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Ausgabe:

1951 Nr. 10

Spalte:

603-604

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bammel, Fritz

Titel/Untertitel:

Das heilige Mahl im Glauben der Völker 1951

Rezensent:

Mensching, Gustav

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603

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 10

604

Wissenschaft, Weisheit und Größe", um ein Bild von Leibuiz.
Es kam dem Verf. und dem Verlag wohl vorwiegend darauf
an, ein volkstümliches Bild von Leibniz im Sinne katholischer
Weltansicht zu geben. So verdienstlich und anerkennenswert
ein solches Bestreben auch sein mag, so kommt leider für die
Forschung nichts an nennenswerten Ergebnissen dabei heraus.
Es ist immer sehr mißlich, gleichsam mit vorgegebener Marschroute
und von vornherein feststehenden Ergebnissen an Forschungsaufgaben
heranzugehen, denn eine solche ist und
bleibt die Leibnizdeutung im Ganzen für uns, ebenso wie
die Leibnizforchung im Einzelnen. Und auch unser Standort
wandelt sich und muß sich dieser Wandlung in einer
modernen Leibnizdeutung bewußt werden. Hier bei Stieler
steht sich statisch gegenüber eine bestimmte als feststellend
angenommene Weltanschauung und ein von dieser genormter
Leibniz, dessen Normung eben nur dadurch möglich wird, daß
der perspektivische Pluralismus seines Weltbildes, je nach der
Auswahl, die man aus ihm trifft, für die verschiedensten festen
Standpunkte in Anspruch genommen werden kann. Trotzdem
bleibt als Endresultat festzuhalten, daß für die heutige Zeit
mit ihren weltanschaulichen Bedrohungen durch einen biolo-
gistischen Nihilismus die Erinnerung an das feste Ordnungsgefüge
christlich-abendländischer Kulturüberlieferung immer
verdienstlich und notwendig bleibt.

Katharina Kaut hack1 bemüht sich in ihrer Arbeit
„Leibniz — ein Genius der Deutschen" um eine allgemeinverständliche
Würdigung des philosophischen Wirkens von Leibniz
mit großer stilistischer Gewandtheit und bemerkenswertem
pädagogischem Geschick. Deshalb soll von den Gefahren, die
mit einer solchen Darstellung verbunden sind, nur das Notwendigste
gesagt werden. Es ist die Gefahr allzu großer Vereinfachung
, Vergröberung und Verflachung, die immer mit
solchem allgemeinverständlichen Belehren verbunden ist. Ein
Blick in das eingangs erwähnte knappe Broschürchen von
Nicolai Hartmann kann mehr über die Gedankentiefe, die vielschichtige
Problematik und die konfliktreichen Spannungen
der Leibnizischen Philosophie bekunden als alle noch so gewandten
, wirkungsvoll und geschickt aufgemachten Popular-
darstellungen. Dennoch haben sie ihren Platz, und wie insbesondere
die vorliegende Arbeit, eine bestimmt abgegrenzte
Aufgabe, nämlich den Kreis derjenigen, die fachlich noch nicht
genügend geschult, aber von Wissensdurst beseelt sind, heranzuführen
an die Schwelle des Verstehens, wo die eigentliche
Auseinandersetzung mit den Problemen und die harte und
entsagungsvolle Forschungsarbeit beginnt. Im Rahmen dieser
abgegrenzten Aufgabe verdient die Kanthacksche Arbeit
wärmste Empfehlung.

Den Beschluß unserer Ubersicht möge eine Leibniz-Aus-
wahl bilden, die unter dem Titel „Gottfried Wilhelm Leibniz

*) Kanthack, Katharina: Leibniz. Ein Genius der Deutschen. Berlin
: Minerva-Verlag 1946. 118 S., 1 Tab. 8°. Pp. DM7.—.

— Gott, Geist, Güte. Eine Auswahl aus seinen Werken"1 erschienen
ist. Eine solche Auswahl ergänzt die Bestrebungen
allgemeinverständlicher Darstellungen auf das beste, wenngleich
natürlich die gegen Populär-Darstellungen erhobenen
Bedenken auch hier nicht verschwiegen werden dürfen. Der
Veranstalter beweist seinen wissenschaftlichen Ernst und sein
pädagogisches Geschick durch eine dankenswert gründliche
Tabelle nicht nur über die Chronologie des Leibnizischen
Lebens, sondern auch eine ausführliche und gründliche Ubersicht
über die Arbeiten von Leibniz zu den verschiedensten
Wissensgebieten, bei denen außerdem noch mit kleinen Rand-
zahlen auf die Stücke der Auswahl-Sammlung hinge wiesen
ist. Eine zweite Beilage bringt eine geographische Ubersicht
über die Reisen von Leibniz und seine verschiedenen Wirkungsstätten
, wodurch das Leibnizische Leben und Wirken in
neuartiger Weise konkret wird. Sorgfältig gearbeitete Anmerkungen
machen die Leser mit zahlreichen Anspielungen
bekannt und geben ihm in gewissenhafter Weise Aufschluß.
Ausführliche Namen- und Sachregister machen die Sammlung
zu einem brauchbaren Nachschlagewerk. Liest man nun die
Auswahl im einzelnen durch, so kann man mit Freuden feststellen
, daß manche in abgelegenen Winkeln verstaubenden
Edelsteine hier ans Licht gezogen wurden. Es ist wirklich verdienstvoll
, die Fülle des verstreuten Materials mit dem Mute
zu eigener Verantwortung unter systematischen Gesichtspunkten
geordnet zu haben. Das ist gerade eine Notwendigkeit
, der bei der Vielgestaltigkeit der Aufgabenstellung unserer
Leibniz-Forschung bisher zu wenig Genüge getan werden
konnte. Unter den Titeln 1. „Gott", 2. „Die harmonische
Welt", 3. Die Klarheit des Gedankens", 4. „Das vollkommene
Leben", 5. „Das Ordnungsgefüge der Mathematik und der
Natur", 6. „Politische Gedanken", 7. „Aufbau der Wissenschaft
" und 8. „Sprache als Grundlage wissenschaftlichen
Seins" findet sich nicht nur das Herkömmliche und Bekannte,
sondern auch eine Fülle von Unerwartetem und Halbvergessenem
. Und niemals sind die Dinge so dargeboten, daß man
das Gefühl eines problemlosen Besitzes hat, sondern angereizt
wird zum Weiterforschen und Suchen, gerade weil man sieht,
wieviele Entdeckungen und neuartige Gesichtspunkte aus den
Leibnizischen Schriften immer wieder sich ergeben. Es sei besonders
anerkannt die sprachliche Behutsamkeit, mit der die
französischen und lateinischen Originale, sowie auch die heute
als Fremdsprache wirkenden deutschen Texte von Leibniz
übertragen und unserem Verständnis nahegebracht wurden.
Die Sammlung kann und will ein eigenes Ringen mit den
Leibniz-Werken nicht ersetzen, sondern zu ihm aufrufen und
ermuntern. Darin liegt ihr größtes Verdienst.

