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Ausgabe:

1951 Nr. 12

Spalte:

748-749

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Liturgisches Jahrbuch, Bd. 1 1951

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 12

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Zeit". Diese Beilage enthält viel Lesenswertes und Beherzigenswertes
. Sie befremdet uns aber wieder durch die verständnislose
Beurteilung Luthers. Zwei der bösesten Beispiele stammen
aus dieser Beilage. Für den bitteren Todesernst der christlichen
Existenz des dänischen Grüblers und für sein wirkliches Verhältnis
zu Luther fehlt unserm Verf. das richtige Verständnis;
man gewinnt bei ihm wiederholt den Eindruck, als sei Kierkegaard
mehr ein eigenwilliger Kritiker als ein dankbarer
Schüler Luthers gewesen.

Das Titelblatt trägt ein dreifaches Motto: Anima humana
naturaliter est christiaua (Tertullian). Der natürliche Mensch
ist ein geborener Katholik (Rudolf Sohm). Ohne Transzendenz
ist Existenz unfruchtbarer und liebloser Trotz (Karl Jaspers).
Das Wort Tertullians werden viele für eine gefährliche Illusion
halten und werden dann auch das Wort von Rudolf Sohm
nicht als ein Kompliment betrachten. Aus dem vorliegenden
Buche ist viel zu lernen, wenn man es mit hellwacher Kritik
liest; aber die wirklich zutreffende Schilderung der „Religion"
Jakob Burckhardts muß noch geschrieben werden und würde
erheblich anders aussehen.

Hannover-Kleefeld Hermann Schuster

Hessen, Johannes: Existenzphilosophie. Grundlinien einer Philosophie
des menschlichen Daseins. 2., verb. Aufl. Essen: Dr. Hans v. Chamier 1948.
110 S. 8° = Zeit und Leben im Qeiste des Ganzen.

Trotz aller Einwände, die man angesichts der wachsenden
Populär-Literatur über die Existenzphilosophie nicht unterdrücken
kann, darf die von dem Kölner Philosophie-Professor
Johannes Hessen vorgelegte Sammlung von allgemeinverständlichen
Vorträgen ein bestimmtes historisches Recht für
sich beanspruchen. Dieses Recht gründet sich nicht so sehr
auf eine eindringende und verständnisvolle Analyse führender
existenzphilosophischer Denker als auf ein traditionsgebundenes
Geltendmachen katholischer Wertphilosophie
gegen die verschiedenen Erscheinungsformen des modernen
Nihilismus. In diesem Sinne hat die vorgelegte Arbeit trotz
aller andersartigen Ausgangspunkte auch dem evangelischen
Theologen und Seelsorger etwas zu sagen, und zwar verdient
besondere Unterstreichung die an sich bedauerliche Tatsache,
daß die hier angeführten Gegenargumente aus der Uberlieferung
mittelalterlicher Gläubigkeit heute schon wieder eine
besonders aktuelle Bedeutung haben als Stimme des geistigen
Abendlandes, nicht so sehr gegen den Existenzialismus
wie gegen einen uns nur allzu sehr bekannten menschenver-
achtenden totalitären Nihilismus völkisch-biologischen Gepräges
. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Bedeutung in den
Kapiteln 4 bis 10 der vorgelegten Arbeit, die sich um das
Wesen des Menschen und seine Aufrichtung an absoluten überzeitlichen
weder historisch noch stammesgemäß relativierbaren
Lebenswerten bemühen. Der Kardinalirrtum, der heute
unser Dasein bedroht, ist nicht so sehr der Existenzialismus,
bei dem höchstens die Gefahr besteht, daß sein kathartischer
Reinigungsprozeß, in dem eigentlich seine historische Bedeutung
liegt, verfrüht abgebrochen wird. Schon heute sehen
wir mit Schrecken, wie sich wiederum ein Hohlraum bildet,
bei dem der scheinbare „Atteutismus" jener existenzialisti-
schen Infragestellung des Menschen bei der breiten Masse des
geistigen Mittelstandes umschlägt in den erst eigentlich
destruktiven „Dezisionismus", der sich für das Brutalste und
Handgreiflichste entscheidet, nur um eine scheinbar unerträgliche
Lücke auszufüllen. Diese Massenpsychose eines geistigen
Horror vacui führt immer wieder die radikale Umwendung von
der Humanität zur Bestialität herbei. Hiergegen meldet sich
die Stimme des christlichen Gewissens mit den Worten von
Johannes Hessen:

