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Ausgabe:

1951 Nr. 1

Spalte:

44

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Guardini, Romano

Titel/Untertitel:

Anfang 1951

Rezensent:

Loewenich, Walther

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4S

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. I

44

schreibt er die Aussagen über Gott, den Sohn, den Mensch und
die christliche Gemeinschaft, den heidnischen Bilderkultus
und die Philosophie, den jüdischen Gottesdienst, die Christen-
verfolgung, moralische und religiöse Werte und die Eschato-
logie. In diesem Abschnitt vermißt man einen klareren leitenden
Gedanken. Man vernimmt nämlich im Brief einen starken
eschatologischen Grundzug, durch den er der Botschaft des
Urchristentums näher kommt als viele andere Schriften des
2. Jahrhunderts. In historischer und philologischer Hinsicht
dürfte man kaum weiter kommen als Meecham, vorausgesetzt,
daß keine neuen Entdeckungen den Brief m eüi neues Licht
rücken. Aber ideengeschichtlich und theologisch spornt die
Untersuchung von Meecham zu weiterer Arbeit au.

Abo W.A.Schmidt
Lexicon Athanasianum, digessit et iiiustravit Guido Müller. 2.—5. Lfg.

(ACINHC—AAMBANÜ). Berlin: de Gruyter 1949—50. Sp. 161—800.

Seitdem im Jahrgang 1948 Sp.4if. auf die erste Lieferung
dieses Werkes hingewiesen war, ist das Unternehmen erfreulich
fortgeschritten. Anlage und Bedeutung sind unverändert,
das Papier hat sich sogar merklich gebessert. Freilich empfinden
wir die schon gemeldeten Bedenken heute um so stärker.
Wir dürfen erfreulicherweise mit einer baldigen Fortsetzung
der Athanasios-Ausgabe der Berliner Akademie rechnen, und
es fragt sich, wie die Differenzen ihres Textes, die besonders
hinsichtlich der Eigennamen recht spürbar sind, von dem hier
zugrunde gelegten Text für den praktischen Gebrauch unschädlich
gemacht werden können. Am besten wäre es zweifellos
, man könnte die wichtigsten Abweichungen in einer
Schlußlieferung des Lexikons zusammenstellen; nur wird
dieses schon zu einem Zeitpunkt vorliegen, da mit einem Abschluß
der neuen Athanasios-Ausgabe keinesfalls gerechnet
werden kann. Es wäre also zu erwägen, ob man nicht bei deren
Indices, die dann am besten bandweise zu bieten wären, jeweils
entsprechende Hinweise anbringen kann.

Heidelberg H. v. Campenhausen

Dölger, Franz: Das Kaiserjahr der Byzantiner. München: Verl. d. Bayer.
Akad. d. Wissensch. In Komm, bei C. H. Beck 1949. 88 S. 8°= Sitzungsberichte
d. Bayer. Akad. d. Wissensch. Philos.-hist. Klasse Jg. 1949, H. 1.
DM 8.20.

