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Ausgabe:

1951 Nr. 1

Spalte:

50-51

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Bauer, Johannes

Titel/Untertitel:

Kausalität und Schöpfung 1951

Rezensent:

Köhler, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 1

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nun in beträchtlicher Verkürzung geboten. Die größeren Kürzungen
werden in den Anmerkungen ausdrücklich bezeichnet
und der Inhalt der weggelassenen Stücke wiedergegeben.

Es ist klar, daß eine Luther-Ausgabe „für alle Menschen der Gegenwart,
denen der Name Luther etwas bedeutet" (so der Prospekt), De servo arbitrio
nicht ungekürzt bringen kann. Aber die so stark gekürzte Wiedergabe bleibt
doch problematisch. Gibt sie nicht für den „Laien" noch vielzuviel und für
den Theologen vielzuwenlg? Hätte man nicht in einer Ausgabe „für alle" auf
die Schrift ganz verzichten sollen und vielleicht nur im Ergänzungsbande II
(Leben und Werk) bei dem Berichte über den Streit mit Erasmus Kernstellen
und Hauptgedanken anführen sollen, wie Aland das für den Gehalt der großen
Abendmahlsschriften vorgesehen hat? Der Theologe andererseits wird mit
Kummer einige der wichtigsten Stellen der Schrift vermissen: z. B. den bedeutsamen
Abschnitt zur Theologie der Kirchengeschichte WA 18, 649ff.
(s. in dieser Ausgabe die Anm. zu S. 190) oder die Ausführungen Luthers über
den Lohn (s. zu S. 195) oder die berühmten Sätze über den „gepredigten"
und den „verborgenen Gott" (WA 18, 184ff.) — von den letzteren lassen auch
die Anmerkungen nichts erkennen. Hier kann ich den Weg, den die Ausgabe
geht, nicht glücklich finden.

Band 4 bringt unter dem Titel ,,Der Kampf um die reine
Lehre" Texte, in denen Luther sich mit den Irrtümern und
Gegenbewegungen der Reformation auseinandersetzt. Das
Vorwort und Nachwort betonen stark den aktuellen Sinn
dieser Auswahl: es geht nicht darum, ,,uns eine Vorstellung
von der historischen Auseinandersetzung zu verschaffen, sondern
um das Bleibende für unsere Gegenwart und unseren
Kampf um die ,reine Lehre', unsere Auseinandersetzung
mit den mannigfachen Irrtümern und Irrtumsmöglichkeiten
evangelischen Glaubens in der Gegenwart festzuhalten"
(S. 286). 18 Schriften, Vorreden und Stücke aus Schriften
sind hier zusammengestellt, von denen einige sich in keiner
der bisherigen Auswahlausgaben finden. Die wichtigsten sind:
,,Von Menschenlehre zu meiden", „Treue Vermahnung an alle
Christen . . .", die acht Fastensermone von 1522, „Wider die
himmlischen Propheten" (stark gekürzt), „Warnung an seine
lieben Deutschen", „Wider Hans Worst", die „Schmalkal-
dischen Artikel", das „Bekenntnis der Artikel des Glaubens"
von 1528 (der letzte Teil der Schrift „Vom Abendmahl Christi
Bekenntnis"), „Die drei Symbole". Die Anordnung ist nicht
chronologisch, sondern sachlich bedingt. Am Anfang stehen
Texte, in denen Luther allgemein und grundsätzlich über
die Auseinandersetzung mit der „Menschenlehre" handelt. Es
folgen die Auseinandersetzungen mit den einzelnen wesentlichen
Gegnern der Reformation. Von da aus geht der Weg
zu Schriften, welche positiv die reine Lehre feststellen,
Allerdings immer auch in polemischer Beziehung auf die Irrtümer
der Zeit. Der Übergang zwischen den drei Teilen ist
naturgemäl3 fließend. Man wird in dieser Zusammenstellung
Luthers große Abendmahlsschriften vermissen. Der Herausgeber
urteilt wohl mit Recht, daß sie ohne eine Darstellung
der ganzen Auseinandersetzung mit den Schweizern nicht verständlich
„und insofern durchaus zeitgebunden" sind (S. 313,
315)- Der Ergänzungsband 2 soll in den Abendmahlsstreit einführen
. Als Ersatz wird, um Luthers Haltung in dem Abeud-
niahlskampfe zu kennzeichnen, das „Sendschreiben an die zu
Frankfurt am Main" von 1533 geboten. Außerdem enthält
Band 4 auch Luthers Darstellung seiner Abendmahlslehre
Karlstadt gegenüber, in der Schrift „Wider die himmlischen
Propheten". So gibt der Band, aufs Ganze gesehen, doch einen
unifassenden Eindruck von Luthers „Kampf um die reine
Lehre".

