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Ausgabe:

1951

Spalte:

90-91

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Roellenbleck, Ewald

Titel/Untertitel:

Magna Mater im Alten Testament 1951

Rezensent:

Noth, Martin

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90

89 Theologische Literaturzeitung 195 j Nr- 2____

Buch für sein Wort ausgegeben, worin er wie ein Alberner
und Wahnsinniger, ja wie ein unheiliger und unreiner Geist
unserer stolzen Vernunft Märlein, kleine verächtliche Begebenheiten
zur Geschichte Himmels und Gottes gemacht — 1. Kor.
t, 25". Nur in den verba begegnet uns das Verbum.

3) Bedürfte nicht der Begriff des Widerspruches noch
einer letzten Klärung, auf die hin er bei Vogel bereits angelegt
ist ? „Widerspruch" bedeutet ja nicht nur das Nein des
Geschöpfes wider den Schöpfer, aber auch nicht nur die
Selbstauslieferung Gottes an dieses Nein, sondern zugleich den
Widerspruch Gottes, in dem der Schöpfer sein göttliches
Nein zum Geschöpf spricht. Dieses Nein bringt Gottes Zorn
in Gestalt des Gesetzesfluches über die Kreatur und wird
durch den Tod unwiderruflich versiegelt. Mitbin erreicht der
Widerspruch erst da seine „eigentliche", seine tiefste Tiefe
(Mi), wo Gott sich selbst an seinen eigenen, göttlichen
Widerspruch ausliefert, mit dem er den Widerspruch des Menschen
überwindet. Gott gibt sich — unbegreiflicherweise —
seinem eigenen Nein gegen die Sünde preis. Hier erreicht die
Aussage ihre schreckliche Spitze: Dem contra Deum/ — Ich
hin mir bewußt, Vogel damit nichts Neues zu sagen. Man
müßte ja ganze Partien seines Buches überlesen haben, um
nicht nur sein Gefälle, sondern seinen Skopus mißzuverstehen.
Wie machtvoll wird uns immer wieder der Mensch vor die
Augen gemalt, der von Gott geschlagen und gemartert
y.es- 53) und von Ihm zur Sünde (2. Kor. 5, 21) und zum
Fluch (Gal. 3, 13) gemacht wurde (Ecce liomo: 248—272); der
von Gott angefochten wird, mit Ihm ringt und Gottes Verborgenheit
erleidet (304—310)! Es fragt sich aber, ob diese
Erkenntnis nicht als Moment in die reflektierende Durchklärung
der „Versöhnung des Widerspruches" (192—218) mit
hineingenommen werden und vor allem die Gesamtdarstellung
unzweideutiger strukturieren müßte. Vielleicht, daß sich
Vogel die Aussage, zur dialektischen Entfaltung im großen, für
die Lehre vom Weg und vom Werk Christi noch vorbehalten
liat. Immerhin wäre sie bereits im 1. Bande einer letzten begrifflichen
Läuterung fällig. Das käme etwa auch der Präzisierung
des mißverständlichen Begriffes „Todesfluch der
Sünde" (84, 101, 140, 193, 203) zugute. Was ist hier, genau
genommen, „Fluch"? Die Sünde, die Gottesfeindschaft als
solche ? Wohl kaum! Wohl aber: der die Sünde strafende Tod
als der Gerichtsvollzieher des Gesetzes Gottes. Unser verfluchtes
Nein und Gottes verfluchendes Nein müssen als „Elemente
" des Widerspruches scharf unterschieden werden. In
diesen Zusammenhang wäre auch der Begriff des Gesetzes
Gottes einzubeziehen, der bereits in der Erklärung von Jon.
1, 17 — „dieses die Summe der Theologie umspannenden
Verses" — mit dem des Evangeliums konfrontiert wird. Eine
ausführliche Behandlung von Gesetz und Evangelium in
Gegensatz und Einheit wird uns für die Darstellung des Gehorsams
Jesu Christi in Aussicht gestellt (157). —

Schließlich darf noch eine drucktechnische Frage angeschnitten
werden: Ließe sich nicht die Doppelung der fremdsprachlichen Zitate zugunsten
ihrer im Text folgenden Übersetzung aufgeben? Im Blick auf die
nichttheologischen Leser, an die der Verfasser sicherlich denkt, wären die griechischen
und lateinischen Texte leicht in Fußnoten unterzubringen, was die
Durchsichtigkeit und Verständlichkeit der laufenden Darstellung förderte.