Neben der Rechnung nach Iiidiktionen, d.h. nach dem
297 von Diokletian eingeführten fünfzehnjährigen Zyklus der
Steuerveranlagung, und neben den Datierungen nach der
Weltära von Konstautinopel, die auf der Grundlage alttesta-
mentlicher Angaben die Weltschöpfung ins Jahr 5509 vor
Christus verlegte, begegnen in byzantinischen Texten gelegentlich
auch die Kaiserjahre (errj oder xqovol ßaadehg) als
Datierungsmerkmale. Die Indiktionsjahre beginnen mit dem
1. September ebenso wie die Jahreszählung nach der griechischen
Weltära; dagegen zählten die Byzantiner der herkömmlichen
Auffassung zufolge ihre Kaiserjahre effektiv, d.h. vom
tatsächlichen Regierungsbeginn an. Gegen diese Ansicht ist
D. A. Anastasievic in einer Anzahl von Veröffentlichungen
(zusammengestellt Byz. Ztschr. 32,1932, 275 Anm.i) und zuletzt
in einer umfangreichen Studie in den Annalea de 1'Institut
Kondakov 11, 1939, 147—200 aufgetreten. Während er für die
Urkunden die Gültigkeit der überkommenen Auffassung einräumt
, behauptet er für die byzantinischen Geschichtsschreiber
, daß sie die Kaiserjahre bis zum 7. Jahrhundert gemäß dem
römischen Kalender am 1. Januar und später nach Maßgabe
der Indiktioiienrechnung am 1. September hätten beginnen
lassen, und zwar je nachdem, welchem Zeitpunkt der effektive
Regierungsbeginn am nächsten lag, an dem vorhergehenden
oder dem darauf folgenden. Es ergäbe sich danach
die merkwürdige Lage, daß die Byzantiner in ihrer berichtenden
Literatur eine andere Rechnungsweise des Kaiserjahres
angewendet hätten als in ihren Urkunden. Diese an sich schon
recht unwahrscheinliche Hypothese hat Franz Dölger, der
sie für einen Einzelfall bereits Byz. Ztschr. 32, 1932, 275—292
entkräftete, nunmehr in einer eingehenden Überprüfung des
gesamten einschlägigen Materials endgültig widerlegt. Wie
folgt, sind seine Ergebnisse:

1. Die Inschriften und Münzen, die Anastasievic gänzlich außer acht
ließ — es sind freilich nur sehr wenige, die alle erforderlichen Datierungsmerkmale
aufweisen, um als Beweismaterial herangezogen werden zu können —
sprechen sämtlich für die von Dölger verteidigte überkommene Auffassung des
Kaiserjahrs.

2. Dagegen geben die chronographischen Quellen, die in der Tat die
Kaiserjahre mit den Kalenderjahren gleichsetzen, scheinbar Anastasievii recht.
Doch setzen diese Weltchroniken in den ihren Jahresberichten vorangestellten
synchronistischen Tabellen, den sog. Kanonia, nicht nur die Kaiserjahre,
sondern beispielsweise auch die mit dem 1. Juli beginnenden Olympiadenjahre
den Kalenderjahren gleich. Es kommt ihnen also lediglich auf approximative,

nicht auf mathematische Identität an. Für eine strenge Definition des Begriffs
des Kaiserjahres fallen sie aus.

3. Die byzantinischen Historiker, die die Geschichte ihrer eigenen Zeit
schreiben, meiden im allgemeinen die exakten Zeitangaben; die wenigen Beispiele
für Datierungen nach Kaiserjahren, die sich anführen lassen, sprechen
keineswegs für Anastasieviis Auffassung.

4. Wo in den Heiligenviten Datierungen der Art vorkommen, wird mit
effektiven Regentenjahren gerechnet. Das gilt auch — trotz Eduard Schwartz
(Kyrillos von Skythopolis, 1939, 348) — für Kyrillos von Skythopolis, der
sich durch die Güte seiner chronologischen Angaben unter den Schriftstellern
des Genres hervorhebt.

5. Daß die byzantinischen Behörden in ihren Akten und Urkunden nach
effektiven Kaiserjahren datierten, ist auch von Anastasievic nicht in Zweifel
gezogen worden.

Der Wert der Dölgerschen Abhandlung liegt darin, daß
sie in jedem Falle von den von Anastasievic herangezogenen
Materialien ausgeht, diese noch um weitere Beispiele vermehrt
und jede Datierung nach Kaiserjahren sowohl nach der üblichen
wie nach Anastasievics Konzeption durchrechnet. Durch
solche Gründlichkeit gewinnt sie abschließenden Charakter
für die Feststellung: Es besteht keine Veranlassung, die überkommene
Auffassung vom Kaiserjahr der Byzantiner zu revidieren
.

