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Ausgabe:

1951 Nr. 2

Spalte:

95-99

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Vid Åbodomens fot 1924-1949 1951

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 2

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beiden vorangehenden Büchern, fließend und geschickt, so daß
man sich gern von dem Verf. führen läßt.

Das Buch Baruch — einschließlich des Jeremiabriefes —
ist von Vinzenz Hamp bearbeitet. Das Buch wird als „eine
Perle der heiligen Schrift" angesehen; demgemäß spürt man
der Ubersetzung und den erklärenden Bemerkungen die Freude
des Verf. am Gegenstand ab. Verfasserschaft seitens des
„Propheten" (sie!) Baruch wird abgelehnt; „wir sind heute
durch die pseudosalomonischen Schriften längst belehrt, daß
solche literarischen Fiktionen der Heiligkeit und Inspiration
eines Buches nicht widersprechen". So wird auch der Jeremia-
brief beurteilt (wie übrigens auch Jer. 10, 1—16).

Aufs Ganze gesehen, wird man der Sammlung guten Fortgang
wünschen können, so erfolgreich wie bisher.

Kiel H. W. Hertzberg

Weber, Otto, Prof. d. Dr.: Bibelkunde des Alten Testaments. Ein Arbeitsbuch
. Erster Halbband: Gesetz und prophetische Geschichte (Genesis bis
2. Könige). 6., völlig neu bearb. Aufl. Zweiter Halbband: Prophetenbücher
und „Schriften" (Jesaja bis zum Schluß des Alten Testaments). 5., völlig
neu bearb. Aufl. Tübingen: Furche-Verlag 1948. 272 S. u. 296 gr. 8°.
Je Halbbd. DM 6.80; Hlw. DM 8.80.

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage habe ich Otto
Webers hervorragend wertvolles Handbuch der Bibelkunde
zum Alten Testament zur Vorbereitung auf mein Kolloquium
über Bibelkunde immer wieder dankbar eingesehen und meinen
Hörern empfohlen. Seine Anlage als Arbeitsbuch, die pädagogisch
feine Auswahl des Gebotenen und die wissenschaftliche
Zuverlässigkeit geben ihm das Gepräge. In der letzten
Auflage ist Entbehrliches fortgelassen, manches gekürzt und
neu gefaßt, und bei kleinerem Druck der Umfang erheblich
herabgesetzt. Der Abschluß des zweiten Bandes: „Das Alte
Testament und die Gemeinde des Neuen Bundes" faßt die im
ganzen Werk grundsätzlich eingenommene Haltung zusammen
und zeigt den Eigenwert des Alten Testaments, in dem seine
bleibende Bedeutung für die christliche Gemeinde zuerst beruht
, ebenso deutlich, wie seine unaufgebbaren Beziehungen
zum Neuen Testament: Offenbarung des heiligen Willens
Gottes und Hinführung des Volkes zur Erwartung des Heilandes
. Die christliche Gemeinde sieht in Christus „die — oft
genug verborgene — Mitte der ganzen Bibel". Sie wartet als
Gemeinde des Gekreuzigten auf die Erfüllung des Neuen
Bundes, den Jeremias ankündigt, der aber erst nach der neu-
testamentlichen „Zeit" in der Selbstdurchsetzung des Willens
Gottes in seinem Reich volle Wirklichkeit wird. Das sind die
klaren Grundgedanken des prächtigen Arbeitsbuches, das
nicht zum behaglichen Lesen bestimmt ist, sondern zeitraubende
ernste Arbeit fordert.

Tübingen M. Schiunk

KIRCHENGESCHICHTE:
PROLEGOMENA UND ALLGEMEINES

Vid Abodomens Fot 1924—1949. Festskrift utgiven av teologisk fakulteten
vld Abo Akademi. (Am Fuße des Doms von Abo 1924—1949. Festschrift,
hrsg. von der Theologischen Fakultät der Akademie zu Abo.) Helsinki:
Nylands Tryckeri 1949. 245 S. gr. 8° = Lutherska Literaturstifteisens
Svenska Publicationer 5.

