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Ausgabe:

1951 Nr. 12

Spalte:

725-726

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Günther, Herbert

Titel/Untertitel:

Das Seelenproblem im älteren Buddhismus 1951

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 12

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für abgeht, daß sich in Indien wie überall auf Erden die Vorstellungen
der Menschen dauernd geändert haben. Seit Rene
Gu^nons Buch über den Hinduismus ist es in Frankreich anscheinend
üblich geworden, den europäischen Indologen
mangelndes Verständnis für den indischen Geist vorzuwerfen.
Daß an manchen Ansichten und Methoden einer jungen, erst
langsam im Aufbau begriffenen Wissenschaft Kritik geübt
werden kann, ist nicht zu bestreiten, doch hat eine solche
Kritik, wenn sie fruchtbar sein soll, zur unabdingbaren Voraussetzung
, daß der, der sie übt, mit dem Wesen und den Ergebnissen
der Forschung einigermaßen vertraut ist, denn mit
Enthusiasmus allein läßt sich auch hier nichts ausrichten. Es
wäre also besser gewesen, Herbert hätte sich darauf beschränkt
, die Dinge, für die er prädestiniert ist, zu behandeln
und sich nicht darauf eingelassen, solche, die ihm ferner liegen,
zu beurteilen. Die Ubersetzung von Emma von Pelet liest sich
gut; leider haben sich bei der Schreibung indischer Wörter
einige Versehen eingeschlichen; richtig muß es heißen: S. 43
und 45: Gandharvas, S. 67 Darshanas.

Tübingen Helmuth von G!asenapp

Günther, Herbert: Das Seelenproblem im älteren Buddhismus. Konstanz
: Weller [1949]. 157 S. 8° ■= Edition Asoka. Hlw. DM 9.50.

Der Verf., Dozent in Wien, veröffentlicht hier eine Untersuchung
des viel erörterten Ichproblems im Buddhismus, für
die er nicht nur die brahmanischen und buddhistischen Originaltexte
ausgiebig benutzt, sondern zum Verständnis des
buddhistischen Heüsprozesses und der entsprechenden Heilslehren
auch die Psychologie von C. G. Jung und die Religions-
phänomenologie van der Leeuws heranzieht.

Ohne auf die Argumentation des Verf.s und die mannigfachen
, durch sie aufgegebenen Probleme im einzelnen einzugehen
, sei nur festgestellt, daß die Untersuchung darauf hinausläuft
zu zeigen, daß die buddhistische Auffassung von der
„Seele" der in den Upanishaden vorliegenden in mancher Hinsicht
verwandt sei. Auch im älteren Buddhismus werde ein
letztes Selbst des Menschen angenommen, in dessen letzter
Tiefe (als „Seelengrund") das Nirväna ruhe.

Bekanntlich leugnet der Buddhismus das „Ich" (attä), wobei nun kontrovers
ist, was Buddha mit „attä" meint. Man hat darunter nicht nur das
empirische Ich verstanden, sondern auch die individuelle Seele, wie sie als
Stman in den Upanishaden bekannt ist. O. will nun zeigen, daß auch Buddha,
der die empirische Erscheinungswelt einschließlich des empirischen Ich in vergängliche
Zusammenballungen der Dharma-Elemente auflöst, gleichwohl einen
ätman im Sinne des Brahmanismus nicht geleugnet habe. In dem bekannten
mit Bezug auf den Körper und die übrigen „Gruppen" der Daseinsfaktoren
vielfach ausgesprochenen Satze: „Das gehört nicht mir, das bin nicht ich,
das ist nicht mein Selbst" (Majjh.Nik. 8; 10; 28 und sonst) sieht G. die Voraussetzung
zugrunde liegen, daß es doch eben ein Selbst geben müsse, wenn
jene Erscheinungen nicht mit ihm identisch sein sollen. Nach Günthers m. E.
anfechtbarer Interpretation ist das Unbewußte im Sinne Jungs als ätman anzusehen
und in dessen Tiefe der Seelengrund als nirväna. Der Heilsprozeß des
Eingehens ins Nirväna ist demnach nur ein psychologischer Vorgang.

