sagt, ist vieles, was auch für evangelische Christen sehr beherzigenswert
ist; z.B. was über das Ethos des Eigentums ausgeführt wird.

Im ganzen werden wir als evangelische Christen urteilen, daß wir in dem
Glauben an Gott noch radikaler, als es die Verf. tut, den tragenden Grund des
Lebens erblicken dürfen und daß wir die verschiedenen Typen des Menschentums
, auch des christlichen Menschentums, von da her noch radikaler mit
Fragezeichen versehen müssen. Aber damit verlassen wir dann allerdings den
Rahmen katholischen Denkens, in dem Verf. nun einmal steht.

Dersekow bei Greifswald E. Schott

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Eiert, Werner, Prof. D. Dr.: Das christliche Ethos. Grundlinien der lutherischen
Ethik. Tübingen: Furche-Verlag [1949]. 595 S. gr. 8°. DM15.— ;
Lw. DM 18.—.

Seiner bekannten Dogmatik hat W. Eiert jetzt ein etwas
kleineres Buch über die christliche Ethik folgen lassen. Wie
die Dogmatik zeichnet sich auch diese Ethik durch eine umfassende
Kenntnis der einschlägigen Literatur alter und neuer
Zeit aus und bringt wertvolle Literaturtibersichten. Verf. sieht
seine Aufgabe darin, ein christliches Menschenbild zu zeichnen,
weshalb die Ethik kein „Bestandteil oder Anhängsel der Dogmatik
" sein kann oder darf. Wie Eiert sich somit von der von
K. Barth, aber auch etwa von E. Brunner vertretenen Auffassung
abtrennt, verzichtet er auch bewußt auf eine Erörterung
auch nur der wichtigeren Probleme der ethischen
Entscheidungen. Bisweilen werden doch einige konkretethische
Fragen ziemlich eingehend behandelt; andere ganz
wichtige aber nicht. Was Lebensnähe und Aktualität im besten
Sinne anbelangt, darf dieses Buch nicht mit der leider unvollendeten
Ethik von D. Benhoeffer verglichen werden. Am ausführlichsten
werden die Grenzfragen zur Dogmatik, „Sünde
und Schuld", „Die Sühne", „Die neue Kreatur", „Der
Glaube" usw., behandelt, bisweilen so, daß es den natürlichen
Rahmen einer christlichen Ethik zersprengt.

Die Einteilung ist eigenartig. Nach einer kurzen Einleitung
, wo „die Aufgabe", „die Stellung der Ethik innerhalb
der Theologie" und „die Anordnung des Stoffes" zur Erörterung
steht, folgen drei Hauptteile: „Ethos unter dem
Gesetz", „Ethos unter der Gnade" und „Objektives Ethos".
Während die beiden ersten Teile von der bekannten lutherischen
Auffassung von Gesetz und Gnade bestimmt sind, darf der
dritte Teil wohl als ein Novum gelten. Es geht hier um das
Leben und Wirken der Kirche als Gesamtheit, das kollektive
Wir der Christengemeinde und sein „Verbandethos" und somit
um die Ordnung „Kirche" in ihrem Verhältnis zu anderen
„Ordnungen", vor allen dem Staate. Im Bereich dieses „objektiven
Ethos" wird in pluralistischer Form geredet und gehandelt
. Der einzelne vertritt die Gesamtheit, verkündigt das
Wort, verwaltet die Sakramente, übt die Liebeswerke der
kirchlichen „Inneren Mission" usw. im Namen und Auftrag
dieser Gesamtheit, weshalb sein „kollektives Ethos" christlich
sein kann, auch wenn er subjektiv etwa ein Heuchler ist.
Mittels dieser eigenartigen Anordnung des Stoffes wird es dem
Verf. möglich, vor allem das Problem des Staates, das schon im
ersten Teil erörtert wurde, noch einmal aufzugreifen und zwar
in einer neuen Weise. Während im ersten Teil nur vom Staate
an sich als einer allem Menschen und somit auch den Christen
verbindlichen göttlichen Ordnungsmacht, das Leben unter
dem Gesetze bestimmend, dem weltlichen Regiment Gottes
Untertan, die Rede war, wird hier dieser gubernatarischen
Ordnung Gottes, d. h. des Gottes des Gesetzes und der Vergeltung
die Ordnung „Kirche" gegenübergestellt. Hier erst
wird die Frage lautbar, ob nicht der Unterschied zwischen
dem Ethos des politischen Lebens und dem neuen Gebot der
christlichen Liebe derartig furchtbar hervortritt, daß wir
schließlich auf eine „doppelte Moral", eine „lutherische
Doppelseitigkeit" hinausgedrängt werden.

