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Ausgabe:

1951 Nr. 10

Spalte:

608

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bertholet, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Macht der Schrift in Glauben und Aberglauben 1951

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 10

608

Sankara anschaulicher und genauer dargelegt zu sehen. Es
will mir scheinen, daß es möglich gewesen wäre, auch dem
Laien ein klareres Bild des Unterschiedes in der grunsätzlicheu
Einstellung zu zeichnen, und möchte meinen, eine größere
Ausführlichkeit in dieser Richtung hätte nicht ganz so unschwer
manche der Einzelheiten aus dem Weltbild der übrigen
klassischen und häretischen Systeme geopfert werden können,
denen zwar die indische Scholastik Wichtigkeit beimißt, die
aber für die Geistesgeschichte ohne wirkliche Bedeutung sind.
Ich möchte aber diese kritische Bemerkung um so weniger als
einen grundsätzlichen Einwand aufgefaßt wissen, als ich mir
bewußt bin, wie schwierig es ist, das rechte Maß dafür zu
finden, was in solche für Nichtfachleute gedachte Darstellung
noch und was schon nicht mehr hineingehört. Schließlich wird
und soll die letzte Entscheidung darüber, ob des Verf.s Absicht
, den Laien für Sankara zu interessieren und ihm eine anschauliche
Vorstellung von seiner Gedankenwelt zu geben,
nicht beim Fachmann, sondern eben bei dem Leser liegen, für
den das Buch bestimmt ist: er wird sich dem Studium mit der
Gewißheit widmen können, daß ihm eine in all den Punkten,
die für ihn wesentlich sein können, sachlich zuverlässige Darstellung
geboten wird.

Halle/Saale PauIThieme

Kirfel, Willibald, Prof. Dr.: Der Rosenkranz. Ursprung und Ausbreitung.
Walldorf/Hessen: Verlag für Orientkunde Dr. H. Vorndran [1949]. 72 S. 8°
= Beiträge zur Sprach- und Kulturgeschichte des Orients, hrsg. v. O. Spieß.
H. 1. DM3.80.

Die von Prof. Dr. phil. Dr. jur O. Spieß herausgegebenen
„Beiträge zur Sprach- und Kulturgeschichte des Orients" beginnen
mit dem religions- und kulturhistorisch bedeutsamen
Heft von dem Bonner Orientalisten Prof. Dr. W. Kirfel über
„Ursprung und Ausbreitung des Rosenkranzes", dem als
weitere Hefte die Arbeit von Dr. Annemarie Schimmel „Die
Bildersprache Dscheläaddin Rümis sowie von Dr. W. Hoener-
bach „Cervantes und der Orient" folgen sollen.

Eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung über den
Rosenkranz war schon lange ein Bedürfnis, da immer wieder,
namentlich von religiöser Seite, Vermutungen ausgesprochen
wurden, die gewissen Tendenzen entsprangen, aber sich nicht
religionsgeschichtlich belegen ließen. Da nun der Verf., wie er
im Vorwort angibt, seit „mehr als 25 Jahren" das sich „irgendwie
darbietende Material über den Rosenkranz", über seine
„Formen in Indien und anderen von ihm beeinflußten östlichen
Ländern gesammelt" hat, so war er besonders zur Bearbeitung
dieses Problemkreises geeignet. In sehr sorgfältigen
Ausführungen untersucht er die zahlreichen Formen, Varianten
oder Entwicklungsstufen sowie die Haupttypen des Rosenkranzes
im Christentum, im Islam, im Hinduismus und Dschi-
nismus, im Buddhismus (in den Ländern des Hinäyana —
Ceylon und Burma —; in den Ländern des Mahäyäna — Tibet,
China, Korea und Japan —) und kommt schließlich zu folgenden
Ergebnissen: „Vom geschichtlichen Standpunkt aus ließ
sich zeigen, daß der Rosenkranz in dem weiten Bereich seines
Vorkommens zu ganz verschiedenen Zeiten auftritt. Am spätesten
erscheint er im christlichen Abendlande, einige Jahrhunderte
früher läßt er sich für den Islam nachweisen, am
frühesten ist er in Indien, und zwar in der Religion Schiva's
belegt, die ihn dann an den sog. nördlichen oder Mahäyäna-
Buddhismus weitergegeben hat. Dieser verpflanzte ihn dann
wieder in die ferneren Länder des nördlichen und östlichen
Asiens, die er im Laufe des ersten Jahrtausend* unserer Zeitrechnung
auf dem Wege der Missionierung eroberte. In diesen
zeigt er auch heute noch die unverkennbaren Merkmale des
indischen Prototyps, wenn auch Geschmack oder Eigenart des
jeweiligen Volkstums seiner äußeren Gestalt ihren Stempel aufgedrückt
hat. Insbesondere beweist der Rosenkranz, der allen
buddhistischen Sekten in Japan gemeinsam ist, nicht nur durch
den Namen, sondern auch durch die Art und Form seiner Anhängsel
seine Abhängigkeit von dem chinesischen Vorbild. Andererseits
hat sich die nüchterne und sachlichere Einstellung der
westlichen Welt bei den islamischen und besonders den christlichen
Rosenkränzen bis zu einem gewissen Grade geltend gemacht
" (S. 61). Der Verf. weist sodann noch besonders darauf
hin, daß der Rosenkranz durch die meditative Praxis „zu einem
Instrument des Zählens oder Rechnens" wurde, das die Wirkungskraft
der Gebete in vorgeschriebener Weise unterstützen
sollte. Dadurch wurde er nicht bloß ein Mittel zur Konzentrie-
rung des Gebetsgeistes, sondern auch zu einem magischen Instrument
, das sich die Volksreligion schon in den frühesten Zeiten
zu eigen machte. Diese gründliche, durcli zahlreiche Anmerkungen
belegte religions- und kulturgeschichtliche Untersuchung
verdient weitgehende Beachtung auch in theologischen Kreisen,

