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Ausgabe:

1951 Nr. 12

Spalte:

728-730

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Dante Alighieri, Die göttliche Komödie 1951

Rezensent:

Schneider, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 12

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zu einseitiger Beurteilung des christlichen Glavibens und der
christlichen Theologie (vgl. S. 60). Vor allem aber ist zu
fragen: Kennt der Verf. die buddhistische Wirklichkeit in den
Ländern Ostasiens? Man möchte es bezweifeln; denn andernfalls
hätte er nicht, wiederum einseitig, schreiben können:
„Zu welchen tiefen Abgründen voller Aberglauben, Irrtum
und Haß . . . führte der Gottesglaube!" (S. 141).

Tübingen Gerhard Rosenkranz

BIBEL WISSENSCHAFT

VetUS Latlna. Die Reste der altlateinischen Bibel nach Petrus Sabatier neu
gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron. 2. Genesis. Hrsg. v. Bonifatius
Fischer. Freiburg: Herder 1951. VII, 33*, 128 S. 4°. DM35.—.

Wer aus dem fast 100 Seiten in Großquartformat füllenden
Verzeichnis der Sigla dieser Ausgabe (siehe ThLZ 51, 230)
eine Vorahnung von dem Umfang der Arbeit gewonnen hat
und der Mühe, die aufgewandt werden mußte bei der Sammlung
aller Reste der Vetus Latina aus LIss., Zitaten und Anspielungen
, wird mit Spannung und hoher Erwartung ein Heft
zur Hand nehmen, das uns lehrt, wie man diesen fast unabsehbar
reichen Stoff zu meistern sucht. Und er wird nicht enttäuscht
, so befremdlich auch der erste Eindruck sein mag,
wenn man das Heft aufschlägt.

Die Einführung bringt (S. 1*—13*) eine Beschreibung der
verwerteten Hss., (S. 14*—21*) eine Skizze der Textgeschichte,
soweit sie erforderlich schien, um die gewählte Druckanordnung
zu begründen, (S. 22*—33*) eine Erläuterung der Edition
die man studiert haben muß, um sich in dieser zurechtzufinden
.

Wie es allgemein üblich ist, unterscheidet Fischer bei den überlieferten
Texten zwei Gruppen, eine afrikanische und eine europäische, im Wortschatz
mehr als in der Übersetzungsart voneinander abweichend. Ohne die Frage zu
verfolgen, ob die verschiedenen lateinischen Texte nicht schließlich doch auf
einer gemeinsamen Wurzel stehen, —■ F. neigt mit Recht zu der auch für das
NT sich bewährenden Annahme hin, daß „die Geschichte der altlateinischen
Bibel in Ihrer Grundrichtung nichts anderes ist als die fortschreitende Europäisierung
des afrikanischen Textes" — charakterisiert er kurz die einzelnen
Typen. K nennt er die Form, die wir bei Cyprian und in den pseudocypriani-
schen Schriften antreffen. Ein Abkömmling davon ist C, die von Augustin,
De Gen. contra Manich. und De Gen. ad litt, bezeugte Gestalt. Innerhalb des
viel schwieriger zu fassenden europäischen Typs (E) werden unterschieden
eine wohl aus Afrika stammende, in Spanien bei Gregor v. Elvira verwandte
Form (S), zu der die Hss. 100 (Lyon 403) und 101 (Neapel, cod. lat. 1) gehören,
und eine Form I, deren wichtigste Zeugen neben 103 (Würzburg, Mp. theol.
fol. 64a) und 111 (Rom. Lektionartext, Oxford, Bodl. Auct. F 4. 32) Ambrosius,
Rufin, Hieronymus und Augustin sind. Wie D. de Bruyne, Miscellanea Ago-
stinlana II, Rom 1931, 585ff. nachgewiesen hat, ist Augustin zwischen 393 und
400 von C zu I übergegangen, hat aber gleichzeitig nach einer LXX-Hs. korrigiert
(A). Auch Ambrosius geht nicht selten eigene Wege und erscheint dann
mit dem Siglum M. Der hexaplarische Text bei Hieronymus heißt O, mit P
wird ein von der Hexapla und vg beeinflußter Text bei Quodvultdeus bezeichnet
.

