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Ausgabe:

1951 Nr. 11

Spalte:

680-682

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wolfson, Harry

Titel/Untertitel:

Philo 1951

Rezensent:

Schoeps, Hans-Joachim

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Seite 1, Seite 2

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679

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 11

680

in Kürze auch sprachgeschichtlich hergeleitet würden. Im vorliegenden
Wörterbuch steht hinter dem Wort in Klammem,
aus welcher Sprache es kommt, gelegentlich auch die
wörtliche Ubersetzung, und nur sehr selten ist die Herkunft
sprachgeschichtlich erklärt. Das Buch leistet eine dankenswerte
Hilfe!

Adelberg Kr. Göppingen Friso Melzer

ALTES TESTAMENT

Katz, Peter, Ph. D.: Philo's Bible. The aberrant text of Bible quotations
in some Philonic writings and its place in the textual history of the Greek
Bible. Cambridge: Cambridge University Press 1950. XII, 161 S. gr. 8°.
25 s.

Peter Katz, der tief in die Philologie, besonders in die
Textgeschichte, der Septuaginta eingedrungen ist und der die
Klärung der diesbezüglichen, oft recht verwickelten Probleme
zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, im wahrsten Sinne des
Wortes in all diesen Dingen „lebt", beschert uns hier zu unserer
Freude ein neues Buch, in welchem er die Textform untersucht
, die Philo in seinen alttestamentlichen Zitaten verwendet
. Die handschriftliche Uberlieferung dieser Zitate ist nämlich
nicht einheitlich, so daß wir es mit einer deutlich erkennbaren
Nebenüberlieferung zu tun haben, die von dem LXX-
Wortlaut (aber auch sonst) der Hauptgruppe abweicht; auf der
einen Seite codd. MAP u.a., auf der anderen UF u.a. Diesen
Umstand benutzt nun Katz, Licht in die Uberlieferungsgeschichte
der LXX hineinzutragen.

Ergänzungen zu „Philo's Bible", die übrigens ein Teil eines größeren
Werkes ist, dessen Veröffentlichung für später in Aussicht gestellt ist, bietet
ein im Jahre 1948 an verschiedenen Orten (Basel, Freiburg i. Br., Mainz,
Bonn, und mit Abänderungen, in Cambridge) gehaltener Vortrag über „Das
Problem des Urtextes der Septuaginta" (erschienen in „Theol. Zeitschr.",
5. Jg., H. 1, Jan./Febr. 1949, Basel; in deutscher Sprache).

Sein Buch teilt K. in drei Hauptabschnitte ein: I The
Evidence, II The Results, III The History of the Problem. Da
es infolge Raum- und Zeitmangels leider unmöglich ist, den
reichen Stoff nach Gebühr erschöpfend vorzuführen, muß ich
mich darauf beschränken, einen kurzen Uberblick zu geben.

Im I. Teil, the evidence — also wohl gleich „Bezeugung"
oder, worauf ich von befreundeter Seite aufmerksam gemacht
werde, „Beweismaterial"; vielleicht könnte man diesen Teil
„Tatbestand" nennen — geht K. von der Tatsache aus, daß
eine von Philo verwendete Stelle häufig als Lemma einen andern
griechischen Wortlaut zeigt als in der sich anschließenden
erklärenden Ausführung (exposition). Einige Gründe für
Lemma-Änderungen deutet Katz S. 4L kurz an.

Auf S. 5 -92 bespricht dann K. an Hand einzelner Philo-Abhandlungen
gründlich und mit innerer Anteilnahme diesen in
einer übergroßen Zahl von Beispielen — überwiegend aus der
Genesis — zu Tage tretenden, von der gewöhnlichen LXX abweichenden
Bibeltext. Dabei unterscheidet er drei Fälle: 1) Die
abweichende Gruppe (the aberrant Group) wird vertreten
durch die Philo-Handschriften U und F, entweder allein oder
in Verbindung mit anderen Handschriften; 2) die abweichende
Gruppe wird vertreten durch andere Handschriften als UF;
3) Die Untergruppe hat sich allein durchgesetzt. Weitaus die
meisten Beispiele kommen auf Nr. 1.

Gewissenhaft werden die einzelnen Stellen unter die Lupe
genommen. Das gibt zu mancherlei Bemerkungen Anlaß, besonders
in sprachlicher, aber auch in anderer (historischer, kulturgeschichtlicher
) Hinsicht.

Von Interesse dürfte die Notiz S. 11 über rtooagas und rerTa^as (Gen.
2, 10) sein: im eigentlichen Zitat bedient sich Philo der sprachlichen Form, wie
sie seine LXX bietet (reooapas)1, in der Erklärung dagegen (exposition) der
attischen (rertapas). Treffend sind auf derselben Seite die Beobachtungen über
ii> fiearp c. dat. und c. gen. (Gen. 2, 9: iv fieor» roj napabeiom Philo-Hss.
MAP, iv ficaot roxi napabelaov UFL). Mich persönlich erfreuen vom allgemein
sprachlichen Standpunkt aus die Ausführungen über Setzung und Auslassung
von Xaßdiv (Katz, S. 9).

Auch ist Katz in der Lage, sich auf seinem Lieblingsgebiet
zu betätigen und mit Hilfe seines bewundernswerten Scharfsinnes
eine Anzahl Verbesserungsvorschläge vorzulegen, hier
und da verstreut. Die in Betracht kommenden Kapitel und
Verse der Bibel hat er aber am Schluß seines Buches in einer
Liste zusammengestellt. (In diese Liste sind u. a. auch die nicht
wenigen Belege bei Philo aufgenommen, die K. zu emendieren
sich bemüht.) Es wäre gewiß eine lohnende Aufgabe, diese

') Bezeichnenderweise hat „the aberrant text" (UFL) tirrapas.

