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Ausgabe:

1951 Nr. 9

Spalte:

545-547

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Messina, Giuseppe

Titel/Untertitel:

Diatessaron persiano 1951

Rezensent:

Vogels, Heinrich Joseph

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 9

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Wohlgerüchen breitete sich von dort aus". Nun erzählt uns
Agathangelus die Taufe der bekehrten Armenier und ihres
Königshauses mit Worten, die sich unverkennbar an diese
Diatessaronstelle anlehnen (der griechische Text bei Lagarde
c. 148, p. 75). Wie wäre das möglich ohne die Voraussetzung,
daß sowohl dem Verfasser als auch seinen Lesern jener Tauf-
bericht des Diatessaron — eines armenischen natürlich — ganz
vertraut gewesen sein muß ? Es wird nicht zweifelhaft sein,
daß bei den Armeniern genau so wie bei den Syrern (und den
Lateinern!) die erste Übertragung des Evangeliums ein
Diatessaron war.

Auch die abendländische Textüberlieferung wird bei L.
berücksichtigt, doch nicht mit der wünschenswerten Vollständigkeit
. Hier wäre vieles nachzutragen, was das Bild eindrucksvoller
machen würde.

Die zwar nicht sorgfältig genug gedruckte, aber in ihren
Angaben durchaus zuverlässige Abhandlung wird, wenngleich
man Einzelheiten wiederholt anders beurteilen kann, in allem
Entscheidenden das Richtige treffen. Durch die lateinische
Wiedergabe des armenischen und georgischen Textes erlaubt
sie auch dem dieser Sprachen nicht Kundigen ein Urteil. Sie
darf der Aufmerksamkeit aller, die sich für die Geschichte
unseres Evangelientextes im Altertum interessieren, empfohlen
sein.

Bonn Heinrich Vogels

Messina, Giuseppe, s. j.: Diatessaron Persiano. I. introduzione. n.Testo
e Traduzione. Rom: Pontiflcio Istituto Biblico 1951. CXIV, 389 S., 2 Taf.
gr. 8° = Biblica et Orientalia (Sacra Scriptura antiquitatibus orientalibus
illustrata) 14. ;
In einem früheren Heft der gleichen Sammlung (Notizin
su un Diatessaron Persiano tradolto dal siriaco, Rom 1943, Bibl.
et Orient. Nr. 10) gab G. Messina Kunde von seiner Entdeckung
einer persischen Evangelienharmonie mit begleitendem
Kommentar in einer Papier-Hs. des 16. Jahrhunderts, die
unter der Signatur Cod. Med. XVII (Or. 81) auf der Lauren-
ziaua zu Florenz ruht. Das aus dem Syrischen ins Persische
übersetzte Diatessaron ist hier in vier größere Kapitel gegliedert
mit 71, 61, 60 und 59 Perikopen. Als Probe für die
Textgestalt gab er das erste Kapitel in italienischer Übertragung
heraus.

