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Ausgabe:

1951 Nr. 11

Spalte:

673-675

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Widmann, Erwin

Titel/Untertitel:

Bibliographien zum deutschen Schrifttum der Jahre neunzehnhundertneununddreissig bis neunzehnhundertfünfzig 1951

Rezensent:

Steinborn, Erwin

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 11

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u. ä. im Tempel aufstellten, so war das ein Akt der Dankbarkeit
gegen Gott, der ihnen den Sieg gegeben hatte. Wenn
Antiochus mit Gewalt seine Signa auf dem Zion und in den
Synagogen aufpflanzte, so forderte er damit einen Akt der Anbetung
vor den Hoheitszeichen des heidnischen Zwingherrn1.

DSH 6, 6f. sagt von den Kittiim: „Sie legen ihr Joch und
ihre Tributlast auf alle Völker Jahr um Jahr." Die Klage
über die syrischen Tribute und Steuereintreiber gehört zu den
Lieblingsthemen der jüdischen Polemik und Geschichtsschreibung2
.

Man sieht, das Bild der Kittiim in der Habakukrolle
stimmt in allen Zügen zu der Charakteristik der Seleukiden-
herrschaft in der jüdischen Literatur der späthellenistischen
Zeit. Die Erwähnung der alles niedertrampelnden Behemoth

Altsyrien (1951), Abb. 564; Römische Dolichenusdenkmäier bei Leipoldt, Die
Religionen in der Umwelt des Urchristentums (Bilderatlas), Abb. 116ff. Die
obengenannten Münzen findet man im Br. Katalog Selcucids (passim) und bei-
M. Miller, Die Münzen des Altertums (1933), Abb. 199; 204; 218 u. a. m. Auch
der neue Straubinger Schatzfund (1950) zeigt Dolichenosmotive in militärischer
Verwendung.
(Zu Sp. 672):

*) Über israelitische und jüdische Signa s. Gesenius-Buhl s. vv. niN,
'flj °?. llnd K. Galling, Biblisches Reallexikon (1937) s. v. Feldzeichen.
Inzwischen ist wichtiges neues Material hinzugekommen. Vor allem sind hier
die Jerichorollen selbst zu nennen: Das „Buch des Krieges der Kinder des~
Lichtes gegen die Kinder der Finsternis" beschäftigt sich ganz ausführlich mit
der Armeefahne und den verschiedenen Abteilungsstandarten des Lichtheeres,
das gegen die Kittiim usw. kämpfen soll, s. F. M. Cross, The Scrolls in The
Museum in Jerusalem, Bibl. Archaeologist 12,2 (1949), S. 40f. (Man vgl.
Cant r. 13b, wo von den Q-ibyi der himmlischen Heerscharen die Rede ist.)
Und das Exodusfresko der Synagoge von Dura zeigt die zwölf Stammesfahnen,
s. Excavations at Dura-Europos (1936), S. 345f. und Tafel. Das Fresko stammt
aus dem 3. Jahrhundert p. C. und ist natürlich als Zeugnis für das Aussehen
der altisraelitischen Standarten wertlos, spiegelt vielmehr die Vorstellungen
seiner Zeit und stellt die israelitischen Exodusstandarten nach dem Modell der
römischen Vexilla dar. (Cf. Cant r. 24a b, wo die Israeliten am Roten Meer
lagern wie die Römischen Abteilungen mit ihren D^t.) Darin aber liegt
eine religionspolemische Antithetik. Denn in dem gleichen Dura-Europos
prangt in der gleichen Zeit die berühmte Darstellung des römischen Lagerkultus
mit der Opferung vor den Vexilla, die genau so aussehen wie die Vexilla
des Exodusfreskos, s. die Abbildung in Leipoldts Bilderatlas von 1926 Fig. 114.
Man sieht, die Antithetik zwischen jüdischen und heidnischen Signa ist nicht
auf Ps. 74 beschränkt, sondern offenbar ein traditioneller Topos! Aber auch
die Form der römischen und jüdischen Standarten von Dura ist schon in der
Seleukidenzeit bezeugt (s. oben die Münze des Autophradates mit Vexlllum)
und reicht bis In die Achämcnidenzeit zurück (s. oben Klio III).

