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Ausgabe:

1951 Nr. 11

Spalte:

677-678

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Jahrbuch des Martin-Luther-Bundes 1951

Rezensent:

Heinzelmann, Gerhard

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677

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 11

678

mit den alten Gesangbüchern am alten Glaubensstandpunkt,
schon regte sich an manchen Orten Neues, aber das Alte wieder
aufnehmendes. Die Redaktion bot selbst ein Bild dieser Zwiespältigkeit
: neben Hänlein, dem Rationalisten, der Verehrer
Luthers, Niethammer. Darum war es auch seinem Inhalt nach
ungleichartig; es konnte seiner Aufgabe nicht gerecht werden.
Darum erhoben sicli auch bald die Stimmen, die Abänderung
forderten. Aus den Akten des alten Oberkonsistoriums führt
uns nun die Verfasserin dieses Gewirr von Vorschlägen, wie
sie auf Synoden und in Streitschriften auftauchten, vor Augen.
Ks war ein Kämpfen von Alt und Neu und erst dann konnte
es zu einem Abschluß kommen, als die geistige und religiöse
Struktur des Landes sich geklärt und eine Einheit gefunden
hatte. Dann stand aber — 1844 — der Weg klar vor Augen:
Herausgabe eines neuen Buches. — Die Artikel beruhen alle
auf gründlicher Durchforschung der Akten staatlicher und
kirchlicher Archive. Die Regierungsakten der bayrischen
Kreisregierungen hätten vielleicht noch Ergänzung bieten
können; sie befaßten sich ja mit jedem Verein; die Akten
sind heute noch im Gebrauch.

Nürnberg Karl Schornbaum

Jahrbuch des Martin Luther-Bundes 1947. Hrsg. in Nachfolge von Ober-

kirchenrat Christian Stall t durch Pfarrer Paul Muth. München: Neubau-
Verlag 1947. 136 S. 8°.

— 1948. Hrsg.: Oberkirchenrat D. Thomas Breit, Bundesleitcr. Ebda.
1948. 136 S. 8°. Kart. DM3.60.

— 1949/50. Martin Luther-Bund, Erlangen. 8°.

Die Jahrbücher des Martin-Luther-Bundes, von denen die
drei letzten hier zu besprechen sind (1947 zitiert I, 1948 zit. II,
I949/50 zit. III), verfolgen, den Grundsätzen des lutherischen
Diasporadienstes gemäß, einen „missionarischen" Zweck.
„Missionarisch" soll im Unterschied zu „diakonisch" nach den
Begriffsbestimmungen von D. Ulmer, dem Begründer des Martin
Luther-Bundes (1932), alles heißen, was lutherischen Glauben
im Sinne des Bekenntnisses stärken und vertiefen kann.
Den Inhalt dieser Jahrbücher bilden demgemäß nicht Aufsätze
, die sich speziell mit Diasporaangelegenheiten beschäftigen
, sondern Beiträge lutherischen Zeugnisses und lutherischer
Theologie. Daneben unterrichten die Jahrbücher am
Rande über die Organisation und Arbeitsmöglichkeiten des
Martin Luther-Bundes, geben aber nicht eigentlich einen
Arbeitsbericht.

Aus der Fülle der Beiträge seien einige nach Problemen
geordnet herausgehoben.

