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Ausgabe:

1951 Nr. 11

Spalte:

661-668

Autor/Hrsg.:

Lauch, E.

Titel/Untertitel:

Eine echt hellenistische Grabschrift 1951

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 11

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für die sorgfältige Beobachtung des mosaischen Gesetzes mit
Einschluß semer traditionellen Interpretation ist1. Auch die
Front, gegen die Paulus im Galaterbriefe steht, wird also in
5, 1 nochmals in ganzer Schärfe sichtbar.

So bietet die herangezogene Mischna-Stelle in der Tat
einen Beitrag nicht allein zum Verständnis des schwierigen
Verses Gal. 5, 1, sondern auch zu der Frage seiner richtigen
Textgestalt. Wenn es richtig ist, wie wir meinen, daß Paulus
sich hier ganz bestimmter juristischer Vorstellungen des Spät-
judentums bedient, dann erfährt der durch die ägyptische
Rezension vertretene Text eine beachtliche Bestätigung, und
ebenso erklären sich die von ihm abweichenden Lesarten nunmehr
noch deutlicher, als schon bisher vertreten, tatsächlich

') Vgl. meinen Artikel £vyös im Theologischen Wörterbuch zum Neuen
Testament II, S. 900ff.

als Korrekturen — Korrekturen deshalb, weil sich nach dem
Entschwinden des zeitgeschichtlichen Hintergrundes des Verses
die Notwendigkeit ergab, den nicht mehr recht durchsichtigen
Vers wieder durchsichtig zu machen.

Das wichtigste Ergebnis dieser kurzen Überlegungen
dürfte indes theologischer Art sein. In ihm liegt zugleich ein
Beitrag zum Verständnis dessen vor, was sich für Paulus in
dem Wort itev&egla in seiner Anwendung auf die Glieder der
Gemeinden Jesu zusammenfaßte. Einmal mehr tritt der streng
sittliche, von jeder Spekulation völlig geschiedene Charakter
dieses zentralen Begriffs des Paulus heraus. Dem nachzugehen,
wäre deshalb gerade von dem nun gewonnenen Ansatz aus eine
lohnende Aufgabe. Doch muß ihre Behandlung, da sie den hier
gesteckten Rahmen weit überschreiten würde, hier unterlassen
und einer späteren besonderen Untersuchung vorbehalten
bleiben.

Eine echt hellenistische Grabschrift

Von E. Lauch, Leipzig

D. Albrccht Oepke zum 10. Geburtstag gewidmet

A

'HgaxXeldt]; 6 xaÄd; xelx' ivftdSe
ö>S "OaeiQiz | F; Ilaylrjs 6 "AScovig
i, 'Evövfti'wv 6 Eeh'jvrjQ

t, xijs 'Ab<fit]fti; 'Ugaxh'i: dcaSexde&XoQ itdvxws .
B

Et ftev xf&vrjxai xai i^hetvng xd axih], |
t/wv de ndnxov xov yiqovioi; ianaaag.
'AoTtjQ ovqdviot; 6 £ni daxiQi InavaxlXXmv
loitdofrij. Aid xovxo &eoi exÄavaav äTtavxeg
7th&ei xai ^enonwv <pv£', t&S nd)M xrjv "Abojoxiv
xet'vrjv iXetjQav tj xqv ' AöiöviSog xeXevT))v.
Ai<xfj ö' "AAxtjtTxt; äQexi]v £oneva[e ■&avova>ji;'
......'......'..[«].'.......'........'.]. |

C

'IlQaidoQ davovaiji
ioxeraiav oi &eo(. |

Evy>vxet[, övyaxe'Q pov, LKE],
'Ilgatg, tdfvtfg, fdo; [fjöv],
xe}.tvxi)oaoa.

Gefunden Anfang 1880 in der östlich von Alexandreia gelegenen Gräberstadt
Nikopolis (Sldi-Gäber, Ramley), inmitten der hinter der kleinen Moschee
Sidl-Gäbers nach dem Meere zu sich erstreckenden Katakomben.

Aufschrift der rechten Wand der viereckigen, leicht gewölbten, 2,66 m
langen, 2,34 m breiten und 4,24 in hohen Kammer eines In den Felsen gehauenen
(damals entdeckten, aber gleich zerstörten Familien-Gruftgrabes, sich
beziehend auf zwei Leichname, die gelegt waren in je eine der länglichen
Buchten (loculi), die in drei Paaren übereinander mit Öffnungen von 0,96 m
Höhe und 0,66 m Breite In die Rückwand waagerecht gegraben waren.

Mit rotem Ocker sorgfältig geschriebene Buchstaben; B und C dicht
nebeneinander unter A.