Die Anordnung der altlateinischen Texte ist nach dem
Vorbild von Jülicher-Malzkows Itala gestaltet. Die Ausgabe
bringt in diesem Heft von Gen. 1, 1—9, 14 in der ersten Zeile
die Quelle der VL, den Wortlaut der LXX nach Rahlfs, darunter
in kleinerer Schrift ihre Varianten, soweit sie für die
lateinische Bibel Bedeutung haben: Daun die altlateinische(n)
Fassung(en), unter dem Siglum L, wo sie einheitlich sind, mit
der Bezeichnung K, C, E, I usw., wo sie auseinandergehen,
darunter in kleinerer Schrift alle Varianten, die sicher oder
wahrscheinlich oder vielleicht einer altlateiuischen Bibel entstammen
. Als letzte Zeile erscheint die Vulgata nach der Ausgabe
von Quentin. Auch hier werden die Varianten verzeichnet
, soweit sie für die Geschichte des lateinischen Bibeltextes
Interesse haben.

Im kritischen Apparat findet man dann zu jeder Lesart
die Zeugen, Hss., Zitate in örtlich und zeitlich bestimmter
Folge angeführt, nebst der Angabe, ob die Lesart mit LXX
oder masoretischem Text geht.

Ein zweiter, viel umfangreicherer, mitunter mehr als die
volle Seite beanspruchender Apparat bucht in alphabetischer
Reihenfolge alles, was au Belegen für den einzelnen Vers vorhanden
ist, so daß man hier ein vollständiges Repertorium
aller Stellen, die von lateinischen Schriftstellern des 2. bis
8. Jahrhunderts zitiert oder benutzt werden, beisammen hat
und ein Hilfsmittel für biblische, patristische, kirchengeschichtliche
, dogmatische, kanonistische Studien besitzt, wie es bequemer
und nützlicher kaum gedacht werden kann.

Natürlich wird man im Einzelfall wiederholt anders
urteilen als der Herausgeber und fragen können, ob nicht etwa
2, 8. 10 Edem (oder Aedem) statt Eden in den Text zu setzen
wäre, wie 4, 16 es tut, ob nicht doch 3,15 die Cyprianfassung
lautet ipse tuum observabit caput, ob nicht 1, 15 inchoatione
das Ältere bietet gegenüber initium, ob 3, 13 bei Lucifer suasit
wirklich als Variante zu bewerten ist, ob eine Fassung zu
diesem oder jenem Typ zu rechnen ist usw. Aber das alles ist
vollkommen gleichgültig angesichts der Tatsache, daß uns ja
hier nicht eine Geschichte der altlateinischen Bibel vorgelegt
werden soll, die auch nach A. V. Billen, The^Old Latin texts
of the Heptateuch, Cambridge 1927, erst zu schreiben ist, sondern
eine vollständige Sammlung des Materials, in welcher der
Benutzer schnell und zuverlässig findet, was er benötigt. Mit
dieser Zielsetzung hat der Herausgeber sich beschieden und
uns das Arbeitsinstrument geschenkt, wie wir es brauchen.

Die Sorgfalt und Umsicht bei der Sammlung und Sichtung
des Stoffes ist schwerlich zu überbieten. Bei den zahlreichen
Stichproben, die ich hinsichtlich der Vollständigkeit
vornahm, ergab sich auch nicht eine einzige Lücke und kein
noch so geringer Fehler. Nur die geduldige und selbstlose,
Jahrzehnte hindurch geleistete Arbeit vieler konnte dieses
Werk zustande bringen. Auch editionstechnisch ist die Ausgabe
ein Meisterwerk.