1. „Was muß sich die lutherische Kirche heute sagen
lassen ?" — unter diesem Thema erörtert Ernst Kinder (III,
83 ff.) sozusagen in einer Generalübersicht die Vorwürfe, denen
sich die lutherische Kirche in der Gegenwart ausgesetzt sieht:
„Lutherischer Konfessionalismus und Separatismus, luth.
Engstirnigkeit und Eigenbrödelei, luth. Traditionalismus und
Objektivismus, luth. Klerikalismus und Autoritarismus sind
vor dem Forum der Christenheit auf die Anklagebank gezogen
" (III, 87). Der Verf. will sich diesen Anklagen stellen,
gibt auch unumwunden zu, daß die luth. Kirche, ja gerade sie,
stets zur Buße bereit sein muß, aber er sieht die Erledigung
aller dieser Vorwürfe darin, daß die luth. Kirche noch viel
echter und freudiger „sie selbst" sein muß (III, 96), d. h. aber,
daß sie noch ernster ihre Bekenntnisse wahrnehmen muß,
denn sie ist, was sie ist, „nicht durcli dies oder jenes, sondern
allein durch ihr Bekenntnis" (III, 93). „Das Bekenntnis ist
(aber) inhaltliche Berufung auf die Heilige Schrift" (III, 94).
Die Heilige Schrift aber hat ihre Mitte in der Rechtfertigung
(vgl. Hermann Dietzfelbinger, Die Rechtfertigungslehre
als Mittel der Verkündigung, II, 96 ff.) im Sinne des solus
Christus, sola gratia, sola Ilde'. „Die Existenzberechtigung
einer besonderen luth. Kirche innerhalb der Christenheit steht
und fällt" mit der Notwendigkeit, das noch besonders zu betonen
(die gleiche Betonung in der Präambel der Neuordnung
der APU von 1950!).

Die Vorwürfe gegen die luth. Kirche, die Kinder im Ganzen
erwähnt hatte, werden in anderen Artikeln im Einzelnen
weiter behandelt, so die Auseinandersetzung mit dem Pietismus
. Vgl. Paul Fleisch, Die luth. Kirche und der Pietismus
(III, i02ff.), und Paul Schattenmann, Zum Verständnis
des luth. Pietismus (III, inff.). Beide kommen zu einer Ablehnung
des Pietismus, die Schattenmann noch etwas freundlicher
als Fleisch so formuliert: „Luthertum und Pietismus
(sind) letztlich doch zwei verschiedene Ausprägungen christlicher
Frömmigkeit". „Daß zwischen beiden eine fruchtbare
Spannung besteht, ist die Verheißung, die über ihnen aufleuchtet
. Das Luthertum wird sich durch den Pietismus immer
wieder daran erinnern lassen, daß nicht die Lehre, sondern

das Leben den Menschen zum Christen macht. Fides nunquam
sola (Melanchthon)" (III, 117). Vgl. auch den Artikel von
Georg Merz, Der geschichtliche Ort der Kirche, III, I9ff.,
besonders S. 24L, und den feinsinnigen Beitrag von Hanns
Lilje, „Du bist nur eine Stimme . . . weiter nichts", III, 75 ff.

2. Einen breiteren Raum nehmen Abhandlungen ein, die
sich mit dem Problem Staat (Obrigkeit) und Kirche beschäftigen
. Ich nenne Woldemar Schilberg, Rom. 13 (I,
96ff.), Hermann Steinlein, Luthers scharfer Abgrenzung des
Gehorsams gegen die Obrigkeit (II, i4ff.), Walter Künneth,
Weltmacht und Gottesreich in Begegnung (II, 24t.), Max
Keller-Hüschemenger, Die beiden Kreise (II, 35ff.), Paul
Althaus, Die Christenheit und die politische Welt (II, 47ff.),
Hans Aßmussen, Die lutherische Kirche und die vertauschte
Obrigkeit (III, 66 ff.). Hier geht es um das richtige Verständnis
der lutherischen Anschauung von den zwei Reichen. Stark wird
von den verschiedenen Autoren betont, daß die genuin lutherische
Anschauung ebenso weit von einem kritiklosen Servilismus
, wie von dem Irrtum entfernt ist, als dürfe der Christ das
politische Leben seiner Eigengesetzlichkeit überlassen. Interessant
ist, daß Paul Althaus, wie schon in „Obrigkeit und
Führertum", über Luther hinausgehend im Zusammenhang
mit den Problemen des 20. Juli 1944 zu dem Ergebnis kommt:
„Wie immer man konkret über jene Männer und Handeln
urteilt — grundsätzlich kann man im Namen der christlichen
Ethik kein unbedingtes Nein zum Kampfe gegen eine autar-
kische Regierung, zur Revolution als äußerstem sagen" (II,
58). Aßmussen setzt sich in einem geistvollen Beitrag mit
Arthur Frey „Kirchen im Gericht" auseinander, wobei ihm
das Unglück passiert, auf die Basler Staatskirche zu exem-
plizieren, die es seit 40 Jahren nicht mehr gibt. Wertvoll ist
der Hinweis auf die grundsätzliche Gleichsetzung von Untertan
und Obrigkeit seit 1798, die es verbietet, „ohne hinlängliche
Ubersetzung von Rom. 13 und anderen Stellen diese auf
unsere Verhältnisse anzuwenden" (III, 68). Diese grundsätzliche
Gleichsetzung von Obrigkeit und Untertan wird im
autoritären Staat zur Gleichsetzung von Obrigkeit und Volk.
Allen solchen Vertauschungen gegenüber gilt neben dem Gebot
der Unterordnung die Befolgung des von Luther immer
wieder betonten Satzes: „Man muß Gott mehr gehorchen als
den Menschen."