Die Anmerkungen am Schlüsse beider Bände sind knapp
gehalten. In ihrer klaren und lebendigen Sprache, der von dem
heutigen Theologenjargon gar nichts anhaftet, bieten sie dem
Benutzer eine gute Hilfe. Einmal gibt der Herausgeber in
ihnen auch ein den Forscher angehendes literarkritisches
Urteil ab: im Gegensatz zur Weimarer Ausgabe spricht er sich
mit guten Gründen dafür aus, daß die „Artikel wider die ganze
satansschule . . ." von 1530 nicht eine Übersetzung der lateinischen
„Propositiones" Luthers (WA 30 II, 42off.) durch
einen anderen darstellen, sondern von keinem anderen als von
Luther selbst auch deutsch gestaltet sind (Band 4, S. 314t-)- —
Jieiirlach wird in den Anmerkungen auf unzutreffende über-

Ailg von Ll*therstellen in moderneu Lutherausgaben, z. B.
« «uncheiicr, hingewiesen. Vgl. vor allem auch die Be-

"erKung über die Wiedergabe der Fastenpredigten in der
ßraunschweiger und der Münchener Ausgabe (Band 4, S. 293).
hanA Ausstattung der Ausgabe ist gegen den Tischreden-
h wL T^ssert (Leinenrücken). Man nimmt die Oktav-
Lebenrln'-r-.1'^^ klaren- schönen Schrift gerne zur Hand.
Überblick w- Jeweilfi auf der rechten Seite erleichtern den
Fortschreibm wünsc,len (ler Ausgabe aufs neue ungehemmtes

ireiten.
Erlangen

Faul Althaus

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Fries, Heinrich, Dr.: Die Religionsphilosophie Newmans. Stuttgart:
Schwabenverlag 1948. 192 S. 8°. Geb. DM 5.50.

