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Ausgabe:

1951 Nr. 11

Spalte:

667-674

Autor/Hrsg.:

Stauffer, Ethelbert

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1951

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 11

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Wird ein toter Mensch aber mit Osiris verglichen, so erwartet
man nach anderen Zeugnissen, daß es aus Jenseitsmystik
und Auferstehungsglauben geschehe, die an ihn angeschlossen
wären. Hier ist kein Anhaltspunkt. Die ganze Anlage
der Inschrift geht nur auf Tod und Klage. Darüber hinaus
führt kein Gedanke. Von Anfang bis Ende bestimmt der
Schmerz über das untergegangene, abgebrochene, unerfüllte
Leben, und kein Strahl von Hoffnung auf neues erquickt.
Auch mit Adonis besteht nur die Gemeinsamkeit des Todes.
Er war auch bei ihm das Letzte nach diesem Zeugnis. Seine
zweite Erwähnung rundet das trübe Bild nur noch ab, ja sie
trägt dazu die stärkste Farbe auf. Sie bietet auf epigraphi-
schem Gebiete den einzigen ausdrücklichen Beleg der sonst
soviel bezeugten Adonisklage. Sie kennen wir als kultischen
Brauch. Hier ist sie mythische Verrichtung. Nach den mannigfaltigen
Zeugnissen wird sie hauptsächlich von Frauen ausgeübt
. Hier geben sich ihr in poetischer Übertreibung alle
Menschen und sogar alle Götter hin. Sie wäre aber nicht in
diese Dichtung gekommen, wenn nicht die dortige Wirklichkeit
eine deutliche Anschauung von ihr geboten hätte. Tatsächlich
ist sie für jene Welt eindrucksvoll belegt. Hier gibt
sie aber nur ein ästhetisches Motiv ab. Eine mystische Verbindung
des Toten mit Adonis ist nicht vollzogen. Auch die
(rleichsetzung mit einem Stern (Z. 7/8) ist keine Glaubensäußerung
. Sie führt ja schon die Gedanken in die Tiefe und
nicht in die Höhe — mit dem Bilde von einem, der aus der
Reihe der aufstrahlenden heraus- und heruntergerissen
wurde.

So fehlt überall eine innerliche und persönliche Verbindung
, die zu Glauben und Hoffen führen würde. Dabei ist die
Trostlosigkeit doch nicht durchaus die Stimmung der hellenistischen
Zeit, aber das Zeugnis hier offenbart die Eigenart
ihrer Menschen, daß sie gern weinen. Diesen bezeichnenden

Zug verdeutlicht es auch für betont griechische Kreise. Nicht
nur in ihrer Umwelt bricht Gemütsweichheit so durch.

Ein Zeichen der Anschauung, daß das Leben doch nach
dem Tode fortgehe, könnte allerdings in der Tatsache des
Familiengrabes liegen, und wenn Herakleides und Herais Ehegatten
wären, im besonderen in ihrer gemeinsamen Beisetzung.
Denn dahinter ließe sich der Glaube vermuten, daß das Beisammensein
weiterbestände und dafür hier die Behausung errichtet
wäre. Aber die gemeinschaftliche Bestattung braucht
(wie bei uns) nur Ausdruck des Zugehörigkeitsbewußtseins zu
sein, das sich auch die endgültige Ruhe nur an der gleichen
Stätte denken kann und dort beide zum Besuche finden will.
Die Errichtung eines Familiengrabes aber erfolgt schon um des
Namens willen.

Das letzte Lebewohl spricht dem Toten weder mit dem
Wunsche noch mit der Anschauung, daß er es gut habe (Z. 15
— Z. 16), notwendigerweise ein lebensvolles Dasein zu, vielmehr
Ruhe der Seele, und die Formel ist zu konventionell geworden
, als daß ihr noch besondere Tiefe beizumessen wäre.
Die Vokative (Z. 16 a; [15;] 16 b) nennen obendrein nur, was
die Jungfrau ihrem Vater dem Namen [,der Verwandtschaft]
und dem Wesen nach einst war, und blicken damit allein auf
Vergangenes; das letzte Wort (Z. 17) bekräftigt es [ebenso
schon die Altersangabe (Z. 15)]. Die Anrede an die verstorbene
Person — ein Brauch, der auch in dieser Welt häufig ist —
gilt keiner weiterlebenden. Schon dem Sohne widmen die au
ihn persönlich gerichteten Sätze (Z. 5. 6) nur eine Todesbetrachtung
. Ein Trost wird nirgends gegeben.

So ist diese Grabschrift den Lebenden keine Hilfe zur
Frömmigkeit. Sie will es auch gar nicht sein; denn sie spricht
bewußt nicht zum Herzen, sondern zum Gefühl, — ein typisch
hellenistisches Zeugnis, — ein Dokument des antoninischen
Ägyptens!

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

19. Zur Frühdatierung des Habakukmidrasch

Von Ethclbert Stauffer, Erlangen

D. Albrecht üepke zum 70. Geburtstag

Miliar Burrows hat in einem umsichtigen und temperamentvollen
Aufsatz in der Aprilnummer des BASOR mit
Recht darauf hingewiesen, daß wir von einer sicheren Datierung
der Jerichotexte noch weit entfernt sind1. Noch muß die
Sammlung und Auswertung der Indizien unermüdlich weitergehen
. Und kein Kriterium, kein Datierungsverfahren darf
außer Acht bleiben. In diesem Sinne mag hier eine kleine Notiz
aus der Habakukrollc besprochen werden, die m. W. für die
Datierung des vielumstrittenen Midrasch bisher noch nicht
herangezogen worden ist.