3. Interessant sind auch die Aufsätze, welche die Frage
der Einheit der Kirche zum Gegenstand haben: Paul Fleisch,
Die luth. Diasporaarbeit und die Einheit der luth. Kirche
in Deutschland, I, 21 ff. (Fleisch erörtert die Bedeutung der
luth. Diasporaarbeit für den Zusammenschluß der deutscheu
luth. Landeskirche), Werner Eiert, Das Visitationsamt und
die kirchliche Neuordnung (Eiert tritt für ein Konzil der Visitatoren
ein, II, 66), Max Keller-Hüschemenger, Die Kirche
der Leib Christi in der Welt, III, 43ff. (betont sehr besonnen
„das stete in ihr selbst angelegte Ringen um ihre Gestalt als
Aufgabe in der Welt", also die „Dynamik des Unterwegs").
Hermann Sasse behandelt „die Frage nach der Einheit der
Kirche auf dem Missionsfcld I, 103ff. (er gibt die Antwort:
„Wir sollen dafür sorgen, daß auf dem Missionsfeld alle Spaltung
verschwindet, die überflüssig ist, weil sie nicht aus dem
letzten Ringen um Wahrheit kommt", I, 113).

Zu diesen speziell die luth. Kirche behandelnden Beiträgen
gesellen sich andere mit allgemeineren Themen wie: Walter
Künneth, Das Menschenbild als biologisches und theologisches
Problem III, off., oder Herbert Breit, Probleme alttestament-
licher Exegese II, ioiff., oder Hans Licrmann, Christentum
und Rechtswissenschaft III, ngff. Es würde zu weit führen,
hier alle einzelnen aufzuzählen.

Jedenfalls zeigt die gebotene Übersicht, daß es sich bei
den Jahrbüchern des Martin Luther-Bundes um die Zusammenfassung
aktueller Aufsätze handelt, die nicht nur
einen Ausschnitt der wissenschaftlichen Arbeit deutscher im
luth. Bekenntnis wurzelnder Theologen bieten, sondern überall
Beachtenswertes zur Diskussion wichtiger die evangelische
Theologie gegenwärtig bewegender Fragen beitragen.

Halle/Saale Oerh. Heinzelmann

Hauck, Friedrich: Theologisches Fremdwörterbuch. Göttingen: vanden-

hoeck & Ruprecht 1950. 176 S. 8". Lw. DM6.80.

Dieses Wörterbuch will dein Theologiestudenten dienen,
darüber hinaus aber jedem Gebildeten, der, ohne Fachmann
zu sein, Bücher aus dem Bereich der Theologie wie der Reli-
gionsgeschichte und Religionspsychologie lesen will. Verf. hat
den Bereich der Wörter erfreulicherweise weit gesteckt. So
lesen wir unter I hintereinander: Introitus — introvertiert —
Intuition — Invariata — Investitur — Invokation — Invoka-
vit. Sollte bei einer späteren Auflage etwas mehr Raum zur
Verfügung stehen, so wäre es dankenswert, wenn die Wörter