Das zur Anzeige vorliegende Buch bringt nun mit einer
ausführlichen Einleitung den vollständigen Text der Harmonie
. Die Einleitung erörtert zunächst" die Geschichte der
Hs., die zufolge einer Schlußnotiz im Jahre 1547 kopiert wurde,
vom Patriarchen Stephan V., dem Kathblikos von Großarmenien
, mit nach Rom gebracht worden sein muß und dem
Gelehrten Pierpaolo Gualterio von Arezzo zum Geschenk gemacht
ward. Auf eine Beschreibung der Hs. folgt eine Untersuchung
, wann, von wem und unter Benutzung welcher Vorlage
^) der persische Text hergestellt wurde. M. weiß es sehr
wahrscheinlich zu machen, daß unser Werk zwischen 1230 und
dem Ende des 13. Jahrhunderts von einem gewissen Iwannis
'Izz al-Din geschaffen worden ist. Daß der persische Text die
Wiedergabe einer syrischen Vorlage ist, unterliegt keinem
Zweifel, wird sichergestellt nicht nur durch die Fülle der mit
der syrischen Überlieferung des Evangelientextes übereinstimmenden
Lesarten, sondern auch sinnenfällig dem Leser
zum Bewußtsein gebracht durch fol. I», wo man hinter der
persischen Überschrift in syrischer Schrift und Sprache die
Worte findet: „Buch des heiligen Evangeliums unseres Herrn
Jesu Christi, Gottes, des fleischgewordcnen Wortes". Der Ubersetzer
, dessen Muttersprache sicher nicht das Syrische war und
dessen Umwelt unter dem Einfluß des Islam stand, hat sich
an seine syrische Vorlage eng angeschlossen. Doch fehlt es nicht
an Zeichen, daß er besonders bei der Übertragung von längeren
Stücken, die nicht mehreren Evangelien entnommen, also nicht
miteinander verwoben sind, sich der Hilfe einer schon vorhandenen
persischen Ubersetzung der getrennten Evangelien
bediente (p. XXVf.).

Eine syrische Evangelienharmonie des 13. Jahrhunderts
stellt uns natürlich sofort vor die Frage nach ihrem Verhältnis
zum Werk Tatians, mit dem die Übertragung der Frohbotschaft
bei den Syrern beginnt und das durch mindestens
2°o Jahre mehr oder weniger die Alleinherrschaft in der
syrischen Kirche behaupten konnte. Nun braucht allerdings,
wer sich mit Tatianstudien einige Zeit beschäftigt hat, nur ein
paar Blätter des vorliegenden Textes durchzusehen, um sich
darüber klar zu sein, daß wir hier unmöglich die ursprüngliche
Form des Diatessaron besitzen. Dafür findet man zu viele
Wiederholungen, zu große Ungeschicklichkeit in der Anordnung
der Eiuzelstücke, zu zahlreiche Doppelübersetzungen und
als solche in der Regel leicht erkennbare Glossen. Aber auf der
anderen Seite auch wieder so oft Übereinstimmung mit dem

arabischen Tatian und dem Fuldensis, daß ein zufälliges Zusammentreffen
ausgeschlossen ist, und überdies eine solche
Menge von Lesarten, die fast nur bei Ephrem, Aphrahat,
syc und sy» bezeugt sind (vgl. etwa Theol. Rev. 1943, 107!.),
daß über die Zusammenhänge mit Tatian kein Zweifel obwalten
kann.

Kap. 2 (p. XXV—LI) untersucht die apokryphen Zutaten
im persischen Diatessaron. M. lehnt Baumstarks These,
Tatian habe das Hebräerevangelium verwendet, mit Recht ab,
und weist statt dessen auf eine Reihe von Stellen der Kindheits-
geschichte hin, wo der Einfluß des Protoevangelium Jacobi sichtbar
wird. Ob allerdings schon Tatian dieses Apokryph benutzt
hat, erscheint mir ebensowenig glaubhaft wie die Verwertung des
Hebräerevangeliums. Tatsache ist jedenfalls, daß von den bisher
bekannten apokryphen Zutaten des Diatessaron sich hier
nichts mehr findet. Selbst so bescheidene Erweiterungen wie
das Plus in Luk. 2, 48 et tristes ambulantes und Mark. 9, 15
gaudentes, oder so harmlose Zutaten wie das durch seine enge
Verwandtschaft mit Luk. 14, 7ff. geschützte längere Stück
hinter Matth. 20, 28 (vgl. Bibl. Zeitschr. 1914, 369—390) sind
im persischen Text nicht mehr zu finden. Das einzige apokryphe
Element von Bedeutung, das mir bei flüchtiger Durchsicht
des neuen Textes begegnete, liefert Mark. 16, 16: »Ah
lavato con Vaqua e unto con l'olio sarä la vita. Denn auch
Ephrem (Moesinger p. 272) zeigt, wenn man den Zusammenhang
beachtet, in dem Satz: Dominus oleum symbolum nominis
sui diseipulis suis dedit, daß im Diatessaron mit dem Taufbefehl
auch die Anweisung für eine Salbung mit Ol gestanden haben
muß, wie denn auch die alte Kirche diesen Brauch als wesentlich
für den neugewonnenen Jünger des Gesalbten betrachtet haben
wird. Mit einer Krankenheilung, an die Zahn (Tatians
Diat. 219) denkt, hat diese Salbung nichts zu tun.