„Dieser Irrtum heißt Naturalismus oder Biologismus. Ihm sind
wir bereits bei Nietzsche begegnet. Er ist aber auch charakteristisch für verschiedene
Versuche der jüngsten Zeit, das Phänomen Mensch zu deuten. Angesteckt
vom Geist der Zeit, bestimmt von jener ..Weltanschauung", die ein
gutes Dezennium hindurch in Deutschland normative Geltung beanspruchte,
und die man als „Panbiologismus" kennzeichnen muß, suchen sie den Menschen
ganz von unten, vom Biologischen her zu verstehen."

Wie Hessen feststellen muß, tut dies am radikalsten
Arnold Gehlen in seinem Buch „Der Mensch. Seine Natur
und seine Stellung in der Welt" (1941). Es muß ernstlich
alarmierend wirken, daß dieses Buch in unsern Tagen soeben
eine Neuauflage erleben durfte, die ganz bestimmte Teile des
Publikums wieder hinter sich sammelt, obwohl es, wie Hessen
ausdrücklich feststellt, „im Grunde nichts anderes ist als ein
Versuch, das nazistische Terrorsystem philosophisch-anthropologisch
zu rechtfertigen", und zwar geschieht dies durch den
an sich j a nicht neuen Gedanken, den Menschen in eine Reihe mit
dem Tier zu stellen. Diese mit nietzschehaftem Verführungsreiz
ausgestatteten Unternehmen zeigen überall die Tendenz,

„den Menschen ontologisch möglichst zu degradieren, ihm
eine möglichst niedrige Stellung im Kosmos zuzuweisen. Man
ordnet ihn ganz in die Naturwelt ein, läßt ihn aufgehen in
rein vitalen, der Lebenserhaltung und -förderung dienenden
Zwecksetzungen und spricht ihm jedes über die vitale Bedürfnisbefriedigung
hinausgehende Interesse ab". In diesem
Nihilismus liegt heute die gefährlichste Bedrohung der abendländischen
Kulturüberlieferung und seines Menschenbildes.
Gegen sie gilt es alles zu mobilisieren, was seit den Tagen des
Aristoteles und seiner mittelalterlichen Weiterentwicklung bis
zu modernen Denkern wie Sombart und Litt erarbeitet worden
ist zur Selbsterkenntnis des Menschen als sittliche Persönlichkeit
, als Kultur- und Geistwesen im Gegensatz zu seiner Bio-
logisierung als bloßes Naturwesen, die namentlich heute in
ihrer alarmierenden Wiederbelebung durch gewisse Kreise sich
als eine künstliche Aufwärmung der abgestandenen geistigen
Bettelsuppen des 19. Jahrhunderts erweisen müßte.

Auf diese Wunde den Finger gelegt zu haben, ist das
bleibende Verdienst solcher redlichen Geistesarbeit wie der
von Johannes Hessen, der man viele und vielseitige Nachfolger
wünschen muß. In der Fortsetzung einer solchen Arbeit wird
zu bedenken sein, die abendländische Kulturtradition nicht als
einen festen Besitz anzusehen, sondern im Ernstnehmen der
schon lange andauernden Glaubenskrise um ein Durchstoßen
zum Urerlebnis des christlichen Paradox' zu ringen. Weder die
negative Seite ist in ihrer nihilistischen Einseitigkeit ein Weg
zur Wahrheit, noch aber das unmotivierte Umschlagen in
einen vorwiegend restaurativen christlichen Dezisionismus, der
nun bloß das Positive bejaht, das doch nur seinen Sinn hat
auf dem Hintergrunde krisenhafter Gegenspannuugen. Hier
dürfte sich ein wichtiges Hauptfeld evangelisch-theologischer
Geistesarbeit eröffnen, der sich Hessen überraschend annähert
mit dem Betonen der Gnade im Sinne des AugustüiWortes:
„Vita nostra nil aliud est quam Dei gratia."