Von einer „Religionsphilosophie" kann man bei dem heute
auf katholischer Seite so sehr gefeierten englischen Kardinal
nur mit Einschränkung sprechen. Denn einmal fehlt seinen
religionsphilosophischen Gedanken und Erwägungen jeder
systematische Charakter; zum anderen kreisen sie fast ausschließlich
um den einen Pol des religiösen Verhältnisses: den
religiösen Akt. Fries bemerkt darum mit Recht: „Newmans
Religionsphilosophie ist zutiefst eine Anthropologie, eine Lehre
vom Menschen" (S. 159). Es entspricht ganz der Mentalität
des Engländers, wenn Newman den religiösen Akt als Akt der
„realen Zustimmung und Erfassung" (im Gegensatz zur bloß
begrifflichen) bestimmt. Er will damit nicht nur zum Ausdruck
bringen, daß der religiöse Akt eine Wirklichkeit meint,
sondern auch, daß an ihm der wirkliche Mensch, der Mensch
in der Totalität seiner geistigen Kräfte beteiligt ist. Darin liegt
eint deutliche Absage an eine einseitig intellektualistische Auffassung
der Religion. Sie tritt noch stärker hervor, wenn Newman
als das Organ der Religion das Gewissen bezeichnet. Die
reale Erfassung Gottes geschieht nach ihm durch das Gewissen.
Ilm den sachlichen Wert tind die Gegenwartsbedeutung dieser
Gedanken zu beleuchten, setzt Fries sie in Beziehung zu den
Erkenntnissen der heutigen Religionsphilosophie. Indes dürfte
der Abstand zwischen beiden doch größer sein, als Verf. wahr-
haben möchte. Wenn Newman von einer „realen Erfassung"
des religiösen Gegenstandes spricht, denkt man unwillkürlich
an den von der modernen Religionsphilosophie geprägten Ausdruck
„religiöse Erfahrung". Wenn man dann aber Newmans
Analyse des religiösen Aktes weiter verfolgt und feststellt, daß
die im Akt der realen Erfassung erfolgende „reale Zustimmung
"einen anderen Akt, die „reale Folgerung" (eine Funktion
des illative sense), zur Grundlage hat und in ihm seine
Rechtfertigung erhält, sieht man sofort, daß dem vou Newman
beschriebenen religiösen Akt gerade das Merkmal fehlt,
das im Begriff der religiösen Erfahrung das grundlegende ist:
die Unmittelbarkeit. Wenn sodann von Newman das Gewissen
als das Organ der Religion hingestellt wird, so widerspricht
das der heute allgemein gültigen Anschauung, nach der das
Gewissen ausschließlich Organ für die ethischen Werte ist.
Indem Newman das Gewissen als ethisches und religiöses Organ
betrachtet, vollzieht er eine Verquickung von Religion und
Sittlichkeit, die der klaren Scheidung und Sonderung der Gebiete
durch die moderne Ethik und Religionsphilosophie widerstreitet
. Vom heutigen Standpunkt aus, für den die Eigenständigkeit
der ethischen Sphäre ein unbestreitbares Faktum
ist, kann die Betrachtung des Gewissens als der „Stimme
Gottes" nicht mehr als Ergebnis einer einfachen Analyse des
Gewissensphänomens, sondern nur als eine den religiösen
Standort bereits voraussetzende religiöse Deutung angesprochen
werden. Und so kann denn nicht nur von Newmans
Religionsphilosophie als solcher, sondern auch von ihrem Gegenwartswert
nur mit Einschränkung gesprochen werden.
Aber mögen wir auch vom heutigen Standpunkt einer wissenschaftlichen
Religionsphilosophie gegen Newman mannigfache
Bedenken geltend machen müssen, eines können und müssen
wir vollauf bejahen: den warmen Hauch lebendiger Frömmigkeit
, der uns aus seinen Werken entgegenweht und der uns vor
jener Iutellektualisierung der Religion bewahren kann, die
vergißt, daß Religion Leben und nicht Theorie ist.

Köln Johannes Hessen

Bauer, Johannes, Dr.: Kausalität und Schöpfung. Grundfragen der Onto-
logie und Metaphysik. München: Schnell & Steiner [19471. 16' S. gr. 8°.
DM 7.50.

Es handelt sich um Bauers Habilitationsschrift. Das Werk
stellt eine sehr ausführliche und gründliche Untersuchung des
Problems der Kausalität und der Schöpfung dar. Nach einer
einleitenden Untersuchung, die vor allein die Problemstellung
aufweisen will, behandelt Bauer zwei große Problemgruppen:
Sie tragen den Titel „Vom Ursprung des Kontingenten. Die
Existenz des Ewigen" und „Zur Natur der Erschaffung". In
sauberer Disposition werden in dem ersten großen Abschnitt
die Einzelfragen behandelt über die Kontingenz der Welt, das
absolute und das modale Kontingente, die Koinzidenz von
Möglichkeit und Wirklichkeit beim existenznotwendigen Sein,
über Entstehen und Präexistenz, die Existenznotwendigkeit
des Daseins des Kontingenten, die ewige Präexistenz des Daseins
des Kontingenten, die Präexistenz des Daseins des Kontingenten
im Ewigen, die Abhängigkeit des absoluten Kontin-