Kap. 3 (p. LH—LXXXIV) behandelt stilistische Besonderheiten
, die alttestamentlichen Zitationen und tendenziöse
Änderungen im Text der Harmonie, Kap. 4 (p. LXXXV
bis XCVI) die Beziehungen zum Cod. 241 der Bodleiana, der
einzigen Hs. vom Jahre 1341, nach der Waltons Polyglotte
den persischen Evangelientext herausgab. Die nahe Verwandtschaft
der beiden Texte liegt offen am Tage, aber die Frage,
worauf sie beruht, bleibt ungeklärt.

Als Anhang zur Einleitung erscheint ein Beitrag aus dem
Nachlaß von A. Baumstark, worin die Tatianlesarten des
1. Kapitels der Harmonie herausgearbeitet werden; doch findet
sich in dieser Liste manches, was nur geringe Bedeutung beansprucht
, und wichtiges fehlt.

S. 1—381 bringt den persischen Text in arabischer Schrift
auf der linken Seite des geöffneten Buches, auf der rechten
eine möglichst wörtliche italienische Ubersetzung. Zum Schluß
(S. 382—387) das Stellenverzeichnis zum leichteren Auffinden
eines Passus. Da von hundert Benutzern dieses Buches kaum
einer des Persischen mächtig sein wird und mancher wohl auch
vom Italienischen nicht so viel versteht, um den Tatbestand
sicher und sauber zu ermitteln, so wäre eine lateinische Übersetzung
um Vieles willkommener gewesen. Sie hätte genau so
gut oder noch besser die persische Vorlage wiedergeben
können. Noch mehr wird man bedauern, daß M. auf einen
Apparat verzichtet hat, wie ihn das Lütticher Diatessaron
und Marmardjis Edition des Arabers bringen. Damit wird
dem Benutzer eine ebenso mühsame wie schwierige Aufgabe
zugeschoben, die dem Herausgeber oblag. Der Kommentar ist
nicht zum Abdruck gebracht. Gern hätte man wenigstens gehört
, ob daraus nichts für den kommentierten Text zu erheben
ist.

Für Tatian gewinnen wir in dieser Harmonie einen neuen
Zeugen, der an Bedeutung dem Mittelniederländer nicht nur
ebenbürtig zur Seite tritt, sondern vorangeht. Zwar handelt es
sich hier wie dort um einen Spätling, den ein volles Jahrtausend
von der ursprünglichen Form trennt; und unter den
verschiedenen Händen, die in diesem langen Zeitraum an dem
Text gearbeitet haben, war natürlich keine darauf aus, die
ursprüngliche Form zu sichern. Jeder der Bearbeiter hat vielmehr
versucht, dem ihm vertrauten und als maßgebend erscheinenden
Wortlaut zu seinem Recht zu verhelfen. Daß
dabei die apokryphen Zutaten und die tendenziösen Änderungen
am stärksten gefährdet waren, braucht kaum gesagt
zu werden. Gleichwohl hat sich in Anordnung und Lesart
vieles Alte erhalten, was uns helfen wird, das Kernproblem
der Textkritik unserer Evangelienüberlieferung, wie sich die
merkwürdige Übereinstimmung östlicher und westlicher
Zeugen gegen die griechische Überlieferung erklärt, einer
Lösung entgegenzuführen.

Unter den Fragen, die der neue Text an uns richtet, steht
an der Spitze jene, ob und wieweit die Harmonie vom Text der