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Ausgabe:

1951 Nr. 12

Spalte:

730

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Wiedemann, Heinrich

Titel/Untertitel:

Karl der Große, Widukind und die Sachsenbekehrung 1951

Rezensent:

Lintzel, Martin

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729

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 12

730

italienische Vers mit seinen fünf zweisilbigen Worten und den harten Wortanfängen
ist ein besonderes Kunstwerk für sich). Ein „Schlagentraffter" ?
Man kann Dante nur verstehen und anderen verständlich machen, wenn man
das übersetzt, was er gesagt hat. Das ist um so nötiger, weil kaum ein Ubersetzer
je Oedanken und Gefühle besser als Dante selbst zum Ausdruck bringen
wird.

V. läßt Francesca von ihrem und Paolos „sündevollem Bunde" reden. In
Wirklichkeit spricht sie von „unserer Liebe" (nostro amor: Vers 125). Sie hält
an ihrer Liebe fest, das Wort „Amor" beherrscht ihre ganze Vorstellungswelt
und ihre Erzählung. Auch Dante hütet sich, von „Sünde" zu sprechen. Dantes
Mitleid, das ihn am Schluß eben aus Mitleid ohnmächtig zusammenbrechen
läßt, mahnt erneut, seine Worte ja richtig zu erfassen und zu übersetzen und
nicht — um des Reimes willen — aus „unserer Liebe" zu einem „sündevollen
Bunde" zu gelangen, worauf sich dann „Feierstunde" reimt, was „per diletto"
wiederum nicht bedeutet. Vers 109 ist Francesca eine „Sünderseele" I Bei
Dante steht davon nichts. Bei Vers 103: Liebe, erglüht, um Liebe zu entfalten
(Amor, che a nullo amato amar perdona) mißversteht V. den durch den dreimaligen
Hinweis auf die Liebe künstlerisch vollendeten Vers Dantes im Munde
von Francesca. „Liebe, die die Erwiderung der Liebe zu dem verzeiht, von dem
man geliebt wird", ist der Sinn. Usw.

Warum bringt V. nicht Inf. 34, 1 den genauen lateinischen Wortlaut des
Verses bei Dante, der doch gerade von dessen Kunst ein so beredtes Zeugnis
ablegt? Der Leser will den lateinischen Vers wissen, lesen und hören, den
Dante geformt hat, nicht einen, den der Übersetzer ändert, denn der Kunstgriff
des von Dante hinzugefügten „inferui" ist ja gerade das Entscheidende.
Natürlich müßte V. nun wieder einen Reim auf „inferni" in deutscher Sprache
suchen, da der lateinische Vers Dantes doch stehen bleiben muß. Welcher
Reinvaber ist im Deutschen auf „inferni" zu finden?

Wie bei dem erwähnten Ausruf Dantes: „Francesca" die Wortstellung
entscheidend ist, so hat der Dichter auch in der Manfred-Szene (Purg. III) in
großartiger und überlegter Weise die Verse und Worte gestaltet und gestellt,
mit denen sich Manfred schließlich den Wanderern zu erkennen gibt: „ich bin
Manfred, der Enkelsohn der Kaiserin Konstanze" ... V. verfehlt die Stelle.
Welche Bedeutung der Wortstellung und der betonten Erwähnung der
„Kaiserin" Konstanze außerdem zukommt, habe ich erneut in meinem Aufsatz
über Manfred im Deutschen Dante-Jahrbuch 28 (1949), S. 180ff. ausgeführt.
Daß der Lieblingssohn Friedrichs IL, der eben von Dante verherrlichte blonde,
schöne König Manfred (die Begegnung mit ihm wird zur Huldigung Dantes
für das Geschlecht der Staufer überhaupt, wie ich a. a. O. dargelegt habe), von
V. in der Einleitung zu seiner Übersetzung des 3. Gesanges Friedrichs II.
,Bastardsohn" genannt wird, ist besonders schmerzlich.

