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Ausgabe:

1951 Nr. 9

Spalte:

560-561

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Braunfels, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die Verkündigung 1951

Rezensent:

Kollwitz, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 9

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linigkeit". In einer brieflichen Mitteilung bemerkt Verf., er würde heute, nachdem
er den Methodismus etwas mehr von innen her kennengelernt habe, „wahrscheinlich
das Recht des simul justus, simul peccator und die notwendige Kritik
an Wesley deutlicher anerkennen als es im Buch geschehen ist".

3. Wesleys Prinzip der tota scriptura (S. 112) gegen Luthers sola scrip-
tura, nimmt in die „fulness" auch den Jakobusbrief in seiner Ganzheit mit auf.
Das tut jedenfalls auch Jellinghaus (vgl. sein Buch S. 274ff.), es stört ihn
nicht, daß Jak. 2, 24 die Werke als Grund für die Rechtfertigung einbezieht.

4. Das Problem der Heiligung und Perfektion bei Wesley ist weniger beleuchtet
als aufgeschoben (S. 90). So kommt nicht heraus, wie Wesley zum
analytischen und synthetischen Rechtfertigungsurteil steht. Die Anschauung
des Christus in nobis (S. 114) ist trotz ähnlicher Formulierungen bei Luther
und trotz der Abgrenzung gegen Osiander und alle mystisch-substanziellen
Qualitäten in der Seele (ä. 164) in solchem Kontext nicht willkommen. Auch
wird nicht deutlich, warum Luthers Auffassung, dargelegt etwa in seinem bekannten
Satz aus De übertäte Christiana, unzulänglich sein soll, wonach der
Glaube die Copula zwischen der Seele und Christus ist, also eine Verbindung
ohne daß Christus in die Seele „einzieht".

5. Die Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten hätte einen
nicht zu unterschätzenden Gesichtspunkt für die Beurteilung der Theologie
Luthers und Wesleys hervortreten lassen können, wie denn überhaupt scheinbare
Widersprüche bei Luther sich aus der besonderen Situation heraus erklären
. Wenn der Gesamttenor bei Luther ein anderer ist als bei Wesley, so
dürfte das auch damit zusammenhängen, daß jener sich in einer historischen
Gesamtsituation befand, die der des Paulus ähnlich war, dieser dagegen es mit
einer Lage zu tun hatte, die eher der des Jakobus glich. Darum lauert bei
Luther die Gefahr des Antinomismus, des Quietismus und der fatalistischen
Willensunfreiheit, bei Wesley dagegen die Gefahr des Nomismus, des Perfektionismus
und der Willensfreiheit (vgl. etwa Wesleys Betonung des tertius usus
legis und seine Ablehnung der gratia irresistibilis auf der Linie der Arminianer).

6. Ein Buch mit dem vorliegenden Thema kann eigentlich erst in Angriff
genommen werden, wenn die weithin noch ausstehende historisch-theologische
Vorarbeit geleistet ist. — Nicht herangezogen hat Verf. u.a. die Arbeit von
Cannon über Wesleys Theologie und — absichtlich nicht — die Schrift von
N. Flew über Perfektionismus im Sinne Wesleys, sowie die bessere von Lindström
über das gleiche Thema. Nützlich wäre auch das der These Söderbloms
widersprechende Buch von A. Lang: Puritanismus und Pietismus, 1941, gewesen
, das dem Verf. nicht zugänglich war.

