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Ausgabe:

1951 Nr. 12

Spalte:

750-751

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Guardini, Romano

Titel/Untertitel:

Vom Geist der Liturgie 1951

Rezensent:

Söhngen, Oskar

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 12

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Linie Liturgiker) geht der Aufsatz von Fritz Paepcke aus
München an „Sprache und Aussprache der liturgischen Texte

— auf kritische Erwiderungen darf man gespannt sein. Daß
von dem 1950 verstorbenen Würzburger Georg Wunderle
ein Aufsatz über „Sakrament und Erlebnis in der liturgischen
Frömmigkeit des östlichen Christentums" gebracht wird, ist
dankenswert. Wunderle bezieht sich hier auf Nikolaus Kaba-
süas, speziell dessen Werk „Das Leben in Christus". Freie und
liturgische Frömmigkeit werden abgehoben und aufeinander
abgestimmt. Kabasilas ist nicht bloß vom Pseudo-Areopagiten
beeinflußt, sondern (nach Wunderle) er ist abhängig von der
..liturgischen Theologie" des Ostens: Cyrill v. Jerusalem, Theodor
v. Mopsueste, Maximus Confessor — und darunter auch
vom Pseudo-Areopagiten. Josef Pascher hat (außer der
..Einführung", welche Johannes Wagner vervollständigt:
..Liturgisches Referat — Liturgische Kommission — Liturgisches
Institut") drei Aufsätze beigesteuert: I. über „Gestalt
und Vollzug des kirchlichen Stundengebetes". „Die Gestalt ist
das Gesetz des Vollzugs." An Psalmen und Hymnen wird das
illustriert. II. über den Ps. 45 (in der Vulgata 44) im Jung-
frauen-Officium der römischen Liturgie. III. Eine „mystago-
gische Predigt" zum Evangelium von Petri Fischzug: „Die
Fische verkünden das Wort des Herrn". (Das „Jahrbuch" will
nämlich auch „mystagogische Predigten" herausgeben, „die
den Priestern Anleitung geben, ihre Gläubigen in einen echten
Vollzug der Liturgie einzuführen"). Es folgen den Aufsätzen:
Angaben über neues „liturgisches Recht", Berichte über
,.liturgische Arbeit", über Bücher, eine Bibliographie, ein Verzeichnis
der Namen, der Sachen und der termini.

Es heißt also nun: „Liturgisches Jahrbuch". „Liturgisch" ist da als
Adjektiv zu „Liturgik" gemeint. „Liturgisch" ist aber zunächst das Adjektiv
Zl" „Liturgie" I Im letzteren Sinne ist das Missale oder das Brevier ein „Liturgisches
Jahrbuch" — aber ein „Jahrbuch der Liturgik" ist dann eben kein
„Liturgisches Jahrbuch". Casel sagte vorsichtig: „Jahrbuch für Liturgiewissenschaft
" — „Verein zur Pflege der Liturgiewissenschaft"; hingegen:
„Liturgische Handschriften" — „Liturgische Heiligenverehrung" usw. Diese
Kalamität erinnert an die des Adjektives „Ethisch" —, welches zu „Ethik"
"nd zu „Ethos" gehören kann und oft eine richtige Verwirrung der „Ethik"
hervorgebracht hat. Hic Rhodus: „Das ist liturgisch, jenes aber unliturgisch"
—, was bedeutet ein solcher doch recht entscheidender Satz? Den Sitz in der
Liturgik? oder den Sitz in der Liturgie? (Oder etwa besteht das „Wesen
des Liturgischen" in der Anordnung oder Duldung einer Liturgie durch die
oberhlrtliche Liturgik?) Das „Jahrbuch" braucht sich trotzdem nicht umzubenennen
, könnte aber einmal der Sache nachgehen — in unser aller Interesse
.

Bad Liebenzell Leonhard Fendt

Casel, Udo, p. D. Dr., o. s. b.: Das christliche Kultmysterium. 3. Aufl.

Regensburg: Gregorlus-Verlag [1948J. 176 S. 8°. Kart. DM4.50.