Emendationsversuche genau nachzuprüfen; doch würde dies
eine Sonderuntersuchung erfordern.

Der II. Teil handelt von den Ergebnissen (the results). Das
Hauptergebnis, zu dem ihn die sorgfältige Analyse der einzelnen
Stellen geführt hat, ist, wenn ich recht sehe, für K., daß
der von der gewöhnlichen Überlieferung abweichende Text eine
verlorene Rezension des Pentateuchs darstellt. Der Weg zu
dieser kühnen und wahrscheinlich nicht von jedem geteilten
Meinung geht über die im ganzen einleuchtende Feststellung,
daß „der abweichende Text" eine Rezension des Philo-Textes
ist. Ein Analogon zu der verlorenen Pentateuch-Rezension findet
K. in den Textverhältuissen in Ruth, die Rahlfs in seiner
1922 erschienenen Studie über das Buch Ruth eingehend dargestellt
hat.

Höchst willkommen ist der III. Hauptteil (the history of
the problem). Hier werden wir mit einigen Vorläufern bekannt
gemacht, die sich gleichfalls mit der eigenartigen Philo-Uber-
lieferung und mit dem Verhältnis zur LXX befaßt haben; auch
wird das (damit zusammenhangende) Problem des Urtextes
der LXX berührt. Manche Namen, wenigstens in diesem Zusammenhang
, wird man hier zum erstenmal hören. Katz untei-
scheidet drei Kreise:

1. Gelehrte um Mangey. Dazu gehören Mangey selbst, der
1742 in London eine epochemachende Philo-Ausgabe in zwei
Bänden veröffentlicht hat. Sodann ein anonymer Rezensent
von Mangey (Amsterdam 1744), K. vermutet ein Deutscher.
Ferner der Westfale Peter Wesseling, Professor in Utrecht
(1748), und der Däne Claus Frees Hornemann (1751—1830).
2. Zu einer zweiten (Zwischen-) Gruppe (intermediate) rechnet
K. Carl Siegfried (1873, Aufsätze in Zeitschr. für wissensch.
Theologie) und Herbert E. Ryle (Philo and Holy Scripture or
the Quotations of Philo from the Books of the Old Testament
1895). 3- Den dritten Kreis bezeichnet K. als „Um Cohn und
Wendland". Zunächst behandelt er ziemlich ausführlich Eberhard
Nestle, dann, ebenfalls auf breiter Grundlage — unter der
Rubrik „Nachmahd" (aftermath) — erst Gercke (de Philonis
Alexandrini Vetere Testamento, Oreifswald 1907) und seinen
Schüler Schröder, dann Paul Kahle, der ja bekanntlich zu der
Frage, ob es möglich ist, den Urtext der LXX zu rekonstruieren
, anders stellt als Katz (und Rahlfs); ob mit Recht, möchte
ich einstweilen noch dahingestellt sein lassen.

Den Schluß von Katz' Philo's Bible bilden einige Exkurse
über den Plural ovgavoC, über das „Himmelsheer (0173Tun ittX)"
und seine griechischen Wiedergaben, über die Form free im
Anschluß an Jacob Wackernagels schöne und lehrreiche
Göttinger Programmschrift „Uber einige antike Anredeformen
" (1912). Ferner untersucht K. die Wiedergabe von ron
durch fjöe, den Wechsel Aßgaafi — Aßgaß und Zagga — Eaga
und knüpft an die Wörter ßagvxäaftai, yQrjyogoig und xa/i/ivco
interessante grammatische Beobachtungen und Erwägungen.

Wenn sich auch Katz sichtlich um einen klaren und straffen
Stil bemüht, so liest sich sein Buch nicht an allen Stellen leicht.
Das liegt m.E. daran, daß Englisch nicht seine Muttersprache
ist und daß er manchmal in die einzelnen Ausführungen zuviel
an Stoff und Gedanken hineinbringt, wodurch die Darstellung
an Klarheit und Übersichtlichkeit verliert. Groß ist seine Bc-
lesenheit und seine Literaturkenntnis, besonders was die älteren
Zeiten anlangt.

K. führt uns vor Augen, daß man die LXX-Problcni"
(aber auch die masoretischen) nicht etwa divinatorisch und
diktatorisch entscheiden darf, sondern daß zu ihrer Lösung
viel Fleiß, Geduld und Einsicht erforderlich ist. Wir wünschen
dem rührigen Verfasser weiterhin Glück und freuen uns auf
seine nächsten Untersuchungen.

Berlin Martin Johannessohn

Wolfson, Harry Austryn, Prof.: Philo. Foundations of Religious Philo-
; sophy in Judaism, Christianity and Islam. Vol. I and II. Second printlng,

revlsed. Cambridge: Harvard University Press 1948. XVI, 462 S. u. XIV,

531 S. gr. 8°. Lw. % 12.50.

Um den Ort dieses Standardwerkes innerhalb der verzweigten
Philoforschung richtig zu würdigen, muß man darauf
achten, daß es den vorabgenommenen zweiten Teil eines Riesenwerkes
„Structure and Growth of philosophic Systems from
Plato to Spinoza" darstellt, während ein dritter und vierter Teil
dem Mittelalter und Spinoza gelten werden. W., der durch grüml-
liehe Arbeiten zur jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters
, zumal Ch. Crescas, bekannt ist, sieht in Philo eine Art
jüdischen Kirchenvaters der mittelalterlichen Philosophie
jüdischen, christlichen und islamischen Gepräges. Er gilt ihm
als ein dogmatisierender Systematiker von großer Konzeption
, nur etwa Spinoza vergleichbar; ja er feiert Ph. als
„the greatest philosophic preacher that has ever lived" (I, 98) (