In der Huldigung Dantes für seinen Lehrer Brunetto Latino (Hölle 15),
bekanntlich der schönsten Huldigung eines Schülers für seinen Lehrer in der
Weltliteratur, setzt Dante alles daran, dem Lehrer (und dem Leser) „das teure
und gute und väterliche Antlitz" des Lehrers zu schildern, das er trotz der
Verstümmelungen durch den Feuerregen in alter Verehrung erkennt. Kein
Übersetzer wird sich den herrlichen Vers, auf den es doch gerade ankommt,
so leicht entgehen lassen (Vers 83: la cara e buona imagine paterna / di voi). Bei
V. wird daraus: ich sah es stets, das mich so fromm betreute / dies Vaterantlitz
. ..

Bei der Begegnung Virgils mit Sordello kommt alles darauf an, das eine
Wort Virgils richtig zu erfassen: Mantova (Vers 72). Vezin übersetzt: Aus
Mantua. Das eine Wort: „Mantova" ist entscheidend. Es darf nicht heißen:
aus Mantua, sondern nur: Mantua.

Ein Letztes: e sua nazion sarä tra feltro e feltro (Inf. I 105) wird von
V. übersetzt: Sein Heim — ein Can — auf Filz und Filzgezelt hat.

Das steht nicht bei Dante. Und wenn V. hinzufügt, daß die auf Alfred
Bassermann zurückgehende Deutung des Veltro (wie der große Tartarenkhan
(ital. cane =■ Khan und Hund), von dem Dante wohl durch Marco Polo
Kunde hatte) am meisten anspricht, so beweist er auch hier, daß er mit dem
Stand der Danteforschung nicht hinlänglich vertraut ist. Zunächst darf man,
wie jede Prophezie Dantes, auch diese nicht wörtlich nehmen, denn Dante
hütete sich, sich festzulegen. Die Sendung des Veltro soll sein, die weltliche
Macht des Papsttums aufzuheben und die Kirche zur frühesten evangelischen
Armut zurückzuführen. Daraus wird auch die andere wirkliche erfolgreiche
Aufgabe des Veltro verständlich: das Wohl des unglücklichen Italien. Dante
war überzeugt, daß nach der Aufhebung und Vernichtung der weltlichen
Macht des Papsttums das größte Hindernis zur Wiederherstellung des universalen
Römischen Reiches beseitigt sei, das nach seiner Überzeugung von Gott
gewollt war, zum Vorteil von Rom und Italien, die der Mittelpunkt des Imperiums
sein sollten usw.

Der genannte Vers ist ganz dunkel. Deswegen muß man ihn so wörtlich
wie möglich übersetzen, wenn man ihn verstanden hat bzw. mit den Deutungen
vertraut ist. Aber dann lautet er anders als ihn V. übersetzt.

Im 26. Gesang spricht Dante nicht mit Odysseus, weil „er des Griechischen
nicht genügend kundig" istl Wieder ein falsche Auffassung. Der Reim veran-
iaßte V. z.B., Virgil als „Herr und Leiter" (Inf. I 140) zu bezeichnen; „jeder
Sarg wie weißes Eisen gleißte" (IX 118); „wo ist, was darf mein Sohn dich
nicht begleiten" (X 60); „das blöde Volk jedoch, das he-gegartet (I) aus
Fäsulä" (XV 61); im 26. Gesang ist entscheidend „folle volo" (Vers 125), weil
zur Erklärung des ganzen tollkühnen Unternehmens wichtig, von Dante später

deswegen noch einmal wiederholt: bei V. steht nichts davon. Eine Umschreibung
kann Dantes Worte niemals ersetzen. Usw.

Es ist schmerzlich, so viel Hingebung und sonst verdiente
Einzelleistungen kritisieren zu müssen, aber es handelt sich
darum, dem deutschen Volke ein wahres Abbild eines der
größten Kunstwerke zu vermitteln, das viele gelehrte Schwierigkeiten
bietet. Deswegen muß man sich mit den Ergebnissen
der Forschung vertraut machen und vertraut halten. Das ist
allerdings eine Aufgabe, deren Schwierigkeiten nur der Kenner
überblickt.

Jena Friedrich Schneider

Loenertz, Raymond-j., o. p.: Correspondance de Manuel Calecas.

Cittä del Vaticano: Biblioteca Apostolica Vaticana 1950. XII, 351 S. (Studi
e Test! 152).