') Leibniz, Gottfried Wilhelm: Gott, Geist, Güte. Eine Auswahl
aus seinen Werken. Gütersloh: Bertelsmann (1947). 491 S. 8° =. Das Zeugnis
. Europäische Denker. Hrsg. von Carl Heinz Ratschow. Hlw. DM 16.-,-.

RELIGIONS WISSENSCHAFT

Bammel, Fritz: Das heilige Mahl im Glauben derVölker. Eine reiigions-

phänomenologische Untersuchung. Gütersloh: Bertelsmann 1950. 199 S.,
1 gef. Bl. gr. 8». Lw. DM 19.—.

Mit dieser Arbeit wird eine wesentliche Lücke innerhalb
der Religionsphänomenologie geschlossen. Das allbekannte
Phänomen des „heiligen Mahles" in der Religionswelt ist bisher
noch niemals in seiner Komplexität erkannt und analysiert
worden. Es zeigt sich nämlich bei genauerem Zusehen, daß der
einen anscheinend eindeutigen Vorgang bezeichnende Begriff
des heiligen Mahles tatsächlich eine verwirrende Fülle religiöser
Intentionen innerhalb der verschiedenen Religionen und sogar
innerhalb derselben Religion umfaßt. Der Verf. hat nun seine
Aufgabe der Analyse dieser verschiedenen Intentionen innerhalb
des religionsgeschichtlichen Phänomens des hl. Mahles
in der Weise gelöst, daß er — höchst modern und fruchtbar —
von einer Existenzanalyse des Menschen ausgeht und zu den
durch sie gefundenen Elementen die verschiedenen Mahlintentionen
in Beziehung setzt. Auf diese Weise entgeht der
Verf. der Gefahr, der religionsphänomenologische Untersuchungen
oft erliegen, daß die am Phänomen entdeckten
Einzelmomente gewissermaßen in der Luft schweben. Hier
sind dagegen die in der Existenzanalyse des Menschen gefundenen
Momente des Existenzverständnisses verbunden.

Der erste Abschnitt der Untersuchung entwickelt die Beziehungen von
hl. Mahl und menschlicher Existenz in der Weise, daß zunächst und hauptsächlich
von den positiven, dann kurz auch von den negativen Beziehungen gesprochen
wird. Die positiven Beziehungen bestehen zwischen hl. Mahl und
vitaler Existenz (wiederum nach verschiedenen Seiten: das den Lebensunterhalt
ermöglichende Mahl, das die generative Existenz sichernde Mahl, das
existenzsteigernde Mahl, das existenzbewahrende Mahl), ferner zwischen hl.
Mahl und der soziologischen Existenz (Mahl und Sippe, Staat, Volk, sakralrechtliche
Bedeutung des Mahles, hl. Mahl und religiöse Gemeinschaft). Ein
drittes Kapitel handelt von den Beziehungen des hl. Mahles zu der seelischgeistigen
Existenz und das vierte von den Beziehungen zur ewigen Existenz
des Menschen. Als negative Beziehungen nennt der Verf. das gelegentlich mit
dem Mahl verbundene Rachemotiv und das „Gottesurteil". Der zweite wesentlich
kürzere Abschnitt bietet eine vergleichende Typologie, in der das Gemeinsame
und das Verschiedene in Anliegen und Gestaltung der Mahlfeicrn
aufgezeigt wird.

Bonn Gustav Mcnsching

Glasenapp, Heimuth von: Der Stufenweg zum Göttlichen. Shankaras

Philosophie der All-Einheit. Baden-Baden: Bühler jr. (Nachf. Dreieck-Verlag
) 1948. 178 S. 8°. Kart. DM4.80.

Sankara (Sankara, Shankara, Schankara) [um 800 n.Chr.]
ist sicherlich der bekannteste Philosoph Indiens, die Geschichte
der Philosophie hat ihm längst einen ehrenvollen Platz
unter den großen Denkern der Weltliteratur gesichert. In
seinem Heimatland genießt seine durch Legenden verklärte
Persönlichkeit eine ins Religiöse gesteigerte Verehrung. Seine
heutigen Nachfolger, die sich mit der Behauptung, daß jeweils
der beste Schüler des letzten „Sankara" von ihm selbst zuiii
Stellvertreter bestimmt wurde, in direkter Linie durch „un-