Die theologische Fakultät der Akademie zu Abo ist eine
der jüngsten, der stillsten und der interessantesten theologischen
Fakultäten. Eine der jüngsten — darüber berichtet in
dem vorliegenden Bande Gyllenberg (1924 wurde die Fakultät
durch eine Stiftung der Konsulswitwe Anna von Rettig
ins Leben gerufen). Eine der stillsten — sie arbeitet und
wollte nie eine entscheidende Stelle sein; sie begnügt sich damit
, das Mittelglied zwischen Lund-Uppsala und Helsinki
darzustellen. Eine der interessantesten — das zeigen Namen
wie: Lindblom, Brilioth, Torsten Bohlin, G. O. Rosenqvist,
Ragnar Bring, Ernst Newman, E. G. Gulin, Gyllenberg, Lindroth
, um nur diese zu nennen; das zeigen auch die Aufsätze
der „Festschrift", sowohl die der früheren als der gegenwärtigen
Mitglieder der Fakultät.

Den 1. Aufsatz liefert Helmer Ringgren: „Das Wiederaufleben
der Religionswissenschaften". Die „Religionsge-
schichte" hat nicht die Aufgabe, den Ursprung der Religion
herauszubringen, sondern a) jede Religion in ihrem Umfang
zu erforschen, b) eine Synthese der Religionen zu versuchen
(d. i. eine Systematik). Das verlangt nach Zusammenarbeit
mit der Sprachwissenschaft, der Historie, der gesamten Religionsforschung
. Spezialforschung und Gesamtüberblick haben
ihre spezifischen Gefahren, die es zu vermeiden gilt.

Den 2. Aufsatz schrieb Job. Sundwall über „Bibelübersetzung
und Textkritik", mit speziellem Bezug auf das NT.
Die Schwierigkeiten der Ubersetzung werden geschildert, darum
Berücksichtigung aller anderen Ubersetzungen im eigenen
Land wie auswärts, besonders der alten Ubersetzungen bis zurück
zur Vetus Latina des 2. Jahrhunderts, gefordert. Der
Ubersetzer kommt nicht darum herum, die Lesarten wissenschaftlich
auszuwählen. Die Chester-Beatty-Papyri haben erwiesen
, daß die bisher bekannten Handschriften des NT mitsamt
den alten Ubersetzungen und den Kirchenväterzitaten
zusammen alle wesentlichen Züge der neutestamentlicheu
Texttradition enthalten. In USA besteht an der Universität
Chicago ein Zentralbüro, das dem Ziele dient, einen vollständigen
kritischen Apparat aller Lesarten zu schaffen. Suudwall
schließt mit Bemerkungen zu Mark. 1,1, zum Begriff evftvg
und zu rwvtoiovTcov Mark. 10, 14 (gen. qualitatis).

Den 3. Aufsatz erhalten wir von Job. Lindblom, „Das
AT als Forschungsgegenstand und als Glaubensurkunde". Es
gelingt Lindblom, auf einigen Seiten einen umfassenden Überblick
über die Hauptsachen der gegenwärtigen alttestament-
lichen Forschung und über Lindbloms eigene Mitarbeit dabei
zu geben. Ohne Geheimsprache! Man kann und muß auch
Lindbloms These zur „Glaubcnsurkunde" gutheißen; sie
lautet: Die Gemeinde, welche die Bibel als das Wort Gottes
hört, liest, nützt, hat das Interesse daran zu haben, daß die
Bibel, hier gerade das AT, nach allen Richtungen durchforscht
wird, und das ist die alttestamentliche Wissenschaft! „Hat zu
haben" — aber sie hat nicht! Im Gegenteil: die Gemeinde erträgt
die Wissenschaft vom AT nur mit Schrecken! Nicht all-
wärts darum, weil sie, die Gemeinde, die „alte Orthodoxie"
wieder aufrichten lassen will, sondern weil die Wissenschaft
ihre Wissenschaftswege geht, ohne im Ernste Wege zum Hören
auf das AT als auf das Wort Gottes zu bahnen — nämlich
neue Wege, und das: Wege von den Wissenschaftswegen
her! Bahnt man keine neuen Wege, so geht die Gemeinde die
alten Wege! Denn die Bibel ist für sie das Wort Gottes — aus
anderen als wissenschaftlichen Gründen. So harrt die harte
Frage: „Alttestamentliche Wissenschaft und Genieindeglaube"
noch ihrer Lösung, von den Alttestameutlern her wohlverstanden
, nicht von den Systematikern.