München-Grünwald R. F. Merkel

Heiler, Friedrich: Unsterblichkeitsglaube und Jenseitshoffnung in

der Geschichte der Religionen. München/Basel: E. Reinhardt [1950J. 35 S.
8° = Glauben und Wissen Nr. 2. DM 1.90

Das umfassende Thema verlangt, wenn es in alle Differenzierungen
hinein verfolgt und behandelt werden soll, ein umfangreiches
Buch. Um so erstaunlicher ist es, daß es Friedrich
Heiler gelungen ist, auf 35 Seiten die großen Grvmdintuitionen
und Intentionen, die in der Religionsgeschichte in bezug auf
Tod und Jenseits begegnen, in verstehender Uberschau zu behandeln
. Die Arbeit beginnt mit der Darstellung der Unsterblichkeitsideen
, die eine bloße Fortsetzung des irdischen Lebens
im Jenseits und eine sittliche Vergeltung auf dieser Erde oder
in einem Jenseits kennen. Von diesen Vorstellungen werden
die hochreligiösen Ideen unterschieden, die eine irgendwie geartete
Verwandlung des menschlichen Wesens in einer Jenseitswelt
annehmen. Hierher gehören die Jenseitsideen der großen
Heilsreligionen. Auf dem Hintergrunde der außerchristlichen
Jenseitsvorstellungen werden in größerer Ausführlichkeit die
des Christentums behandelt.

Bonn Gustav Mensching

Bertholet, Alfred: Die Macht der Schrift in Glauben und Aberglauben.

Berlin: Akademie-Verlag 1949. 48 S. 4° = Abhandl. der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin. Philos.-histor. Klasse Jg. 1948 Nr. 1.
DM 4.25.

Alfred Bertholet, dem wir eine ganze Reihe wertvoller
Einzeluntersuchungen zur Religionsphänomenologie verdanken
, die man gerne in einem Buche vereinigt sähe, legt eine
neue Arbeit über die Macht der Schrift im Glauben und Aberglauben
vor, die wiederum einen wichtigen, bisher wenig bearbeiteten
Bezirk innerhalb der Erscheinuugswelt der Religion
durchleuchtet und verstehend erhellt.

Der Verf. geht aus von den Ursachen des Glaubens an die Macht der
Schrift, die einerseits in dem Geheimnischarakter liegen, der der Neuheit der
Schrift gegenüber der älteren Form mündlicher Tradition eignet, andererseits
in der Magie des Bildes, das die Schrift als ursprüngliche Bilderschrift enthält,
sowie in der Mächtigkeit des Schreibmaterials und der Schreiber. Das weite Gebiet
des Glaubens an die Macht der Schrift und seine praktische Auswirkung
und Anwendung wird nun in einer Reihe von Abschnitten an Hand einer Fülle
von Belegmaterial behandelt. Um nur eine ungefähre Vorstellung zu geben von
der Vielfältigkeit der Gesichtspunkte und der Beziehungen, die sichtbar
werden, seien einige der behandelten Themen genannt: die magische Bedeutung
einzelner Formelelemente der Schrift (Buchstaben, Alphabet, Silben usw.), die
Anwendung des Geschriebenen zur Abwehr und zur positiven Ermächtigung,
Pflichten gegen das Geschriebene (richtigeTextgestaltung, Geheimhaltung oder
Verbreitung der Schrift, Verbot des Lesens hl. Schriften usw.), Kanonisierung
und Verehrung hl. Schriften.

Die Arbeit zeugt erneut von der unverminderten Meisterschaft
des Verf.s, weitverzweigte Phänomenkomplexe zu
durchforschen und systematisch klärend darzustellen.

Bonn Gustav Mensching

NEUES TESTAMENT

Schnackenburg, Rudolf, Privatdozent Dr.: Das Heilsgeschehen bei der

Taufe nach dem Apostel Paulus. Eine Studie zur paulinischen Theologie.
München: Zink 1950. XVI, 226 S. gr. 8» = Münchener Theologische Studien
, im Auftrage d. Theolog. Fakultät München hrsg. v. F. X. Seppelt,
J. Pascher, K.Mörsdorf. I. Histor. Abt. 1. Bd. DM 18.—.

Das Buch, dessen Hauptanliegen ein biblisch-theologisches
ist, stellt den Kern einer Untersuchung über das „sakramentale
Heilsgeschehen" dar, die der Kath.-Theol. Fakultät
zu München als Habilitationsschrift vorgelegen hat. Der Verfasser
ist zu seiner Arbeit durch die Mysterienlehre von O. Ca-
sel angeregt worden. Er sah sich zunächst vor die Aufgabe gestellt
, die Behauptung Casels, schon Paulus besitze eine Anschauung
vom „Mysterium", für Rom. 6, 1—11 kritisch zu
prüfen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die gesamte Tauftheologie
des Paulus an Hand aller einschlägigen Stellen zu erheben
.

Es geht dem Verfasser vor allem darum, die paulinische
Vorstellung vom Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus
aus der dem Paulus eigenen Gedankenwelt zu verstehen. Der
erste Teil der Arbeit gibt die exegetische Grundlegung: die Untersuchung
der paulinischen Taufaussagen; der zweite Teil behandelt
den biblisch-theologischen Aufbau: das Heilsgeschehen
bei der Taufe im Zusammenhang der paulinischen Theologie.

Ich sehe — das sei gleich vorausgeschickt — in der Studie von Schnackenburg
einen wertvollen Beitrag zur Tauflehre des Neuen Testaments. Die Exe-