Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1951 Nr. 1

Spalte:

52

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Rickert, Arnold

Titel/Untertitel:

Von den Engeln und St. Michael 1951

Rezensent:

Buhre, Roland

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

51

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 1

52

genten vom Ewigen und vom Ursprung des modalen Kontingenten
.

Im zweiten Hauptabschnitt behandelt Bauer die Frage
der Erschaffung. Nach einer Definition des Begriffes behandelt
er die Erschaffung als Tat des allvollkommenen Einen,
die Unveränderlichkeit der causa creatrix, die Freiheit der Erschaffung
, das Problem des Kreatianismus, Emanatismus und
der realen Selbstmitteilung Gottes und die creatio continuata.
Aus diesen grundlegenden Untersuchungen zieht er dann in
einem großen SchluI3abschuitt die Folgerungen für die Fragen
der Idenität von Idee und Ideal, der Existeuzuotwendigkeit
der innerweltlichen Substanzen und deren Kontingeuz, der
Aseität, Unendlichkeit, endlosen Dauer und Existenznotwendigkeit
, des Kausalgesetzes, des Widerspruchssatzes und
des Rationalitätsprinzips sowie der Ewigkeit als Grundbe-
stimmung Gottes. Das Buch schließt ab mit der Auseinandersetzung
um zwei Kritiken. Hier klärt Bauer noch einige
Fragen, die m dem Buch selbst offen geblieben waren.

Das Buch stellt im ganzen eine sehr gründliche und umfassende
Darstellung der gesamten Problemstellung dar. Bauer
versucht, die Fragen aus der Sicht des katholischen Glaubens
zu lösen. Erstaunlich ist dabei die Fülle des Materials, das er
zu der einzelnen Frage jeweils anführt. Es wäre allerdings zu
wünschen gewesen, daß die Frage nicht nur von der Seite der
katholischen Philosophie und Theologie angefaßt worden
wäre, sondern daß Bauer auch noch auf die Fragestellung der
modernen Naturwissenschaft stärker eingegangen wäre. Die
Schrift hätte dadurch m. E. an Aktualität sehr gewonnen. Das
schmälert nicht ihren Wert als Beitrag der katholischen Philosophie
zur Gesamtfrage der Kausalität und Schöpfung.

Leipzig > Hans Köhler

Raschke, Hennann: Der innere Logos im antiken und deutschen

Idealismus. Bremen: Fr. Trüjen 1949. 121 S. 8° = Abhandlungen und
Vorträge hrsg. v. d. Wittheit zu Bremen Bd. 18, H. 3. Kart. DM 3.—.
Der Verfasser geht von der Voraussetzung aus, daß Wahrheit
nur möglich sei, ,,weil der Logos überhaupt und der innere
Logos im Absoluten identisch sind", daß „der innere Logos das
absolute Bewußtsein selbst, das sich seiner bewußte Absolute"
ist (5). Wie Sokrates den Sophisten gegenüber, so hat Kant
den englischen Skeptikern gegenüber auf dies Faktum hingewiesen
. Darum ist Sokrates der Kant des Altertums und Kant
der Sokrates der Neuzeit. Und darum hat Kant auch von Jahr
zu Jahr immer stärker in Piaton seinen Vorgänger gesehen und
ist wie Platon zu demselben Ergebnis gekommen: erkennen
ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß die menschliche
Vernunft mit dem Ursprung aller Wesen oder mit dem göttlichen
Verstand identisch ist. Und das Anliegen beider Philosophen
ineint der Verfasser am besten in Anlehnung an ein
Wort Heraklits zum Ausdruck zu bringen: Gott ist Mensch,
der Mensch ist Gott, denn der Logos ist derselbe und das Denken
ist dasselbe, so wie es dann vollendet in der Philosophie
Hegels Gestalt geworden ist. So war Kant Mystiker und Gno-
stiker, insofern Gnosis „absolutes Wissen" ist (79). „Der
Mensch ist der wissende Gott" (97). Alles Erkennen ist Gotterkennen
. „Gott hat den Menschen zu seinem Bilde geschaffen,
um in diesem Bilde von sich zu wissen, weil er nur durch dieses
Ebenbild seiner selbst, nur durch den Menschen zum Selbstwissen
kommen kann" (112). „Aber nicht nur im Denken,
sondern auch im Wollen kann der Mensch bereits hier den
Standort des Absoluten erreichen." Und das alles ist auch
identisch mit dem Christentum. „Denn das Christentum ist
Gnosis, Philosophie der Erlösung; das aber ist die Wahrheit
selbst." (121.)

Man kann natürlich Kant so deuten. Aber das ist dann
nicht mehr Kant, sondern — im besten Fall — Hegel. Aber
auch nicht Hegel, denn Hegel hat das Negative sehr ernst genommen
und darum gewußt, daß erkennen auch heißt: „seine
Grenze wissen". Auch Platon hat um diese Grenze sehr wohl
gewußt. Darum war Eros ihm ein Sohn der Armut. Aber am
meisten hat Kant darum gewußt. Der Verfasser wäre mit dem
einen Satz der Kritik der reinen Vernunft zu widerlegen: „Der
größte und vielleicht einzige Nutzen aller Philosophie der reinen
Vernunft ist also wohl nur negativ, da sie nämlich nicht
als Organon zur Erweiterung, sondern als Disziplin zur Grenzbestimmung
dient und, anstatt Wahrheit zu entdecken, nur
das stille Verdienst hat, Irrtümer zu verhüten." Wie viel richtiger
hat hier doch Martin Heidegger das eigentliche Anliegen
Kants getroffen oder Knittermeyer in seinen ausgezeichneten
Kant-Vorträgen.