Folgende Druckfehler (in Auswahl) wären zu berichtigen: S. 59, Z. 3
v. u. statt Davids-: Danielgesichtes; S. 130, Z. 1 v. u. (zweimal) statt ging:
geht; S. 179 Mitte fehlt in dem mit „Darum wollen auch" beginnenden Satz
das Prädikat des ersten Relativsatzes: „in denen Anselm den Widerspruch ...";.
S. 180, Z. 9 ist im griechischen Athanasius-Zitat nach den drei Punkten . ..
ausgefallen: der erste der beiden Konditionalsätze (MSO XXV, 168 C): Eifiiv
ovv öXtos dovovrxcu Aöyov tlvai (jeov, Tiegtrrwi noiovot, negl oi> juij
aaoi xlevo%ovres. S. 284, Z. 4 Ist taqov in aXqwv zu berichtigen. —

Es bedarf keines Beweises, daß gerade auch die „Bedenken
" darauf aufmerksam machen möchten, welch außergewöhnliche
Gabe Heinrich Vogels „Christologie", bereits in
ihrem 1. Bande, für die Theologie und die Kirche der Gegenwart
darstellt: Forschung, Lehre und Verkündigung gleichermaßen
befruchtend.

ALTES TESTAMENT

Rignell, Lars Gösta: Die Nachtgesichte des Sacharja. Line exegetische

Studie. Lund: Qlcerup 11950]. 268 S. gr. 8°. Kr. 10—.

Eine jede Untersuchung, die uns einen Einblick in die oft
schon aus sprachlichen Gründen schwer zugängliche Arbeit
skandinavischer Forscher am Alten Testament gewahrt, ist
sehr zu begrüßen. Die „exegetische Studie" Rignells die^«U"l-
läge einer im Dezember 1950 in Lund durchgeführten Doktor-
Disputation war, vermag diesen Dienst um 80 ntm m
feisten, als sie ein Beispiel jener „formgeschichtliclien Arbeit
an alttestamentlichen Prophetenschriften darstellt, wie sie in
den letzten Jahrzehnten in Schweden besonders intensiv betrieben
worden ist. Man geht dabei grundsätzlich von der
Gestalt des überlieferten Textes aus. Es gilt, sich in QlMen
Text „hineinzuleben", die einzelnen Wörter und ihre mögliche
Bedeutung genauestens zu prüfen, die grammatischen Ihano-
"iene zu beachten, ehe man zu Konjekturen seine Zuflucht
nehmen darf (S. i3f.). Nur dann verspricht das Bemühen l',r-
«MÄ, die einzelnen „Traditiouskomplexe" in den prophetischen
Schriften zu erkennen. Von hier aus ist auch der energische
*0f H. S. Nybergs in der ZAW i934 S. 241 ff.
kritische Problem des Alten Testaments am Hoseabucne
demonstriert") zu verstellen, daß man in Hinsicht aut text-
kritische Operationen sich einer wesentlich größeren ZurucK-
haltung als bisher befleißigen möge. .. . _