') An ähnliche Fälle aus der Römerzeit braucht hier nur erinnert zu
werden: Pilatus läßt die römischen Signa auf dem Tempelplatz aufpflanzen,
Caligula befiehlt, seine Standbilder in den Synagogen aufzustellen.

s) Siehe Dan. 11,20; l.Makk. 1,29; 2. Makk. 3, 7 ff.; 11,3 u. ö. Auch
Hiob3, 18 gehört hierher, falls dieser Passus in der Syrerzeit entstanden ist.
Zur Geschichte der syrischen Steuerpolitik s. Jos. Ant. 12,7,2; 13,2,3; 13,
4, 9; 13, 5, 3 und Bikerman a. a. O., S. 106 ff. Das syrische Steuerwesen war
allem Anschein nach unbürokratischer und brutaler als das ptolemäische, über
das uns die Papyri so gründlich Auskunft geben. Einen ptoleinäischen Spezialfall
in Palästina behandelt Jos. Ant. 12,4, lff., vgl. dazu Schürer I, S. 183.
Zur späteren Entwicklung s. H.C. Youtie, Publicans and Sinners (1937).

liefert, wenn unsere Deutung auf die seleukidischen Kriegs-
elephanten zutrifft, das speziellste Charakteristikum. Die
anderen Züge lassen sich zur Not auch auf die Römer oder
andre Machthaber deuten. Aber sie passen am besten auf die
Syrer und ergänzen in diesem Sinne unser Hauptargument.

*

Der Habakukmidrasch bespricht die Kittiim als eine
aktuelle Erscheinung seiner eigenen Gegenwart (2, ioff. u. ö.).
Das spricht für die Entstehung dieser Habakukinterpretation
in der Seleukidenzeit. Versuchen wir mit allem Vorbehalt, die
Zeitgrenzen zahlenmäßig zu bestimmen.

Im Jahre 301 a. C. erfolgte der erste militärische Großeinsatz
syrischer Elephanten in der Schlacht bei Ipsos in
Phrygien1. Seitdem sind die syrischen Kriegselephanten berühmt
und berüchtigt. 301—274 meist friedliche Oberhoheit
der Ptolemäer in Palästina. 274—195 (?) Kämpfe um Palästina
zwischen Ptolemäem und Seleukiden. Seit ca. 195 ist
Palästina seleukidisch. Um 176 schickt Seleukos IV. seineu
Finanzminister (Ini rmv ngay/ndroiv) Heliodor als Steuereintreiber
nach Palästina. 175—163 Antiochus IV. Epiphanes.
Einsatz der Seleukidenflotte gegen Ägypten. Neue Formen des
Herrscherkultus. Zeusreligiou als Reichsreligion und Heeresreligion
. 168/7 Feldzug des Antiochus mit Reitern und Ele-
phantentruppen nach Palästina. Gewaltsame Einführung des
neuen Reichskultus in Jerusalem. Ausplünderung und Aus-
mordung Jerusalems und Judäas. Anno 166 erscheint der
syrische &q-/wv cpoQoXoylag in Jerusalem. Anwerbung von Inseltruppen
. Damit ist die geschichtliche Situation erreicht, die
nach unserer Interpretation in der Kittiimpolemik des Habakukmidrasch
vorausgesetzt ist. Das spricht für das Jahr
166 a. C. als terminus post für die Entstehung der Antikittiim-
Partieu der Habakukrolle.

Vielleicht ist das Spät jähr 166 aber auch schon der terminus
ante für die Entstehung dieser Habakukauslegungen. Denn
noch 166 beginnt die Makkabäische Widerstandsbewegung.
Vielleicht sollte man jedoch einige Jahre weiter hinuntergehen
und den terminus ante auf 141 a. C. ansetzen, das Jahr, in dem
die Seleukidensteuer iti Judäa aufhörte2. Will man ganz vorsichtig
sein, so mag man bis zum Jahre 63 herabgehen. Denn
damals nahm die Seleukidendynastie ihr Ende, und mit ihr
die Glanzzeit der Kriegselephanten. So darf das Jahr 63 a. C.
wohl als spätester terminus ante für die Entstehung unserer
Midraschnotizen gelten.