Es ist kein Zweifel, daß Verf. an eine Wunde des Luthertums
rührt, wo man weithin daran gewöhnt ist, jenes simul-
simul auf zwei ausbalancierten Waagschalen zu sehen mit dem
Ergebnis der — Regungslosigkeit. Verf. begegnet sich in
seinem Bestreben wie in den theologischen Gefahren etwa mit
dem Lutheraner O. S. v. Bibra („Die Bevollmächtigten des
Christus", Stuttgart, 3. Aufl. 1948). Ob man jedoch Luther,
wenn auch mit Einschränkungen, selbst verantwortlich
machen kann für das Verständnis seiner Theologie im Luthertum
, bleibt die Frage. In diesem Zusammenhang hätte Verf.
kräftiger als es geschieht die tragenden Stellen bei Luther in
den Mittelpunkt rücken können, die vom Christen einen
„Christus" erwarten, den Glauben als Werkmeister beschreiben
usw. Man kann gespannt sein, wie die wenigen methodistischen
Lutherexperten die vorliegende Schrift aufnehmen werden
, welche auf jeden Fall schon durch die aufgeworfenen Fragen
wirken wird.

Göttingen, z. Zt. Cambridge Erich Roth

La Confession d'Augsbourg. Confession de Foi de quelques princes et villes
remise ä Sa MajestÄ Imperiale ä Augsbourg en 1530. —■ Die Augsburgische
Konfession. — Confessio Fidei. — Paris-Straßburg: Les Editions Lutherlennes
; Oberlin [1949J. 212 S. 8» = Confessio Augustana Triglotta: Gallice
-Germanice-Latine.

Die „Lutherischen Ausgaben", die durch ihre Veröffentlichung
liturgischer und dogmatischer Texte aus dem frühen
Luthertum bereits wohl bekannt sind, bieten mit dem vorliegenden
Bande eine neue französische Übertragung der CA dar,
während gleichzeitig die deutsche und lateinische Gestalt der
CA im Anschluß an die Ausgabe des Deutschen Evangelischen
Kirchenausschusses von 1930 wiedergegeben werden. Die bisherigen
französischen Ubersetzungen des Augsburger Bekenntnisses
waren insofern ungenau, als sie an manchen Stellen einen
aus der deutschen und lateinischen Fassung kombinierten Text
herstellten. Die vorliegende Ausgabe bringt zum erstenmal eine
möglichst genaue Übertragung des deutschen Textes. Um die
nicht leichte Übertragung des Deutsch des 16. Jahrhunderts
hat sich insbesondere Pastor F. D. C. Gueutal verdient gemacht
. Eine Einführung in die historischen Probleme, die Veranlassung
des Augsburger Reichstages und die Abfassung der
CA, geht der Wiedergabe der Texte voran. Die erläuternden
Anmerkungen und Stellenverweise sind auf das unumgänglich
Notwendige beschränkt. Der Leser wird auf den Apparat der
deutschen kritischen Edition von 1930 hingewiesen. Das neue
Werk der Editions Luthöriennes ist in erster Linie für Studienzwecke
an den französischen theologischen Fakultäten bestimmt
. Es soll aber auch den „Anreiz" zu einer neuen dreisprachigen
Ausgabe der lutherischen symbolischen Bücher für
die französische Öffentlichkeit abgeben, wie Pastor C.-F. Ro-
senstiehl in einem Vorwort bemerkt. Möge die Fortsetzung
dieser Arbeiten in dem gleichen Maße gelingen wie die vorliegende
— dann wird das französische Luthertum die lutherischen
Bekenntnisschriften in einer ebenso zuverlässigen wie
gefälligen Edition vor sich haben.

Kiel Peter Meinhold

CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE

Braunfels, Wolfgang: Die Verkündigung. Düsseldorf: L. Schwann [1949].
XXVI S., 32Taf. 4° ■= Lukas-Bücherei zur Christi. Ikonographie Bd. I.
HIw. DM 6.80.