Diesen Prinzipien folgend läßt Rignell den massoretischen
Text (MT) grundsätzlich unverändert. Abweichende Lesarten
Oer Versionen sind nach seiner Meinung überall sekundär, uen
beweis dafür, daß eine derartige Hochschätzung des Ml
berechtigt ist, sucht Rignell durch umfassende Heranziehung
«er Versionen, oft auch alter Kommentatoren, und den vergleich
ihrer Lesarten mit MT zu führen. Auch bisher nicht
berücksichtigte Handschriften syrischer Ausleger werden herangezogen
. Die treffliche Kenntnis einer Reihe von semitischen
sprachen kommt Rignell dabei sehr zustatten. Mancherorts
erscheint die Beschäftigung mit den verschiedenen Varianten
und ihrer Bedeutung allzu ausführlich; die Zügigkeit der
Darstellung leidet darunter. „ . ,

. Der Versuch, dem unveränderten MT überall einen beledigenden
Sinn abzugewinnen, zeitigt manche anerkennenswerte
Lösung alter Streitfragen. Z.B. scheint mir das, was
^•32f., 203ff. zur Deutung der Farben der Pferde gesagt wird,
durchaus erwägenswert zu sein. Eines der Hauptergebnisse

dieser auf Beachtung formgeschichtlicher Prinzipien bedachten
Arbeit ist dieses, daß Sacharja ältere seiner prophetischen
Sprüche in die Visionen eingeflochten hat, weil er sie als durch
die Visionen bestätigt ansieht. In dieser Art werden manche
in ihrem Zusammenhang zunächst recht schwierigen Verse
erklärt. Dieser Lösungsversuch scheint mir durchaus diskutabel
zu sein, wenngleich bei manchen Einzelheiten Vorsicht
geboten ist. Bei Eigentümlichkeiten des MT, die man bisher
als durch Textfehler verursacht zu beurteilen geneigt war,
weist Rignell hie und da auf stilistische Besonderheiten der
hebräischen Sprache hin, auch das oft mit Recht. Allerdings
ist schon hier nicht zu verkennen, daß Rignell dabei öfters
über das Ziel hinausschießt, etwa dort, wo er die seiner
Meinung nach auffällige Tatsache betont, daß der hebräische
Text eine perfektische Form zeigt, und aus diesem Umstand
exegetische Schlüsse zieht; in Wirklichkeit handelt es sich
jedoch dabei mehrfach um ein Perfectum consecutivum, also
um eine Form mit imperfektischer Bedeutung (S.54; 123;
227; 232).

Rignell sieht offenbar als eine besondere Stärke seiner
Arbeit an, daß er bei seiner Exegese an keiner Stelle den MT
geändert hat. Meines Erachtens offenbart sich gerade hier eine
bedenkliche Schwäche der Studie. Denn dadurch, daß Rignell
auch dort, wo MT beim besten Willen nicht zu halten ist, sich
krampfhaft bemüht, ihm einen erträglichen Sinn abzugewinnen
— als Beispiel sei nur die „Deutung" des sinnlosen
TQ3 "ins Sach.2. 12 auf S.86ff. oder das (allerdings schon
zurückhaltende) Eintreten für das zweite tvj^T Sach. 4, 2
auf S.144 genannt —, tut er dem an sich sehr wohl berechtigten
Ruf Nybergs und anderer, dem MT ein größeres Vertrauen
entgegenzubringen, gerade keinen guten Dienst.
Schade, daß Rignell bei dem Bemühen, vor der Einseitigkeit
der literarkritischen Schule zu warnen, in das entgegengesetzte
Extrem geraten ist! Dadurch wird der Wert dieser
lobenswert gründlichen Studie in manchen Stücken erheblich
gemindert. Trotzdem wird sie als Ganzes sicherlich als förderlicher
Beitrag zu der schwierigen Frage, wie die Nachtgesichte
Sacharjas auszulegen sind, gewertet werden dürfen.

Erlangen Hesse
Roellenbleck, Ewald: Magna Mater im Alten Testament. Eine psychoanalytische
Untersuchung. Darmstadt: Ciaassen <S Roether [1949J. 190 S. 8°.
Kart. DM 6.50.

Der Verf., seinerseits Psychanalvtiker, unternimmt es, Vorhandensein
und Bedeutung' der „Mutter-Göttin "-Vorstellung