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Ausgabe:

1951 Nr. 12

Spalte:

732

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Segovia, A.

Titel/Untertitel:

Natus est - nascitur 1951

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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731

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 12

732

lieh, ihre Allgemeinverständlichkeit überall innegehalten. Sie
ist eine der geistigen Nachfahren unserer Insel - Bücherei,
aufs christliche Gemeindeleben abgewandelt.

Ein höchst erfreuliches Beispiel, wie sich in einem Baude
strengste wissenschaftliche Maßstäbe eines wegen seiner soliden
Beweisführung anerkannten Kirchenhistorikers mit der schlichten
Gemeinde-Verständlichkeit paaren läßt, ist vorliegende
Arbeit. Beides ist allerdings auf zwei bzw. weitere Teile verteilt
: Der klaren Darstellung selbst folgt ein wissenschaftlicher
Quellennachweis mit in extenso gegebenen Belegen und kritischen
Erläuterungen anderer — gerade zu unserm Gegenstand
— so zahlreicher Forscher. Die zu Rate gezogenen kritischen
Stimmen gehen tief in die moderne Psychologie hinein
(C. G. Jung S. in u. ö.), wie sie sich nicht auf einseitig konfessionelle
Stimmen festlegen (Robert Durrer mit seinem 1917
und 1921 erschienenen grundlegenden Hauptwerk zu „Bruder
Klaus, die ältesten Quellen ..." wird einfach neben Walter
Niggs ,,Große Heilige", 1946, gestellt und gehört; so Anm. =
S. 106 zu Text = S. 51).

Beide Verhaltensweisen sind aufs Ganze gesehen charak"
teristisch für die Arbeitsweise Blankes: er versteht es, die
innere Geschichte des Schweizer Großen in seelisch so sauberer
schlichter Urteilsbegründung und Übersichtlichkeit aufzubauen
, daß hiermit eine Reinigungsarbeit ersten Ranges an
einer von legendärem (ja romanhaften cf. H. Lederer oder
H. v. Redern!) Rankenwerk leicht entstellbaren geschichtlichen
Persönlichkeit geleistet ist. Von psychologischen Eigenwilligkeiten
(lediglich etwas gewagt, S. 30: das visionäre Rot
über Liestal als Schamröte; S. 58: der „gehemmte" Jüngling)
hält sich diese Darstellung frei, bemüht sich dafür aber in einer
Sprache und Empfindungsweise der Gegenwart, uns die Sachverhalte
in ihrem angemessenen Gewicht aufzuzeigen und die
historisch-gerechte Achtung zu erwecken.

Hier sind wir bei dem zweiten Punkt: diese Arbeit eines
protestantischen Forschers ist am besten als ökumenische Tat
zu bezeichnen, da sie alte allgemein christliche — katholische
wie orthodoxe — Werte ins Gemeinde-Bewußtsein hebt, die
zeigen, wie das gott-erfüllte Leben der Eremiten nicht nur
einem geistlichen Eigenbedürfnis Rechnung trägt, sondern zur
Segensquelle für viele andere werden kann, wenn es in seiner
Echtheit erst einmal durchgekämpft und in seiner Tiefe Bestand
gewonnen hat. Sind nicht auch die orthodoxen großen
Eremiten und Starzen die Seelsorger ihres Volkes gewesen ?
Haben die Schweizer Mitbürger ohne Grund diesem Einsiedler
eine Kapelle bereits nach einjährigem Eremitenstand errichtet
? Taucht nicht auch hier die Frage nach dem dritten Sakrament
unserer Kirche, dem der Beichte, mahnend wieder auf ?

Jedenfalls gelingt es Blanke, diesen Nikolaus von Flüe
(Fl. gleich Felsen) wirklich als „Bruder Klaus" uns ganz ungekünstelt
nahezubringen. Man bekommt Einblick und Vertrauen
zu diesem Manne, der als Gemeindevertreter und
Familienvater zuerst den politischen Erfordernissen semer Zeit
entspricht, seiner ihm aber mit 16 Jahren zuteil gewordenen
Berufung — mit eigener Uberwindung — treu bleibt, ein
„Turm" des Segens in dem seinem Bauernhof nahen Bachtobel
, dem „Ranft", wird. 20 Jahre ist er bis zu seinem 1487
erfolgten Hinscheiden speisenlos geblieben, nur genährt —
nach dem heimlichen vertrauten Geständnis an seinen Beichtvater
Oswald Yßner von Kerns — vom geistlichen „täglichen
Brot" der Altarhostie (S. 46).

Der innere Reichtum seiner — meist trinitarischen
(S. 39/40) — Visionen und Symbole wie seine mystisch-
skotistische Theologie (S. 43) werden behutsam klärend durchleuchtet
, seine Seelsorgetätigkeit an Beispielen erwiesen (S. 52
bis 59), ein großer Dienst an einem Großen im Reiche des
Herrn getan.

Ein schöner Holzschnitt von Felix Hoffmann ziert den
Band.

Neubukow Günter Oloede

Holtzmann, Walther: König Heinrich I. und die" hl. Lanze-
Kritische Untersuchungen zur Außenpolitik in den Anfängen des Deutschen
Reiches. Bonn: Universitäts-Verlag 1947. 64 S. 8° = Wissenschaft derzeit.
Kart. DM 4.—.