Vor etwa 20 Jahren entdeckte Kardinal Giovanni Mer-
cati in der Vatikanischen Bibliothek das Autograph der gesammelten
Briefe des griechischen Theologen und Rhetors
Manuel Kalekas, der 1396 katholisch wurde und später in den
Predigerordeu eintrat (f 1410), und überließ die Veröffentlichung
der 89 Briefe dem durch zahlreiche Arbeiten zur Geschichte
des Dominikanerordens bekannten luxemburgischen
Forscher in Rom. Das uns jetzt zugänglich gemachte neue
griechisch niedergeschriebene Quellenmaterial wird besonders
von den Byzantinisten, Kirchenhistorikern und den Spezialisten
der Geschichte des Humanismus beachtet und dankbar
begrüßt werden. Der gelehrte Herausgeber hat keine Mühe
gescheut, um dem Benützer des stattlichen Bandes durch seine
Mitteilungen über die handschriftliche Uberlieferung und
durch seine Untersuchungen zur Biographie des Briefschreibers
und zur Zeitgeschichte die Ausschöpfuug zu erleichtern. In
einem Anhang sind noch zehn weitere Texte beigegeben
(S. 308—337). Ein vorzügliches Register beschließt das wertvolle
Werk. Druck, Papier und Ausstattung verdienen höchstes
Lob.

Würzburg Berthold Aitaner

Wiedemann, Heinrich, p. Dr., m. s. C: Karl der Große,Widukind und

die Sachsenbekehrung. Münster: Aschendorff 1949. 40 S. 8° = Ver-
öffentl. d. Missionswlss. Instituts d. Westf. Landesuniv. zu Münster/W.
hrsg. von Prof. Dr. Thomas Ohm, O. S. B., H. 2. Kart. DM 1.80.

Es handelt sich um eine knappe Darstellung der Sachsenkriege
, die aus einem Vortrag hervorgegangen ist. Sie wendet
sich an ein breiteres Publikum und ist ansprechend geschrieben
; wissenschaftlich will sie nichts eigentlich Neues
bieten, und sie tut es auch nicht. Die Erzählung stützt sich
(mit sehr geringen Literaturaugaben) auf die Resultate der
Forschungen der letzten Jahrzehnte, wobei sich W. naturgemäß
sehr stark an seine eigene Arbeit über die Sachsen-
bekehrung (1932) hält und wobei ihm davon abgesehen manches
unbekannt geblieben zu sein scheint. Meiner Ansicht,
daß der sächsische Adel auf der Seite Karls des Großen gestanden
und daß sich der Eroberungskrieg der Franken im
allgemeinen nur gegen die unteren Stände gerichtet habe,
stimmt der Verf. im wesentlichen zu, ohne dabei immer ganz
konsequent zu sein. Im übrigen versucht er, die Geschichte
der Eroberung Sachsens in einen größeren historischen Rahmen
zu stellen und das Verfahren Karls aus seinemVerhältuis
zu Augustins Gottesstaat abzuleiten. In beidem scheint er mir
nicht ganz glücklich zu sein. In dem, was über die allgemeine
Geschichte der Zeit, z.B. über Bonifaz, über Byzauz und über
Karls politische Möglichkeiten gesagt wird, finden sich erhebliche
Irrtümer, und Karls Kenntnis und Verehrung der Civitas
Dei scheint gerade auf die Sachsenkriege wenig eingewirkt zu
haben: das zeigt die Art der Christianisierung und z. B. die
Kritik Alkuins deutlich genug. Wenn aber W. im Vorwort
meint, daß „nach der leidenschaftlichen Erörterung seines
Themas in der jüngsten Vergangenheit (d. h. während des
Dritten Reiches) herausgestellt werden müsse, was die Quellen
wirklich bringen", so ist das zwar längst geschehen; doch es
läßt sich darin des Guten schwerlich zu viel tun, und insofern
kann man W.s Absicht und Schrift nur beipflichten.

Halle/Saale m.Lintzel

Blanke, Fritz, Prof. Dr.: Bruder Klaus von Flüe. Seine innere Geschichte
. Zürich: Zwingli-Verlag [1948]. 119 S. kl. 8°.

Die geistige Isolierung, in die uns Deutsche die Jahre nach
1933 hineinmanövriert haben, hat für die Schweizer emen ungeahnten
Aufschwung ihrer einheimischen Buchproduktion
gebracht. Die seit 1938 auf fast 60 Nummern angewachsene
Zwiugli-Bücherei ist des Zeuge. Ihre Ausstattung ist vorzüg-