Berlin Liselotte Richter

LITURGIEWISSENSCHAFT

Liturgisches Jahrbuch. Im Auftrage des Liturgischen Instituts in Trier hrsg.
v. Joseph Pascher. l.Bd. 1951. Münster: Aschendorff [1951]. 214S.gr.8°.
Kart. DM 13.50; geb. DM 15.50.

Casels (im Aschendorff-Verlag erschienenes) „Jahrbuch
für Liturgiewissenschaft" (Veröffentlichungen des Vereins zur
Pflege der Liturgiewissenschaft E.V.) brachte es auf 15 Bände.
An seiner Stelle erscheinen nunmehr zwei neue Reihen. Die
Liturgiker des „Abt-Hcrwegen-Instituts" geben im Pustet-
Verlag Regensburg das „Archiv für Liturgiewissenschaft" heraus
(Band I 1950, Herausgeber: D. Hilarius Emonds,
O. S. B.). Und die „Liturgische Kommission" (d. i. der von
den Bischöfen des „Liturgischen Referates" bestellte „Rat")
gründete ein „Liturgisches Institut", in dessen Vorsitz Theodor
Klauser mitarbeitet — und dieses „Liturgische Institut"
gibt nun im Aschendorff-Verlag das uns vorliegende „Liturgische
Jahrbuch" durch Josef Pascher heraus: 1. Band
1951. Im großen und ganzen scheint man sich dahin entschieden
zu haben, daß das „Archiv " die historische und systematische
Liturgiewissenschaft fördert, das „Jahrbuch" hingegen
die praktische Liturgik betreibt. Allerdings will auch
das „Jahrbuch" nicht ganz auf die anderen Zweige verzichten,
insonderheit nicht auf Literaturberichte aus allen Zweigen der
Liturgik. Der 1. Band des „Jahrbuchs" weist in der Tat die
Richtung auf: Liturgische Praxis, gefördert durch die Liturgiewissenschaft
aller Art. Der erste Fachartikel von dem Benediktiner
Bogler (Maria Laach) berichtet über die Erfolge der
Enzyklika „Mediator Dei" in den einzelnen Ländern, wobei
Südamerika am sprödesten zu sein scheint. (Aber den holländischen
Calvinisten bescheinigt Bogler, daß sie „an einer
Wiedererweckung des liturgischen Lebens innerhalb ihrer
Kirche außerordentlich interessiert sind".) Nicht bloß Liturgiker
, sondern auch Philologen wird der Artikel von Walter
Dürig beschäftigen: „Die Erforschung der lateinisch-christlichen
Sakralsprache". Jungmanns Ausführungen über die
„Vorverlegung der Ostervigil seit dem christlichen Altertum"
sind wieder voller Gelehrsamkeit. Dagegen hat rein praktisch-
katholische Bedeutung der Vorschlag Fischers zur Neugestaltung
der Litania ad Laudes et Vesperas — aber nein, in
den Anmerkungen steht gelehrtes Material zur Gebetsforschung
. DerNeresheimer Benediktiner Hof meist er knüpft
an unseren Ulrich Stutz an und handelt rechtsgeschichtlich,
liturgiegeschichtlich (hier Beiträge zur Geschichte der liturgischen
Gewänder!) über das liturgische Recht zum Ponti-
fizieren der Äbte (ein II. Teil soll im „Jahrbuch 1952" erscheinen
). Latinisten, Romanisten, Liturgen (erst in zweiter