Der 4. Aufsatz, von Erik Sjöberg, „Die alttestameiil-
liehe, jüdische und urchristliche Menschenauffassung", legt
dar, daß der Glaube an das Sterben der Seele, zusammen mit
dem Sterben des Leibes, innerhalb des Judentums vor Jesus
und zur Zeit Jesu nicht vorhanden war; man glaubte das Fortleben
der Seele nach dem Tode bei Gott. Dem entspricht Jesu
Wort zum Schacher, die Lazarusparabel, Pauli Hoffnung, dazu
Offenb. 6, 9 und Matth. 10, 28. Dieser Glaube ist nicht
hellenistisch bedüigt, sondern echt spätjüdisch.

Den 5. Aufsatz liefert Dan eil, „Jesus Davids Sohn".
Vom literarischen Gesichtspunkte her ist es nicht unsinnig anzunehmen
, daß das NT ein zusammenstimmendes und einheitliches
Zeugnis von der übernatürlichen Geburt Jesu ablegt!
Daneil treibt aber nicht konservative Exegese, sondern konservierende
Exegese — und das ist es, was die christliche Gemeinde
will: konservierende Exegese! Die Exegese kann ihrer
Wissenschaftspflicht ohne Grenzen nachkommen — aber für
die Gemeinde ist das bloßer Hintergrund; der die Gemeinde
belebende Vordergrund muß das Konservieren sein, konservierende
Exegese auf Grund der wissenschaftlichen Forschung.
Und dafür ist der Artikel von Dan eil wegweisend. (Siehe auch
den 7. Aufsatz, von Ragnar Bring).

Der 6. Aufsatz stammt von Gyllenberg, der seinem
Freunde Bultmann klarmacht, warum er ihm in die Ent-
mythologisierung nicht folgen kann — nicht einmal in eine
Um-Mythologisierung. Gyllenbergs grundlegende These lautet:
Es gibt die Möglichkeit nicht, statt des „Mythos" die „Wissenschaft
" zu wählen — denn auch die „wissenschaftlichen Weltbilder
" sind „mythologisch", überdies können wir nicht über
unsere Grenzen hinaus. Die Theologie muß sich begnügen, die
Kontinuität zwischen der heutigen Verkündigung und der Verkündigung
des Evangeliums in vergangenen Zeiten aufrechtzuerhalten
. „Das NT bleibt ein offenes Buch und eine lebendige
Welt, auch wenn es so wäre, daß diese Welt allwärts anders
beschaffen ist als unsere eigene."

Eine besondere Bedeutung kommt gerade in diesem Zusammenhange
dem 7. Aufsatz zu, in welchem Ragnar Bring
die „GestaltWandlungen des Christentums" behandelt. Bring
liest man immer mit Gewinn, ja mit Genuß. Hier aber wird er
zum Wegebauer durch eine Wildnis: er geht dem evangelischen
Begriff der Tradition nach. Die (urchristliche) Tradition ist
es nämlich, die in die verschiedenen Gestaltwandlungen des
Christentums regulierend eingreift. Die Tradition als regulatives
Moment! Das wird an Marcion, Origenes, Augustin, der
Scholastik, Luther, Melanchthon, Flacius Illyricus, den Nach-