Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1951

Spalte:

40

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kreyssig, Lothar

Titel/Untertitel:

Gerechtigkeit für David 1951

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

•39 Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. r

gewichen wird, daß vielmehr die gesamte streng wissenschaftliche
Forschung zu ihrem Rechte kommt.

Die Exegese folgt mit einer eigenen Übersetzung und
einer durch Inhalt und Form der Worte bestimmten selbständig
erarbeiteten Gliederung der Kapitel- und Verseinteilung
der Lutherbibel. Dieser Aufbau des Kommentars, der
also von einer Umstellung in der Reihenfolge der Jesaja-Woite
absieht, erleichtert seinen Gebrauch auch für den Nichtspe-
zialisten. Das bedeutet nicht, daß auf die Frage verzichtet
wird, ob die jetzige Gliederung des Jesajabuchcs ursprünglich
ist oder auf nachträgliche Überarbeitungen zurückgeführt
werden muß. Vielmehr kommen Erwägungen über ältere
Sammlungen von Jesaja-Worteu, die vermutlich der jetzigen
Anordnung im vorliegenden Buche zeitlich vorangegangen
sind, ausführlich zum Zuge. Vielleicht braucht man nicht
immer zum gleichen Ergebnis zu kommen, wie der Verfasser.
Z. B. mag es doch wohl wahrscheinlich sein, daß 9, 7—10, 4
und 5, 25—30 ursprünglich eine formale Einheit darstellten.
Andererseits wird man sich überzeugen müssen, daß die Beachtung
der jetzigen Anordnung des Buches besonders für die
Auslegung der Spannung zwischen Jes. 7, Jes. 9 und Jes. 11
theologisch und auch kanongeschichtlich fruchtbar ist. Auf
keinen Fall kann man dem Verf. angesichts seiner Ausführungen
zu 11, 10 bis 16 (S. 2i6f.) vorwerfen, daß er sich etwa
durch eines massiven Kanonbegriff den berechtigten Anliegen
der Problematik von ,,Echt und Unecht" im vorliegenden
Text entziehe. Vielmehr muß man konstatieren, daß sein Verlangen
nach ,.innerbiblischer Kritik" und nach einem „theologischen
Maßstab" (S. 219) weitgehend mit den Motiven übereinstimmt
, die Rudolf Bultmann einmal in seiner Kritik an
Barths „Die Auferstehung der Toten" (1. Kor.) zum Ausdruck
gebracht hat. Besonders zeigt aber die Exegese von Kapitel 12,
1—6, daß es keine Entleerung zu sein braucht, sondern eine
Bereicherung der theologischen Erkenntnis bringen kann,
wenn man zwischen den Abschnitten unterscheidet, die historisch
vom Propheten herrühren und den Worten, mit denen
die Gemeinde später sein Zeugnis aufgenommen hat. Noch an
mehreren anderen Einzelstelleu zeigt Herntrich, daß er es versteht
, die Frage nach dem theologischen Gehalt des Textes
und die Frage nach seiner geschichtlichen Herkunft zu unterscheiden
, ohne sie voneinander zu isolieren.

So ist eine dem Text folgende sprachlich sorgfältige Auslegung
entstanden, die nutzbringend verwertet, was andere
vorher erarbeitet haben, die aber zugleich über alle bisher vorliegenden
Kommentare hinausführt. Die Problemstellungen
von Duhm, Budde, König, Procksch und Schmidt werden an
der Sache des Jesajabuches gemessen und dadurch in ihrem
Wert und in ihren Grenzen für die Vergegenwärtigung der
prophetischen Botschaft dienstbar gemacht. Auch Franz
Delitzsch, auf den an wichtigen Stellen positiv zurückgegriffen
wird, kann keineswegs als die eigentliche Autorität
dieses Kommentars bezeichnet werden, sondern wird durchaus
kritisch eingeordnet. Ein erfreuliches Zeichen für die unbefangene
Weite der Exegese ist der wiederholte Rückgriff auf
Formulierungen von Calvin, wobei auf fast jeder Seite deutlich
bleibt, daß die theologische Frage des Exegeten klar
lutherisch geprägt ist.

Die eigentliche Stärke der Auslegung liegt in ihrer Bemühung
um das Verhältnis des prophetischen Wortes zur
immanent erfahrbaren geschichtlichen Wirklichkeit. Von dieser
Fragestellung aus gewinnen besonders die Darlegungen zu
Jes. 7 für alle weiteren Untersuchungen über die Immanuel-
Gestalt entscheidendes Gewicht. Sätze wie: „Schöpfung des
Augenblicks dieser prophetischen Begegnung scheint nur der
Name .Immanuel' zu sein. Damit tritt das, was im Zwielicht
mythologischer Vorstellung vorhanden gewesen sein mag, in
das helle Licht geschichtlicher Glaubensentscheidung" zeigen,
daß Herntrich als Exeget unmittelbar an den gegenwärtigen
Auseinandersetzungen der theologischen Wissenschaft über
das hermeneutische Problem beteiligt ist und von der Sache
her sein Wort beizutragen hat. Meinem Urteil nach stellt die
Auslegung von 9, 1—6 den Teil des Kommentars dar, der am
eindrucksvollsten zum Ausdruck bringt, was dem Verf. vorgeschwebt
hat.