H. v. Glasenapp hat sich in einer jüngst erschienenen Akademieschrift
„Vedänta und Buddhismus" (Mainz 1950) mit diesem Buche und ähnlichen,
den Buddhismus hinsichtlich der Seelenvorstellung in die Nähe des Vedänta
bringenden Deutungen (J. G. Jennings, O. Mensching) auseinandergesetzt und
sie abgelehnt. Nach v. Glasenapp gibt es im Buddhismus nur die „in Abhängigkeit
" auftauchenden und wieder versinkenden Dharma-Elemente und davon
grundsätzlich geschieden das unbedingte Nirväna. Alles aber, auch das Nirväna
, ist „ohne Selbst". Mit dieser Erklärung läßt sich aber in keiner Weise
verständlich machen, wie ein „Eingehen ins Nirväna" vorgestellt werden soll,
wenn zwischen der Erscheinungswelt In ihrer metaphysischen Tiefe und dem Nirväna
keinerlei Zusammenhang besteht und das Nirväna dennoch eine positive
Größe ist. Wenn v. Glasenapp ferner S. 1022 die Stellen, an denen bei Günther
anattan oder anatta mit „ist nicht der ätman" übersetzt wird, mit „ein
ätman" wiedergeben will, so bleiben doch die oben zitierten Stellen unerklärt
, an denen deutlich von „mein Selbst" usw. die Rede ist. v. Glasenapp
macht mir gegenüber geltend, daß nirgend im Pälikanon von einem Ursein
die Rede sei, das sich zerspalten habe. Demgegenüber muß man nun sagen,
daß eine derartige hinter der empirischen personalen Erscheinungswelt
stehende undifferenzierte Einheit doch,aus dem Gesamtverständnis des
Buddhismus speziell aus dem als Heilsziel erstrebten undifferenzierten und
bewußtlosen Nirväna erschlossen werden darf. Aus der Art, wie in den buddhistischen
Texten das Nirväna umschrieben wird, d. h. aus dem, was in ihm
negiert wird, läßt sich erkennen, weshalb eben dasselbe innerhalb der Erscheinungswelt
negativ als „Leiden", d. h, als Unheil bewertet wird: die Indivi-
dulertheit der Erfahrungswelt ist Unheil vom nichtindividuierten „Ursein" aus.
Derartige Erwägungen hat bereits H. Oldenberg (Buddha, seine Lehre und
seine Oemeinde. 1923. S. 302) angestellt, wenn er schreibt: „Aber ist es in den
Vorstellungssphären, die wir hier betrachten, ausgeschlossen, daß hinter aller
auf diese Welt sich richtenden, bejahenden oder verneinenden Erkenntnis in

unbestimmtem Lichtschimmer die Möglichkeit jenseitiger, für die Sprache alltäglichen
Denkens unausdrückbarer Mysterien empfunden wurde?" Aber noch
deutlicher vertritt der von v. Glasenapp zitierte O. Rosenberg (Probleme der
buddhistischen Philosophie. 1924. S. 70) einen ähnlichen Standpunkt: „Er
(der Buddhismus) verneint das ,Ich' der ersten Person; er verneint auch das
,Ich' der anderen Menschen. Das alles ist Illusion. Verneint er aber auch die
Realität des Absoluten? Nein, er verneint sie nicht, aber er hält das Absolute
für unerkennbar, .geheimnisvoll'", und an anderer Stelle (a. a. O. S. 73) nennt
Rosenberg die empirische Persönlichkeit und ihr Leben „eine der unzähligen
kurzen Perioden, welche die jeder Persönlichkeit und deren Welt zugrunde
liegende absolute Unterlage erlebt".

Um wieder auf das Buch von H. Günther zurückzukommen, so scheint
mir die Grundthese, daß es auch im Buddhismus ein jenseits aller empirischen
Erfahrung liegendes „Selbst" im Sinne des ätman der Upanishaden gibt, dahin
modifiziert werden zu müssen, daß hinter der Individuellen „Wirklichkeit"
einschließlich des „Ich" eine absolute und reale, numinose, mit empirischen,
individualisierenden Kategorien jedoch unaussagbare Oröße „ganz anderer"
Modalität des Seins steht. Damit aber soll nicht gesagt sein, daß die einseitige
an Jung orientierte Psychologisierung des Buddhismus und seines Heilsprozesses
dem Religionscharakter des Buddhismus gerecht wird.