Berlin Joh. Irmscher

Guardini, Romano: Anfang. Eine Auslegung der ersten fünf Kapitel von
Augustins Bekenntnissen. München: Kösel-Verlag (1950J. 77 S. 8°= Hochland
-Bücherei. DM 2.80.

Den berühmten Eingangskapiteln von Augustins Konfessionen
hatte Harnack eine besondere Betrachtung gewidmet
(„Die Höhepunkte in Augustins Konfessionen", Reden
u. Aufsätze, N. F. Bd. 3, 1916). Er sah in ihnen eine grundlegende
Theorie der Religion. R. Guardini, der sich durch sein
Buch „Die Bekehrung des Aurelius Augustinus" (Jakob Heg-
11er, Leipzig 1935) a's feinsinniger und tiefgründiger Augustin-
niterpret erwiesen hat, versteht sie als Ausdruck von Augustins
Existenzerlebnis. In diesen fünf Kapiteln wird „der Bekennende
sich der großen, rätselhaften, beunruhigenden Tatsache
seines Existierens bewußt" (S. 14). Dabei erscheint die
dialektische Aussage (im Unterschied von der „direkten" Aussage
) als die adäquate Erkenntnisforin für die Phänomene der
Existenz. Harnack nannte die fünf Kapitel eine „tiefe und
erhabene Meditation". Man könnte die Ausführungen Guardinis
eine geistvolle moderne Meditation über Augustins Meditation
nennen. Historische Absichten verfolgt sie nicht. So
wird etwa das Verhältnis zum Neuplatonismus nur andeutungsweise
gestreift (S. 69). Für das existenzielle Denken darf
Augustin wohl in Anspruch genommen werden. Aber jene
Kapitel als „eine der reinsten Ausbruchsstellen des neuzeitlichen
Existenzerlebnisses" zu bezeichnen (S. 11), dürfte in der
Richtung auf Modernisierung etwas zu weit gehen. Dagegen
ließe sich über das Verhältnis von scire und invocare im Blick
auf den existenzielleu Ansatz von Augustins Denken wohl noch
mehr sagen, als es hier geschieht. In dieser Richtung ist die
evangelische Theologie offenkundig stärker interessiert als der
katholische Denker.

DerText ist von Guardini nach der Ausgabe von Skutella (Teubner, 1934)
neu übersetzt. Zweifelhaft erscheint mir die Wiedergabe des „quoniam loquaces
mutl sunt" (IV, 4) mit „denn in ihrer Geschwätzigkeit sind sie stumm" (S. 53),
ebenso wie die Deutung des „loquaces": „Was immer sie sonst von materiellen,
geistigen, sittlichen Dingen sagen mögen — nichts haben sie gesagt, wenn sie
nicht Zeugnis abgelegt haben für Gott" (S. 67). Ouardini bedient sich einer
äußerst sensiblen Diktion, die dem geistreichen Inhalt entspricht. Mit beidem
kommt er dem Verlangen des „modernen" Lesers stark entgegen.

Erlangen W. v. Loewenlch

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATION

Wendel, Francois: Calvin. Source et evolution de sa pensee religieuse.
Paris: Presses Universitaires de France 1950. 292 S. fr. 600.—.

In der französischen kirchengeschichtlichen Literatur
hatte man bis jetzt über Calvin das Riesenwerk von Emile
Doumergue, das wegen seines Umfanges fast nicht zu gebrauchen
ist und darüber hinaus gefährliche hagiograplüsche
Tendenzen aufweist. Neben dieser, immerhin sehr beachtlichen
Studie, konnte mau sonst viele gute Bücher über Calvin
finden, von denen aber keines das ganze Leben bzw. das volle
Denken des Reformators zusammenfaßte, sondern sich jeweils
mit einem Teil davon befaßte. Und so blieb für den evangelischen
Christen, der sich neben Doumergue, den Spezial-
forschern wie J. Pannier und J. D. Benoit zum Beispiel, und
I den wenigen ernsten Romanschreibern nach einer vollstän-