Kurz vor seinem Tode hat der verdienstvolle Herausgeber
der Jahrbücher für Liturgiewissenschaft noch die 3., wenig
veränderte Auflage (1. Aufl. 1932, 2. Aufl. 1935) dieser Sammlung
einiger Arbeiten über das christliche Kuitmysterium besorgen
können. Es handelt sich um folgende fünf, zum Teil
schon in Zeitschriften veröffentlichte Aufsätze: Die Wende
zum Mysterium, Die Stellung des Kultmysteriums im Christentum
, Antike und christliche Mysterien, Das heilige Jahr der
Kirche und Der heilige Tag der Kirche. Die „Rückwendung
und zugleich Vorwärtsbewegung zum Mysterium" in unseren
Tagen ist dem Verf. ein beglückender Beweis dafür, daß Gott
der Menschheit eine Regeneration, eine Neuzeugung im Geiste
schenken will; denn „nur am Mysterium Gottes kann die Welt
wieder genesen" (S. 20). Voraussetzung dafür aber war der Zusammenbruch
des Humanismus, der aus dem „zweiten Sündenfall
" der Selbstbefreiung des Individuums durch Gotik und
Renaissance stammt (S. 96). Auch die Kirche bedarf der'cou-
versio, denn sie hat die Mysterienliturgie, „die zentrale und
wesensuotwendige Betätigung der christlichen Religion"
(S. 52), nur zu oft durch individualistische, psychologisch begründete
Formen der devotio (einschließlich der Mystik!) überlagern
lassen. Das Kernstück des Buches bildet eine theologische
Begründung und Interpretation des Kultmysteriunis,
wie sie in den Kreisen des Benediktinerordens vertreten wird,

— nicht ohne erheblichen Widerspruch vor allem von jesuitischer
Seite. Es geht dabei einmal um die These von der sakramentalen
Gegenwärtigsetzung der Heilstat Christi, dann aber
auch und vor allem um die umfassende Rechtfertigung des
Kultmysteriums als solchen, im Raum der Religionsgeschichte:
als Kult-Eidos „Mysterium", und im Raum des christlichen
Glaubens speziell, wo das Kuitmysterium „nichts anderes ist
als der auf Erden fortwirkende Gottmensch" (S. 53). Um
wenigstens anzudeuten, in welcher Richtung sich die Gedanken
bewegen, seien einige kurze Zitate angeführt: Die
Quelle des Heils, die Christi Kreuzestod ist, sollte „nach dem

Willen des Herrn beständig in der Kirche sprudeln. Nicht
bloß der Glaube an den einmal* gestorbenen Heilsfürsten
sollte die Gläubigen retten, sondern die Heils tat sollte beständige
mystische und zugleich konkrete Gegenwart in
seiner Kirche sein, aus der täglich die Kraft des Blutes Christi
sich belebend und heilend den Gläubigen mitteilen sollte. Das
versprochene „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der
Weltzeit" sollte sich nicht bloß moralisch oder durch geistigen
Gnadenschutz erfüllen, sondern in einer der Menschennatur
angepaßten konkreten und doch geisterfüllten Gegenständlichkeit
" (S. iogf.). „Dazu gab uns der Herr die Mysterien des
Kultes, d. h. heilige Handlungen, die wir vollziehen, die aber
zugleich der Herr (durch den Dienst der Priester der Kirche)
an uns vollzieht. Durch diese Handlungen ist es möglich, daß
wir aufs intensivste und konkreteste in materiell erkennbarer
Weise und zugleich in spirituellster Form an den Heilstaten
des Herrn teilhaben" (S. 30). Grundlegend für die theologische
Begründung des Kultmysteriums sind für den Verf.
Pauli Ausführungen über die Taufe Rom. 6, 3ff., insbesondere
Vers 5 in der Übersetzung „Denn wenn wir eingepflanzt
wurden dem Gleichnisbild seines Todes, so werden wir
auch an der Auferstehung teilhaben": „Das Christusmyste-
rium, das sich an unserm Herrn in voller, geschichtlicher und
wesenhafter Wahrheit vollzog, wird also an uns zunächst in
bildlichen, symbolischen Formen vollzogen, die aber nicht rein
äußere Bilder sind, sondern von der Wirklichkeit des neuen,
durch Christus uns vermittelten Lebens erfüllt sind" (S. 33).
Das Christentum ist nur ein spezieller Fall, wenn auch die
höchste Erfüllung des Kult-Eidos „Mysterium", in dem sich
immer von neuem die Epiphanie, die rettende, heilbringende
Tat des Kultgottes durch rituelle Nachahmung der Heils-
geschichte vollzieht, weil die Welt, die Gemeinde immer neues
Leben braucht: „Der Kult ist das Mittel, sie wieder zur Wirklichkeit
und dadurch zur Heilsquelle werden zu lassen. Die
Kultgenossen stellen selbst in ritueller, symbolischer Feier
jene Urtat wieder hin; in den geheiligten Symbolen, in den
Riten und Worten des Priesters steht die Wirklichkeit wieder
auf . . . Weg der Mysterien ist also kultische Handlung als
Mitwirken au göttlichen Taten; Ziel ist Einheit mit der Gottheit
, Teilnahme am göttlichen Leben" (S. 101).