In Summa: Die Polemik gegen die Kittiim in DSH 3, 9f.
und den anderen Stellen des Habakukmidrasch dürfte aus dem
Zeitraum zwischen 166 und 63 a. C, vielleicht genauer aus der
Zeit zwischen 166 und 141 a. C, womöglich ganz genau aus
dem Jahre 166 a. C. stammen.

Ob andere Indizien für denselben, für einen modifizierten
oder für einen ganz anderen Ansatz sprechen, ob die Habakuk-
auslegung in allen Stücken aus derselben Zeit stammt, wann
die vorliegende Rolle niedergeschrieben, wann sie in der Höhle
untergebracht worden ist — das sind Fragen, die wir hier offen
lassen.

') Zu den Jahreszahlen s. zuletzt H. Bcngtson, Griechische Geschichte
(1951), S. 359ff.; 554ff.

2) Siehe Jos. Ant. 13, 6, 6 u. a. m.

ALLGEMEINES

Widmann, Hans: Bibliographien zum deutschen Schrifttum der Jahre
1939—1950. Tübingen: Niemeyer 1951. XII, 284 S. gr. 8°. DM30.—.
Das wissenschaftliche Schrifttum ist in solchem Umfange
angewachsen, daß kaum jemand die Literatur seines Fachgebietes
überschauen kann, vor allem die Zeitschriftenaufsätze.
Als Hilfe bieten sich nun Bibliographien an, d. h. Literaturzusammenstellungen
, die das Schrifttum eines Landes, eines
Fachgebietes, über eine Gegend, einen Ort oder eine Person
verzeichnen. Sie sind oft bloße Titellisten von Büchern und
Aufsätzen; manche bringen erläuternde bzw. kritische Anmerkungen
zu den Titeln; andere erscheinen als Forschungsberichte
. Aber wie wenig bekannt sind sie und wie wenig werden
sie benutzt, zumal da im akademischen Unterricht nicht
genügend auf sie hingewiesen wird. Wieviel wertvolle Literatur
bleibt dem Forscher unbekannt und wieviel Zeit, die mit
dem Suchen nach Literatur verschwendet wird, könnte gespart
werden, wenn den Suchenden die allgemeinen und Fachbibliographien
bekannt wären!

Ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, die Bibliographien zum
deutschen Schrifttum vom Beginn des zweiten Weltkrieges bis
zum Jahre 1950 kennenzulernen, ist das Buch des Bibliotheks-
rats an der Universitätsbibliothek Tübingen Dr. Hans Widmann
. Im ersten Hauptteil verzeichnet dieses Werk die internationalen
Allgemein-Bibliographien, die nationalen Bibliographien
, die Bibliographien deutscher Ubersetzungen die
regionalen, Personal- und Fachbibliographien. Dieser letzte
der umfangreichste Teil des Werkes, gliedert sich In Geisteswissenschaften
, Mathematik und Naturwissenschaften, Medizin
Land- und Forstwirtschaft, Technik und Sport. Nicht nur
selbständige Bibliographien werden genannt, sondern auch
Zeitschriften und Referatenblätter, soweit sie laufend systematische
Bibliographien enthalten, ferner Forschungsberichtc
mit Literaturverzeichnissen und Handbücher, soweit sie Literatur
bringen. Der zweite Hauptteil gibt einen Uberblick über
die deutsche bibliographische Situation der Gegenwart.

Das Sammeln, Verzeichnen und Ordnen des weit verstreuten
Materials ist in mustergültiger Gründlichkeit erfolgt.
Das verdient um so höhere Anerkennung, als die Arbeit unter
den schwierigen Verhältnissen der letzten Jahre entstand. Nur