Zweifelsohne muß man es dem Verf. hoch anrechnen, daß
er zu einer Zeit, wo „das kollektive Wir" wie nie zuvor ein
Problem geworden ist (man denke etwa mit W. Eiert an die
Frage der Gesamtschuld eines Volkes), diese Frage ernsthaft
angreift. So wie es hier geschieht, scheint es mir doch ein sehr
ernsthafter Mißgriff. Vom christlichen Staudpunkt aus muß
doch schließlich dieser ganze Begriff des objektiven Ethos,
des Ethos des kollektiven Wir, des Verbandsethos zersprengt
werden. Christliche Ethik ist unauflösbar mit dem Begriff
Schuld verbunden. Und S. Kierkegaard behält Recht, wenn
er immer wieder behauptet, daß die Begriffe Sünde und Schuld
eine Masse notwendigerweise in Einzelne zersplittert. Jeder
Mensch steht schließlich auch innerhalb eines Verbandes als
Einzelner und hat als solcher in voller Verantwortlichkeit zu
entscheiden. Das will nun aber doch auch Eiert. Aber weil er
das will, gleitet er immer wieder an den entscheidenden Stellen
dieses dritten Teiles vom objektiven Ethos in das Sich-Ent-
scheiden-Müssen als Einzelner in persönlicher Verantwortlichkeit
nicht nur vor der gegebenen „Ordnuugsmacht", sondern
vor Gott hinüber.

Mit semer Anordnung des Stoffes erreichte Eiert, daß
das Problem „Staat" nicht dadurch erledigt wird, daß der
Mensch (auch und gerade der Christ) das zu hören bekommt,
was ihm als der vergehenden Welt angehörig darüber zu sagen
ist. Ihm wird es ermöglicht, wie er meint, nun auch zu fragen,
was es heißt, daß die Kirche dem Staate gegenüberstellt.
Unter der Hand wird daraus aber die Fragestellung, was das
meint als Christenmensch, dem kommenden Aion angehörig,
dem Staate, dem Staatsethos dienen und gehorchen zu müssen.
Eine Erörterung dieser Frage gehört aber wirklich nicht in
einen Hauptteil, der das „objektive Ethos" (wenn es so was
gäbe) behandelt. Charakteristischerwei.se kommt denn auch
Eiert schon im zweiten Teil so nahe an diese Fragestellung
heran, vor allem wo er die lutherische Lehre von den zwei
Reichen erörtert, daß die neue und vollere Erörterung beinahe
als eine Wiederholung wirkt.

Hiermit stehen wir aber vor der eigentlichen Hauptfrage
an diese ganze Arbeit: Kann man wirklich, wie hier versucht
wird, den ersten Teil einer christlichen Ethik als ein Ethos
unter dem Gesetz darbieten ? Auch eine Ethik, die, wie es
Eiert gerade nicht tut, damit Ernst macht, daß wir nur in
und durch Christus Gott und seinen Willen erkennen, weiß
zwar von einer Weltregierung des dreieinigen Gottes vor Weihnachten
und außerhalb des Bereiches der Christusoffcnbarung.
Was diese gubernatio Dei heißt, uns gibt und von uns fordert,
erkennen wir aber nur, wenn wir in Christus erlöst werden von
der Zugehörigkeit zum alten Aion und in das Reich Christi
versetzt werden.

Ob man hier mit Eiert geht oder nicht, hängt natürlich
von der Entscheidungsfrage ab, ob man die lutherische Lehre
von den beiden Reichen, seine Auffassung von Gesetz und