Wenn man summarisch von einem Kommentar verlaugt,
daß er zugleich folgende drei Forderungen beachtet: 1. Er
muß für den Pfarrer im Amt brauchbar und für Predigt und
Seelsorge nützlich sein, 2. er muß deshalb das Wort der
Schrift als das Wort Gottes theologisch verstehbar machen,
3. er muß unter Aufnahme aller vorher geleisteten wissenschaftlichen
Arbeiten die historische, sprachliche und theologische
Besonderheit des ausgelegten Abschnittes zur Geltung
bringen, dann meine ich, Herntrich für diesen Kommentar
danken zu müssen als für ein Beispiel der Arbeit am Alten

40

Testament, wie sie heute getrieben werden muß. Hier ist auch
die Beziehung zur Mitte der Schrift beachtet, ohne daß künstliche
, christologische Spekulationen vorgetragen werden.
Mit Spannung erwarte ich den nächsten Kommentar von
Herntrich, in dem vielleicht die Wörter „Gefälle" und ,,exi-
stenziell" nur noch ganz selten vorzukommen brauchen.
Hannover Edo Osterloh

Kreyssig, Lothar: Gerechtigkeit für David. Gottes Gericht und Gnade
über den Ahnen Jesu Christi. Nach dem 2. Buch Samuelis. Berlin: Evani:.
Verlagsanstalt 119491. 163 S. 8°. Pp. DM 5.40.

Der Titel des Buches meint — was man ihm nicht sofort
ansieht -: Gerechtigkeit Gottes, die sich an David erweist.
Es handelt sich um die Bibelarbeit eines Nichtthcologen
(Jurist, Präses der Provinzialsynode Magdeburg), entstanden
aus Kreisen der Bekennenden Kirche, über 2. Sam. 1 bis
t, Kön. 2. Das Buch erhebt nicht den Anspruch, wissenschaftlich
Neues zutage zu fördern, steht aber auf dem Grunde guter
Kenntnis des Stoffes und seiner Probleme. Dem Verf. liegt
daran, die theologischen Hintergründe der Davidsgestalt uu<i
der Davidsgeschichte zu sehen und aufzuzeigen, so daß wi
hier einen durchaus ernst zu nehmenden Versuch theologischer
Deutung vor uns haben. Originell ist die Beurteilung Joabs als
des dunklen Gegenspielers Davids. David selbst wird ohne Beschönigung
geschildert, aber immer unter der Frage, wie Gott
an ihm, dem „Ahnherrn Jesu Christi", seine Gerechtigkeit betätigt
. Man liest das Buch mit steigender Spannung und
möchte unserer Kirche mehr solcher „Laien" wünschen, die
besonnen und auf das Wesentliche sehend, dabei das Ganze
der Schrift ins Auge fassend, ein biblisches Buch auszulegen
wagen.

Kiel H; W. He rtzberg

Guardini, Romano: Deutscher Psalter. Nach der lateinischen Ausgabe
Papst Pius'XII. übers. Im Auftrag der Deutschen Bischöfe. München:
Kösel-Verlag [1950J. 255 S. kl. 8°. Lw. DM6.—.

Die Versuche, den Psalter ins Deutsche zu übersetzen,
werden durch die vorliegende Arbeit in bemerkenswerter Weise
ergänzt, indem hier das Werk vorgelegt wird, das einen amtlichen
Charakter beansprucht. Während die bisherigen Übersetzungen
private Geltung besitzen, ist Guardinis Leistung
durch die liturgische Kommission der Fuldaer Bischofs-Konferenz
veranlaßt worden, welche praktische Ziele verfolgt, eine
einheitliche Lösung im deutschen Sprachkreis zu gewinnen,
die wesentlich liturgischen Bedürfnissen dienen will. Man wird
an das Werk von Cajetan gemahnt, welcher nach den humanistischen
Vorgängern sowohl sprachlich wie inhaltlich eine
neue Form zu schaffen unternommen hat. Auch darin erinnert
Guardini an Kardinal Cajetan, als dieser nicht bloß die alte
Vulgata ersetzen wollte, sondern auch die Vorzüge von Felix
von Prato u. a. verwertete. Insofern ist ein Unterschied festzustellen
, als der Kardinal von Gaeta selber F'xcget war, während
Guardini als Exegeten die wertvollen Dienste von Hubert
Junker in Anspruch nahm und auf der römischen Version der
Plana aufbauen wollte. So kommt der Übersetzung die sprachliche
Gewandtheit des einen und die exegetische Übung des
anderen zum Vorteil, auch die liturgische Übung macht sich
weithin wohltuend geltend, zuweilen freilich auf Kosten der
organischen Einheit.

So z. B. bei 2, 11 f. Hier wird in Übereinstimmung mit der lateinischen
Vorlage übertragen:

Dienet dem Herrn in Furcht und frohlocket Ihm,

bebend huldiget Ihm;
Der Exeget hat übersehen, dal.'. roUmkü ihm aus der hebräischen Konjektur
stehen geblieben ist. 73, 20 mag ebenfalls zur lateinischen Vorlage stimmen:

Blicke auf Deinen Bund:

voll von Gewalt sind Winkel und Felder des Landes.
Dem Hebräischen entspricht die Übersetzung aber nicht, und 88, 19 ergibt
demnach einfach:

Der Herr ist unser Schild

und unser König ist der Heilige Israels

nicht:

Vom Herrn kommt unser Schild,
und unser König vom Heiligen Israels.
Bei 119, 5 liegt wohl eine Inkonsequenz vor:
Heu mihi, quod dego in Mosoch
habito in ter.toriis Cedar.
Weh mir, daß Ich in der Verbannung weilen,
daß ich in Cedars Zelten wohnen muß!

Freiburg Arthur Allgeier