Die Kant-Interpretation des Verfassers setzt in Erstaunen.
Aber ein Rätsel bleibt mir, wie er die von ihm vorgetragene
Philosophie des absoluten Wissens mit dem Christentum identifizieren
kann und dies, wo er selbst Geistlicher ist. Als wenn
Luthers de servo arbitrio nie geschrieben wäre! Hier endet sogar
die Möglichkeit eines Gesprächs.

Kiel Werner Schultz

Rickert, Arnold: Von den Engeln und St. Michael. Oedanken eines
Nichttheologen über Wesen und Erscheinung der himmlischen Heerscharen.
Berlin: Christi. Zeitschriftenverlag 1948. 31 8. tri. 1 Abb. 8°= Hefte der Besinnung
Nr. 8. DM 3.—.

Diese kleine Schrift aus der Feder ehies Nichttheologen
bietet für die Aufhellung des angelologischen Tatbestandes
keinerlei Förderung. Der Verf. betont zwar mit Recht, es sei
„etwas ungemein Großes und Erhabenes um die Engel", und
wir hätten „allen Grund, ihnen auch in unserer Vorstellung
den Platz und Rang einzuräumen, der ihnen zukommt" —
aber es bleibt dann doch beim guten Willen, dem es an theologischer
und geistlicher Substanz fehlt. Leider fehlt jeder
ernsthafte Versuch, dem biblischen Tatbestand gerecht zu
werden, und das, obwohl die Bibel nicht gerade übergangen
wird. Statt dessen hören wir - viel zu viel für eine Broschüre
von wenigen Seiten — vom Geheimnis der menschlichen
Stimme und des menschlichen Gesichts, die beide dazu herhalten
müssen, um auf dem Weg der Analogie angeblich
Material abzugeben für sehr merkwürdige, wenn auch nicht
uninteressante Spekulationen über das Wesen der Engel. Hier
versteigt sich der Verf. zu gänzlich unbiblischen Behauptungen
: als seien die Engel imstande, „in jedes Menschenauge
und jedes Menschenherz hereinzublicken" (S. 12). Der biblische
Tatbestand demgegenüber ist ziemlich diametral entgegengesetzt
. Oder was soll die mehr als kühne Behauptung
(S. 15), der Engel, „der in der heiligen Nacht die frohe Botschaft
bringt, ist nicht, sondern er geschieht" ?l (Dasselbe behauptet
der Verf. vom Himmel. Fehlt nur noch, daß auch von
Gott selbst ausgesagt würde, er sei nicht, sondern er geschehe
! Dann wären wir ja mitten in pantheistischer Mystik
gelandet.) Auf diesem Wege kann dann freilich recht lustig
fabuliert werden, nur leider auf Kosten der Wahrheit.

Die zweite Hälfte der Broschüre bietet unter dem Titel
,,St. Michael" ein seltsames Gemisch von Spekulationen mit
zum Teil biblischem Einschlag. Die theologische Begründung
ist mager, zum Teil direkt irreführend. Gleich eüigangs setzt
der Verf. irrtümlich die „Kräfte" und „Gewalten", die
„Throne" und „Fürstentümer" mit den Engeln gleich, während
sie in Wahrheit (siehe das ThW) mit den dämonischen
Engelmächten identisch sind. Daneben findet sich (S. 19) der
Satz: „Uber den Teufel sprechen heißt gegen ihn sprechen" —
eine Behauptung, die leider in dieser vorschnellen Verallgemeinerung
auch nicht zutrifft. Allem schon der kurz hernach
zitierte Satz von P. Schütz (in seiner nach zeitweiliger staatlicher
Indizierung mit Recht wieder neu anfgelegten und
einen theologiegeschichtlichen Wert besitzenden Schrift „Der
Autichristus") mußte den Verf. zur Vorsicht mahnen. Zwischendurch
finden sich einige beachtliche Sätze, z. B. (S. 18)
der Hinweis darauf, daß mit dem Namen Michael „sich ein
Abgrund auftut", daß mit ihm „die Frage nach der Entzweiung
, nach dem Satan" gegeben ist. Dann folgen aber seltsame
Phantasien: z. B. auf S. 21, 22, 24 (von dem Michaels-
kampf als der „anderen Seite des Christusgeschehens, nämlich
dem Antichristus-Geschehen" — wozu zu bemerken wäre,
daß es die entscheidende Seite des Christusgeschens überhaupt
ist, den Kampf gegen den Satan zu führen: 1. Joh. 3, 8.
Das Christusgeschehen ist begründet und gipfelt im Kampf
gegen den Bösen: K. Heim). Höchst anfechtbar sind endlich
einige Behauptungen auf S. 27, denen zufolge Michael derjenige
sei, der darüber „wacht, daß der Tod des Menschen ein
Tod in Christo sei" — der „Psychopompos, der die Seele sicher
bis zum jüngsten Gericht geleitet". Solchen Behauptungen
kann nicht energisch genug entgegengetreten werden. Davon
weiß, zum mindesten nach evangelischer Auffassung, das NT
nichts! Von hierher ist es dann wohl nur noch ein winziger
Schritt hin zur genuin katholischen Verehrung und Anrufung
des Schutzpatrons St. Michael. So kann die Lektüre des Büchleins
einem weiteren, für die Angelologie interessierten Leserkreise
leider nicht empfohlen werden.

Zechlinerhütte, Kr. Ruppin Ro|and Buhrc