H. wirft inmitten der bisherigen Diskussion die Frage
nach den näheren Umständen auf, die zum Erwerb der hl.
Lanze durch Heinrich I. führten. Er äußert sich über die hl.
Lanze, ihre Gestalt und Bedeutung, untersucht auf Grund der
Erzählung Liudprands die Geschichte vom Erwerb der Lanze
durch Heinrich I. (S. 28: „im besten'Falle kann damals Heinrich
I. erfahren haben, daß Rudolf II. von Burgund die kostbare
Reliquie besaß") und wendet sich dann dem italienisch-
burgundischen Vertrag von 933 und den Beziehungen zwischen
Hemrich I., Bayern und Italien 933—935 zu. Am Ende versucht
er aus der Geisteshaltung Heinrichs I. seine Stellungnahme
zu erklären. (. . . „bei diesem Mann einen ganz primitiven
Wunderglauben an eine siegbringende Reliquie voraussetzen
?"). 933 mag ihm auch die „staatsrechtliche" Bedeutung
der hl. Lanze aufgegangen sein. So führte seine erfolgreiche
Politik gegen Burgund schließlich auch zum Besitz der
wunderbaren Reliquie, „die in den Händen seines Sohnes sehr
bald bei Birten (939) und auf dem Lechfelde (955) ihre siegver-
leüiende Kraft erweisen sollte.

H. hatte besonders Martin Lintzel und Adolf Hofmeister
angegriffen. Zunächst hat Lintzel geantwortet (Hist. Ztschr.
171 (1951). S. 303—310): „viele seiner (Holtzmanns) Einzelbeobachtungen
scheinen mir auch nützlich und richtig zu sein;
aber seinen Resultaten kann ich doch nur teilweise, den
wesentlichen überhaupt nicht zustimmen, und bekehrt hat er
mich nirgends" (S. 304). L. hält „für das Wahrscheinlichste,
daß die Wiener Lanze die alte von Heinrich I. erworbene
Reliquie ist; wobei übrigens gar nicht nötig ist, daß sie heute
noch genau so aussieht wie vor tausend Jahren: sie mag inzwischen
einige Veränderungen und Reparaturen erfahren
haben" (S. 305). Die Lanze war Reliquie und Herrschafts-
symbol (a. a. O.). Nach L. bleibt Heinrich I. einer der nüchternsten
Rechner unter unseren früh- und hochinittelalter-
lichen Königen. „Soll man Heinrich wirklich zutrauen, daß er
aus keinem anderen Grunde, als um die Reliquie zu besitzen,
einen Teil Schwabens opferte? So begehrt Reliquien waren,
und so großen Wert auch die deutschen Könige des Mittelalters
auf ihren Besitz legten, eine so hohe und vor allem eine
so politisch gefärbte und wertvolle Bezahlung kommt sonst
meines Wissens nirgends vor" (S. 310).

In jedem Falle muß jeder, der sich mit der Politik Heinrichs
I. beschäftigt, die Darlegungen der beiden Historiker
kennen.

Jena Friedrich Schneider

Segovia, A., S. J.: Natus est — nascitur. La eterna generaeiön del Hljo
de Dlos y su enunciaciön verbal en la Literatura patristica. Madrid: Consejo
Superior de Investigaciones Cientfflcas1. Patronato Raimundo Lullo. Institute
„Francisco Suärez". gr. 8°. = SA aus: Revista Espanola de Teo-
logia. 1948. Vol. III, Nr. 32. S. 385—407.

Die Scholastik machte sich die Mühe, beim Kapitel von
der ewigen Zeugung des Sohnes durch den Vater die Alternative
(der Eunomianer) zu behandeln: Ist diese Zeugung ewig
(nascitur), so ist sie noch nicht vollendet — ist sie aber je vollendet
(natus est), so hatte sie auch einen Anfang; im ersteren
Falle ist der Sohn noch unvollkommen, im letzteren Falle fjv
noxE öxb ovx 1)v (erat quando non erat). Die Lösung des Problems
durch die Scholastik hieß: Der Vater war nie olme die
Zeugung des Sohnes; darum müssen Ausdrücke gewählt werden
, die jene Alternative ausschließen. Nämlich: Filius ante
saecula natus vel genitus — oder: Semper nascitur (weniger
gut). A. Segovia verfolgt das Problem bei den Kirchenvätern,
in den Symbolen, in der Regula fidei. Origenes (In Joh. 1, 29)
eröffnet die Reihe; Augustinus (ep. 238 c. 4 und qu. 37 der
83 „Fragen verschiedenen Inhalts") und Gregor der Große
(Moralia in Job. 29, 1) stehen am Ende — von ihnen lernte die
Scholastik.

Bad Liebenzell Leonhard Fendt

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATION UND GEGENREFORMATION

Meissinger, Karl August, Dr.: Erasmus von Rotterdam. 2. Aufl. Berlin:

Nauck 1948. 411 S. 8° = Veröffentl. des Instituts für Reformationsforschung
E.V., München Nr. I. HIw. DM 15.50.

Newald, Richard: Erasmus Roterodamus. Freiburg/Br.: Verl. E.Burda
1947. VI, 392 S., 6 Taf. 8". Hlw. DM 14.50.

Es gehörte einiger Mut dazu, nach dem glanzvollen Porträt
, das Huizinga von seinem großen Landsmann und geistigen
Ahnherrn entworfen hat (1924 holländisch und englisch,
1928 und 1936 deutsch erschienen), eine neue Erasmus-Biographie
zu schreiben. Trotzdem ist keine Frage, daß nach
Huiziugas in vielem bei seiner Kürze doch nur skizzenhaften

') Über diesen Consejo vgl. ThLZ 1950 Nr. 12, Sp. 757—760.