Boml Gustav Mensching

Schenkel, Gotthilf: Mahatma Gandhi. Leben und Werk. Stuttgart:
Deutsche Verlagsanstalt [1949J. 348 S. 8°. Hlw. DM9.80.

An Büchern, die in das Leben und Werk Gandhis einführen
, ist kein Mangel. Grundlegende Bedeutung für die
Gandhi-Forschung hat die 1950 im Verlag Mohr, Tübingen, erschienene
Untersuchung W.E. Mühlmanns „Mahatma Gandhi.
Der Mann, sein Werk und seine Wirkung. Eine Untersuchung
zur Religionssoziologie und politischen Ethik". Das
Buch Schenkels, des württembergischen Pfarrers und derzeitigen
Kultministers für Nordwürttemberg-Baden, ist keine
wissenschaftliche Monographie, sondern ein sehr eindrucksvolles
Bekenntnis zum Mahatma, dessen Zielen sich der Verf
aufs innigste verbunden weiß. Diese Verbundenheit hat ihre
Bestätigung in einem Gespräch gefunden, das Sch. 1931 zu
Lausanne mit Gandhi gehabt hat, obschon er zugibt, daß der
Inder „nichts anderes gesagt hat, als was jeder aus seinen
Schriften und aus seinem Lebenswerk auch entnehmen kann"
(S. 293). Sch. schildert Leben und Werk Gandhis, seine „Wurzeln
und Anfänge", seine Tätigkeit als „Rechtsanwalt und
Anwalt des Rechtes in Südafrika (1893—1914)", schien Kampf
um „die Wiedergeburt Indiens seit 1914" sowie „um die Freiheit
Indiens (1914—1948)" auf Grund seiner „köstlichen"
Autobiographie. Den Schluß seiner Darstellung bilden ein
Blick auf die letzten Jahre Gandhis, seine Gegenüberstellung
mit der „deutschen Katastrophe" und eine zusammenfassende
Würdigung seiner Persönlichkeit, seines Werkes und seiner
Bedeutung. Bei aller Ergriffenheit, mit der Sch. schreibt
bleibt sein Urteil sachlich-nüchtern. Er verschweigt nicht, daß
G. bewußter Anhänger des Hinduismus war, und daß die'viel-
gerühmte Toleranz des Hinduismus „ein Offenstehen für Synkretismus
" ist, daß G. sich jeder hinduistischen Vergottung
seiner Person widersetzt hat, und „daß Gott uns durch die
Persönlichkeit und das Werk Gandhis richtet" (S. 345). Seine
Sicht des Christentums in seinem Verhältnis zu den geschichtlichen
Religionen bleibt in einem Blickkreis befangen, den
van der Leeuw als „liberales westeuropäisches Christentum"
bezeichnet hat.

Tübingen Gerhard Rosenkranz

Ladner, Max: Gotamo Buddha. Sein Werden, seine Lehre, seine Gemeinde
. Dargestellt an Hand des Päli-Kanons. Zürich: Rascher 1948.
396 S. m. 1 Abb., 1 Taf. 8°. Lw. DM 20.—.

L. bezeichnet „das vorliegende Werk als einen Versuch,
die vom Buddha erkannten Wahrheiten, möglichst mit seinen
eigenen Worten, dem westlichen Leser nahe zu bringen". Ein
jeder solcher Versuch ist, zumal wenn er in so reicher Fülle
und guter Auswahl religionsgeschichtliches 0.uellenmaterial
verwendet, wie dies in L.s Darstellung der Fall ist, zu begrüßen
. Zu bedauern ist, daß L. sich in die Reihe derer stellt,
die — wie die von ihm viel zitierten P. Dahlke und K. E. Neumann
— durch ihre Arbeiten über den Buddhismus den Westen
für eine Religion gewinnen wollen, die so, wie sie sie darstellen
, selbst in den Hinayana-Klöstern nicht mehr existiert.
L. schreibt von den „buddhistischen Missionaren": „Sie werden
in nicht allzu ferner Zukunft auch den Westen erobern,
denn auch der Westen wird langsam reif für die Religion der
Vernunft, die mit ihrem Wissen und ihrer unendlichen Güte
dem Menschen alles bringt, was er sich an religiöser Einsicht
nur wünschen kann" (S. 59). Solche Erwartung führt dann