Angesichts solcher Ausführungen ist man geneigt, Dom
Guerangers Kritik des Protestantismus als einer „antiliturgischen
Häresie" freudig zuzustimmen. So jedenfalls kann und
darf die Bemühung um einen liturgischen Neuansatz in der
evangelischen Kirche nicht begründet werden! Und wenn der
Verf. die Stufenleiter entwickelt, auf welcher der Eingeweihte
immer tiefer hl die hintergründigen Mysterien des Kultus eindringt
, ist es an der Zeit sich darüber klar zu werden, daß
Martin Luther mit seinen Gedanken über die „dritte Weise des
Gottesdienstes" alles kultische Denken dieser Art schlechterdings
auf den Kopf stellt: Je tiefer der Christ im Glauben gefördert
ist, desto schlichter wird der Gottesdienst. Im Gottesdienst
derer, „so mit Ernst Christen sein wollen", glaubt
Luther auf eine besondere Ordnung überhaupt verzichten zu
können, weil „alles aufs Wort und Gebet und die Liebe gerichtet
" sein soll (Deutsche Messe 1526).

Am meisten wird man sich an Casels letztem Aufsatz
(S. 132—174) freuen, der eine schön beschwingte, von ebenso
gründlicher Kenntnis wie warmer Liebe getragene Darstellung
des Tagesofficiums der römischen Kirche gibt.

Berlin Oskar Söhngen

Guardini, Romano: Vom Geist der Liturgie. 17., unveränd. Aufl. Freiburg
: Herder [1951]. XV, 84 S. kl. 8° = Ecclesia Orans. Zur Einführung
in den Geist der Liturgie, begr. v. Dr. Ildefons Herwegen t, weitergeführt
von Basilius Ebel. Lw. DM 4.50.

Man wird bezweifeln dürfen, ob der bekannten Schrift
Guardinis auch bei ihrer jetzigen Neuauflage der durchschlagende
und breite Erfolg treu bleiben wird, den sie bei ihrem
Erscheinen vor mehr als 30 Jahren, in der chaotischen Epoche
nach dem Zusammenbruch im ersten Weltkrieg gehabt hat
(I. Aufl. 1918, 2.-3. Aufl. 1918, 4.-5. Aufl. 1919, 6—7. Aufl.
1921, 8.—12. Aufl. 1922). Denn ihre Gedankengänge sind so
ausgesprochen an den Fragestellungen der damaligen Zeit
orientiert, daß Guardini aucli da auf eine Überarbeitung verzichtet
hat, wo er heute kritisch zu seinen früheren Ausführungen
steht (vgl. z. B. S. 43). Abt Ildefons Herwegen,
der verstorbene Herausgeber der Schriftenreihe „Ecclesia
orans", an deren Spitze Guardinis Arbeit steht, trifft ins
Schwarze, wenn er in seinem Vorwort meint, Guardini wolle
zeigen, „wie die richtig verstandene Liturgie ganz den Grundsätzen
auch der rein natürlichen, gesunden Psychologie und
Seelenkultur entspricht" und „wie innig das, was die Liturgie
ist und bietet, zusammenhängt und zusammenarbeitet mit