Die Fortsetzung des Druckes ist allerdings nur dann möglich
, wenn die Erzabtei Beuron auch von anderer Seite die erforderliche
geldliche Unterstützung erhält. Aber zunächst wird
es Sache der Theologen und der Historiker sein, dem Fleiß
und Können der gelehrten Benediktiner zu der verdienten Anerkennung
zu verhelfen und sie bei diesem kühnen Wagnis
nicht im Stich zu lassen.

Bonn Heinrich Vogels

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Durchblick und Auswahl von

August Vezin. Freiburg: Herder [1950J. 381 S., 1 Titeibl. 8°. Lw. DM 7.50.

Meiner kritischen Besprechung der Dante-Biographie von
August Vezin in Nr. 2 der ThLZ 1951 folgt die Anzeige seiner
Ubersetzung der Göttlichen Komödie. Ich wiederhole meine
Einwände gegen die auch hier wieder vorgetragenen Unsicherheiten
und Irrtümer nicht, die ich bereits in meiner Besprechung
vorgebracht habe. Ausdrücklich seien auch hier
Fleiß und Hingabe des Verf.s hervorgehoben. Aber es ist doch
verdrießlich, daß wieder statt einer Ubersetzung des ganzen
Kunstwerkes nur eine Auswahl vorgelegt wird, über die sich
außerdem immer streiten läßt.

Ich habe mich in letzter Zeit über Fragen der Dante-Übersetzungen ausführlich
[Deutsche Literaturzeitung 71 (1950), Sp. 247ff.; 72 (1951), Sp.3ff.|
geäußert. Vezin bietet gereimte Terzinen. Was dagegen bei einer deutschen
Übersetzung im Gegensatz zum italienischen Original oft genug von den verschiedensten
Seiten ausgesprochen worden ist, braucht im einzelnen nicht
wiederholt zu werden. Auf der Suche nach passenden Reimen, die doch nie
den italienischen Reimen entsprechen können, und der dadurch bedingten Wortstellung
im Verse kommen Gebilde heraus, die sich mehr oder weniger weit
von Dantes Kunstwerk entfernen.

Der 5. Gesang der „Hölle" enthält die erschütternde Erzählung der
Francesca und ihrer Liebe zu dem nicht genannten Paolo. Er stellt an jeden
Übersetzer wegen seiner unvergänglichen Schönheit hohe Anforderungen.
Vezin verfehlt die entscheidende Stelle, an der Dante mit vollendeter Künstlerschaft
zum Ausdruck bringt, daß er die schwer geprüfte Frau an den Einzelheiten
ihres erzählten Geschickes erkennt: Francesca. Mit diesem Wort, der
Anrede, mit dem Namen, in dem die Überraschung für den Leser, in dem Mitleid
, Schmerz, Verständnis, in dem unaussprechliche Gefühle zum Ausdruck
kommen, beginnt Dante seine Erwiderung. Um des Reimes willen setzt Vezin
nach anderen Worten „Francesca" an den Anfang des folgenden Verses, was
natürlich die ganze beabsichtigte und erreichte Wirkung der Anrede Dantes,
die zugleich bezeugt: ich habe dich erkannt, zerstört.
Am Ende des Gesanges heißt es bei Vezin:

Sie schwieg. Dem andern aber, sah ich, trieben,

Zum Kinn die Laugen nun im Überschwalle,

Und fiel, als ob, von Herzensnot zerrieben,

Ein Schlagentraffter tot zu Boden falle.

Steht das bei Dante? Ist das eine deutsche Übersetzung? Der Künstler
Dante läßt nur Francesca sprechen, während der andere Geist so sehr weint
(die Übersetzung „trieben zum Kinn die Laugen" kann das inhaltschwere
Wort „weinen" niemals ersetzen und ist zunächst überhaupt unverständlich),
„daß ich aus Mitleid (nicht Herzensnot, das ist etwas ganz anderes) ohnmächtig
wurde, als ob ich stürbe, und ich fiel nieder, wie ein toter Körper fällt" (der letzte