Mit einem sehr ansprechenden Bändelten über das Verkündigungsthema
eröffnet W. Braunfels eine neue Reihe zur
christlichen Ikonographie. Jahrzehntelang waren ikono-
graphische Fragen in der deutschen Forschung fast ganz zurückgetreten
. Die Frage nach dem Gegenständlichen eines
Bildes schien für sein Verständnis als Kunstwerk nur von
untergeordneter Bedeutung. Erst in jüngster Zeit beginnt man
langsam wieder zu begreifen, daß auch das scheinbar Äußerliche
vor allem eines mittelalterlichen Bildes für die Menschen,
die es schufen, alles andere als gleichgültig waren. „Die Architektur
ist sinnbezogen. Jedes Ding gewinnt höhere Bedeutung.
Nur die Kenntnis dieser Bezogenheit alles Geschaffenen berechtigt
und begeistert den Maler zu genauen und eindringlichen
Darstellungen der sichtbaren Welt". „Was von den
Gegenständen gesagt wurde, gilt auch von den Gesten. Christliche
Theologie deutet psychologisches Verhalten rational.
Nichts bleibt der Willkür überlassen". Dieser Abbildcharakter
aller Dinge gehört zu den entscheidenden Geheimnissen älterer
Kunst. Nicht in Aussprechen persönlichen Erlebnisses sehen
diese Künstler ihre höchste Aufgabe, sondern im deutenden
Nachschaffen einer höheren Heilswirklichkeit. Und nur eine
Interpretation, der es gelingt, diese Bezüge wieder sichtbar zu
machen, Bezüge, die dem Zeitgenossen aus Predigt, Liturgie
und Erbauungsbuch ohne weiteres verständlich waren, wird
uns den letzten Sinn älterer Kunst auch wieder erschließen.

W. Braunfels versucht dies für das besonders reizvolle
Thema der Verkündigung. Im Mittelpunkt stehen die Denkmäler
des deutschen Mittelalters und der italienischen Frührenaissance
. Dazu einleitend eine Auswahl der frühchristlichen
und byzantinischen Zeit. Nicht ganz teilen kann ich
hier das abwertende Urteil über die Denkmäler der byzan-
tiuischen Kunst. „Byzantinische Theologen haben versucht,
die Malerei zu einer Bilderschrift herabzuwürdigen" (X). Ein
Urteil, das wohl allzusehr von der Überwindung der maniera
greca in frühitalienischer Malerei oder von später Erstarrung
in einem Malerbuch bestimmt ist. Vor Bildern der Verkündigung
wie denen in Daphni oder in der Kahrie wird ein solches
Urteil kaum bestehen können. Byzantinische Malerei unterliegt
hier keinen anderen Bedingungen als jede mittelalterliche
Malerei.

Einige Anmerkungen verlangt allein der altchristliche
Teil. Die Anfänge des Themas sind leider noch immer ungeklärt
. Uber die Deutung des Freskos in Priscilla hat sich bisher
keine Einstimmigkeit erzielen lassen; das Kind auf dem
Schöße Mariens spricht kaum für eine Verkündigung. Ungewiß
bleibt auch das Fresko in Pietro e Marcellino. Die Erhaltung
der Decke war schon bei der Auffindung eine derart schlechte,
daß wenigstens die Frage offenbleibt, ob Wilpert hier richtig
gesehen hat. Die erste wirklich gesicherte Darstellung ist die
Verkündigung am Deckel des Adelphiasarkophages. Der Engel
tritt hier zu Maria, während sie Wasser schöpft. Der gleiche
Moment ist dargestellt auf dem dem 5. Jahrhundert (nicht 7 )
angehörigen Elfenbeindiptychon im Mailänder Domschatz.
Das Mosaik in Parenzo findet sich im Bau des Eufrasius, gehört
also dem 6. Jahrhundert an. Der Stab, den der Engel hier
trägt, ist wohl eher der Stab der Hofbeamten, als ein Wanderstab
. Hierauf deutet schon das kugelförmige Ende, das der
Stab auf byzantinischen Darstellungen immer wieder hat.
Die Vorstellung der Engel als Leibwächter oder Hofbeamte ist
ja alt (zuerst Maria Maggiore) und gehört in den die ganze
Spätantike beherrschenden Vorstellungskreis von Christus als
einem himmlischen König. Etwas später überträgt man auf
den Engel selbst kaiserliche Insignien (vgl. den Vortrag
A. Grabars auf dem Byz. Kongreß in Rom). In diesen Zu-