DSH zitiert in Kol. 2 f. das Prophetenwort von den Eroberungszügen
der Chaldäer (QiNToa), die mit ihren Rossen
und Reitern die Völker in Schrecken halten (Hab. 1, 6ff.) und
erklärt dazu in Kol. 3, of. : ymn riK TIBIT "TOS O^STOn bs>

OnTarnn [ ] 0"!D2 2- H. E. Brownlee übersetzt: (Its meaniug)
concerns the Clüttiim who trample the land with (their) horses,
and with their beasts3.

Wer sind die Kitt ihn, von denen der Midrasch hier
spricht? Das Wort geht in Nu.24, 24; 1. Makk. i, 1 und 8, 5
auf die Makedonen4. Im ,,Buch des Krieges der Kinder des
Lichtes mit den Kindern der Finsternis" hören wir von den
Kittiim Assurs (mms uro) und den Kittiim Ägyptens
(Ovi:i72 ^to)- Sukenik, Albright, Ginsberg u. a. haben
längst ausgesprochen, daß damit offenbar die Nachfolger des
Makedonenkönigs in Syrien und Ägypten gemeint sind, die
Seleukiden und Ptolemäer.5 Auch in derHabakukrolle liegt die
Deutung der Kittiim auf ein Diadochenheer am nächsten6.
Sie wird m. E. noch bekräftigt und präzisiert durch die Erwähnung
der ,,Tiere" in DSH 3, 10.

') M. Burrows, The Dating of the Dead Sea Scrolls. Bulletin of the American
Schools of Oriental Research 122 (1951), S. 4ff.

') M. Burrows, The Dead Sea Scrolls I (1950), PI. LV1.

3) W. H. Brownlee, The Jerusalem Habakkuk Scroll, BASOR 112 (1948),

S. 10.

4) In Dan. 11,30 sind vielleicht die Römer gemeint, s. A. Dupont-
Sommer, Observations sur le Commentaire d'Habacuc dec. pres de la Mer
Morte (1950); anders H. L. Olnsberg, Studies in Daniel (1938), S. 78.

6) H. L. Sukenik, mTOJ mVja I (1948), S. 18 ; H. L. Ginsberg,
The Hebrew University Scrolls from the Sectarian Cache, BASOR 112 (1948),
•) Siehe Brownlee, BASOR 112 (1948), S. 17. [S. 20.

Welches sind die riTarQ. die hier genannt sind? Mau
hat an Lasttiere gedacht1. Das ist lexikalisch vertretbar,
aber exegetisch unbefriedigend. Denn der Bibeltext spricht
nur von Pferden, der Midraschtext aber von Pferden und
Tieren. Er betrachtet und erwähnt diese „Tiere" demnach als
ein spezifisches Merkmal des Kittiimheeres. Lasttiere aber gehören
zu jeder antiken Armee2. Es bestand also kein Anlaß, sie
mit so viel Betonung noch neben den Pferden des biblischen
Habakukorakels zu nennen3. Wohl aber gab es ein anderes
Tier, das in der hellenistischen Zeit seine kriegsgeschichtliche
Glanzzeit erlebt hat und als das Spezifikum eines bestimmten
Diadochenheeres gerade in jüdischen Kreisen allgemein bekannt
und gefürchtet war — das war der Kriegselephant
der syrischen Armee. Daran möchte ich auch in der Habakuk-
rolle 3, 10 denken, aus vier Gründen.

i. Begriffsgeschichtliches: In Hab. 2, 17 ist von
mTarn die Rede4. Die LXX übersetzt dies Behemoth mit
.&riQlab. Grjglov aber ist in den Makkabäerbüchem die ge-

') So Dupont-Sommer a.a.O.; cf. P. Kahle, Die hebr. Handschriften
aus der Höhle (1951), S. 69.

2) Über den syrischen Troß s. E. Bikerman, Institutions des Seleucides
(1938), S. 91 ff. Über den römischen Troß in Palästina s. Josephus Bell. 2,
19, 8 u. ö.

s) Das Wort TTfirD kann auch auf Zugtiere gehen. Aber es ist formgeschichtlich
höchst unwahrscheinlich, daß der Habakukmidrasch hier an
Last- oder Zugtiere denkt. Denn die antiken Feldzugsberichte pflegen, wenn
sie nicht besonders ausführlich gehalten oder speziell interessiert sind, den
Troß gar nicht zu erwähnen, s. Bikerman a. a. O., S. 90.

4) DSH 12,4 (=■ Plate LX) zitiert dies Wort in der Pleneschreibung

rrram-

5) Die zoologische Nomenklatur des jüdischen Schrifttums hat um die
Zeitwende mancherlei Wandlungen durchgemacht. So kommt für den Ele-
phanten jetzt eine neue Bezeichnung auf, Vb, s. Jev. Enc. s. v. Elephant.
Der Begriff riSPO verengt sich. In der biblischen Literatur kann Irena
die gesamte Tierwelt bezeichnen, geht aber vor allem auf die Vierfüßler, und
zwar sowohl auf die zahmen (Haustiere) wie auf die wilden (Jagdtiere); unter
den wilden Tieren ist der „Behemoth" der berühmteste (s. Oesenius-Buhl,
Mandelkern u. a.). In Hab. 2, 17 ist an die blutige Jagd auf die wilden rnE!"Q
des Libanon gedacht. Die LXX übersetzt darum mit Recht 9r]Qia (&rj(>äa> ■=
jagen). Vgl. ITirrQ = &1?ia in Deut. 32, 24; 28, 26; Jes. 18, 6; Jer. 15, 3 U.U.