2. Jahrhundert n. Chr., Zeit der Antonine (nach den Buchstabenfornien
und aus zeitgeschichtlichen Gründen).

Herausgegeben von:
■'relsigke, Friedrich, in: Sammelbuch griechischer Urkunden aus Ägypten.
Hrsg. im Auftrage der Wissenschaftlichen Oesellschaft In Straßburg von
F. Pr. Bd. 1. Straßburg: Trübner (1913—) 1915, S. 182: Nr. 2134;
Neroutsos-Bey, in: N.-B.: Inscriptlons grecques et latines recueillies dans
la ville d'Alexandrie et aux envlrons — in: Revue arc heologIqu e.
Se>. III, t. X. Julllet-decembre 1887, S. 61—68 — S. 66—68, Num. 44;
dem9. (mit dem gleichen Wortlaute) in: N.-B.: L'ancienne Alexandrie. Etüde

archeologique et topographique. Paris: Leroux 1888, S. 116—118.
von de ms. a. aa. Oo., Übersetzt ins Französische S. 68 - 118.

Von mir dargeboten in der ZeilenabtciUing des Originals.— Durch senkrechte
Striche die Verse voneinander getrennt; deren Hebungen durch unter ihre
Vokale gesetzte Punkte gekennzeichnet. Denn unter Mißachtung mancher
Länge und Kürze bieten, wie ich erkenne:

A: Z. 1—4 — A, ganz: 3 Hexameter;

B: Z. 5. 6 - B, Z. 1.2: 2 sechsfüßige Jamben (Z. 5 - B, 1 : xai H ...
mit Apostrophierung);

Z. 7—12 = B, Z. 3—8: 6 Hexameter (Z. 7 - B, 3: Jjrl äax. . . mit
Apostrophierung; Z. 10 = B, 6: iAerj . . . mit Verschiffung);
C: Z. 13/14 = C, Z. 1/2: 1 sechsfüßigen lambos;

Z. 15. 16/17 = C, Z. 3. 4/5: 2 Hexameter (Z. 15 in der Auflösung:
JCvipv/ei, &vyatc() [tov, %Xovs elxooxov Ttf.ftTTTov).

Zahl der für fehlende Buchstaben innerhalb der Klammern gesetzten Punkte
wie in der Oroßbuchstaben-Wiedergabe von Niroutsos (N. I), nach seiner Inaugenscheinnahme
. Aber mit N. selbst nach seiner Umschrift (N. II) und mit
Preisigke (P.) nicht genau zu nehmen. Daher Z. 11, Ende, Z. 15 und Z. 16,
Ende, Auffüllungen nach Sinn und Versmaß, obwohl im ersten Fall in N. I
1 Punkt mehr (in N. II und bei P. wiederum 1 Punkt weniger, im zweiten in
N. II Punkt weniger (in N. 11 gar 4 Punkte weniger; bei P. 9 Strichelchen), Im
dritten in N. I und bei P. nur 2 Punkte — in N. II allerdings gerade 3 — .

Eigene Konjekturen, — die zweite in Anlehnung an den 1.Teil der aus
der Zeit des Antoninus Plus stammenden Inschrift, die Neroutsos: Alexandrie,
S. 94, als Nr. 5 bietet: ST Vl'XJ rAAATIANE LKE, — und die sich
bereits als Hexameter lesen läßt: Ei yvxei, EaXariavi, itovi elxoarov

Ttlfimov (ihr zweiter Teil besteht aus der bekannten Wendung: /löi aot d

"0a«pis rö tpvxpbv i'öcop). — Am Ende von B würde man vielleicht einen

ähnlichen Abschiedsgruß wie hier in C erwarten; dann wäre wohl noch eine
Zelle angefügt gewesen.

Es mag zunächst befremden, daß ich zur Geburtstagsfreude
eine Grabschrift darbiete. Aber ich grüße mit ihr den
verehrten Septuagenarius aus einer Welt, in der er sich gern
bewegt. Tertia vice erfüllt sich mir ut negotiorum hostiae in
diesem Jahre das „Nonuin prematur in annum!" für die Veröffentlichung
der Studien, die ich über Adonis angestellt habe.
Von den Zeugnissen, deren Bearbeitung zuerst erscheinen soll,
rührt eins so stark an Lieblingsthemen des zu Beglückwünschenden
, daß ich es für ihn seiner Verborgenheit entziehe!

Es macht äußerlich nicht viel von sich. Es ist wenig umfangreich
. Dabei besteht es aus drei Teilen. Sie beziehen sich
auf zwei junge Menschen männlichen und weiblichen Geschlechts
. Es sind keine Berühmtheiten; die Wissenschaft
würde sich mit ihnen nicht befassen, wenn ihnen nicht aus
Anlaß ihres Todes ihr Leben bezeugt worden wäre und dieser
Beleg sich nicht erhalten hätte. Au drei Stellen ist er gar zerstört
. Ein Kunstwerk ist er nicht. Unter seinesgleichen fällt
er nicht auf. Er ist auch nur eine der vielen Grabkammerinschriften
jener Nekropole, die sich im Osten von Alexandrien
bis zum damaligen Nikopolis und heutigen Ramley das ganze
Ufer hinzieht. Aber er spricht doch ganz lebendig.

Seine Zeit verrät er. Sie liegt paläographisch in einem bestimmten
Abschnitt. Allgemein ist er nach Christo zu suchen.
Gestaltungen wie die von E0 KSYÜ aber gehören der Periode
des ganz schrankenlosen Synkretismos der Buehstabeu-
formen an, und sie währt etwa 120—210. Genauer ist es hier
die antoninische Epoche. Der Inhalt stimmt dazu. Er ist ein